BVerwG Beschluss v. - 5 B 7/22

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 4 B 4/20 Urteilvorgehend Az: 5 K 97.17 Urteil

Gründe

1Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

21. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. etwa 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 1.19 D - juris Rn. 2 und vom - 5 B 25.18 - juris Rn. 3 jeweils m. w. N.). Den vorgenannten Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

4a) Die Beschwerde trägt zur Begründung der von ihr behaupteten Grundsatzbedeutung der Sache vor, entscheidungserheblich sei der im angefochtenen Urteil aufgestellte Rechtssatz,

"dass die Ausschreibung und Vergabe betriebsärztlicher Leistungen für die gemeinsame Einrichtung auch dann nicht als Maßnahme des Beklagten anzusehen ist, wenn dieser sich für die Erledigung seiner Arbeitgeberpflichten gemäß § 44d Abs. 5 SGB II i. V. m. dem Arbeitssicherheitsgesetz auf der Grundlage einer geschlossenen Verwaltungsvereinbarung des Internen Service bei der Bundesagentur für Arbeit bedient" (Beschwerdebegründung S. 4),

und macht dazu geltend, dass diese Rechtsfrage bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden sei.

5Ferner sei hier die Frage streitentscheidend,

"ob die Auslagerung einer Dienstleistung an den Träger dazu führt, dass die Durchführung derselben zur Folge hat, dass die Maßnahme nicht mehr dem Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung zuzurechnen ist, sondern dem Träger selbst" (Beschwerdebegründung S. 5).

6Verallgemeinerungsfähig, entscheidungsfähig und -bedürftig sei überdies der Rechtssatz:

"Im Fall des Vorliegens einer generellen Beauftragung des Trägers BA bedarf es dennoch eines überwiegenden Entscheidungsprozesses durch die Geschäftsführung des Jobcenters um eine Beteiligung, Information oder Mitwirkung der dortigen Gleichstellungsbeauftragten auszulösen" (Beschwerdebegründung S. 7).

7Mit dem (sinngemäßen) Aufwerfen dieser Fragen und ihrem weiteren Vorbringen dazu wird die Beschwerde den Anforderungen an die Darlegung der Grundsatzbedeutung nicht gerecht. Entgegen der Ansicht der Beschwerde waren die Rechtsfragen für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Dieses hat ausschließlich und entscheidungstragend darauf abgestellt, welche Dienststelle die Ausschreibung für den betriebsärztlichen Dienst vorgenommen und die Vergabe an erfolgreiche Anbieter beabsichtigt hat. So hat es die von der Beschwerde problematisierte Einordnung der zwischen dem Beklagten und der Bundesagentur für Arbeit getroffenen Vereinbarung nach § 44b Abs. 4 oder Abs. 5 SGB II ausdrücklich als für seine Entscheidung unmaßgeblich angesehen (UA S. 12). Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann aber regelmäßig und so auch hier mangels Klärungsfähigkeit nicht die Zulassung der Revision zur Folge haben (vgl. 5 BN 3.21 - juris Rn. 5 m. w. N.). Eine Ausnahme hiervon greift nicht ein, weil die Beschwerde jedenfalls nicht schlüssig darlegt, dass sich eine der Fragen in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich stellen wird. Sofern den aufgeworfenen Fragen die Annahme zugrunde liegt, infolge der Verwaltungsvereinbarung sei das darauf gestützte Handeln der Bundesagentur für Arbeit dem Beklagten zuzurechnen, begründet die Beschwerde im Übrigen nicht (hinreichend), weshalb dieser Auffassung zu folgen sei. Dies gilt namentlich für den von ihr in diesem Zusammenhang angestellten Vergleich mit einem privaten externen Dienstleister (Beschwerdebegründung S. 6). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

8b) Auch hinsichtlich der (sinngemäß) aufgeworfenen Frage,

ob "es [...] für das Vorliegen des Rechts der Klägerin auf Beteiligung gemäß § 27 Bundesgleichstellungsgesetz darauf ankommt, dass eine dem Geschäftsführer zuzurechnende Maßnahme vorliegt" (Beschwerdebegründung S. 7),

zeigt die Beschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht auf. Sie macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe hinsichtlich dieser Frage bislang keine Entscheidung getroffen, deren Beantwortung durch das Oberverwaltungsgericht im klaren Widerspruch zum Wortlaut des § 27 BGleiG stehe. Der Gesetzgeber habe den Maßnahmebegriff nur für das Recht der Gleichstellungsbeauftragten auf Mitwirkung benutzt. Im Gegensatz dazu sei für ihre Beteiligung ausreichend, dass es sich um eine "entsprechende Angelegenheit" handele. Es sei offensichtlich, dass die Ausschreibung betriebsärztlicher Leistungen und die anschließende Vergabe dieser Dienstleistung eine organisatorische und soziale Angelegenheit im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 2 BGleiG darstelle. Die Rechtsfrage lasse sich im Gegensatz zu den Ausführungen im angefochtenen Urteil auch dahin beantworten, dass es für das Beteiligungsrecht nicht darauf ankomme, ob der Maßnahmebegriff im Sinne von § 32 BGleiG und der Rechtsprechung zum Personalvertretungsgesetz erfüllt sei. Es sei offensichtlich, dass jedenfalls im Ergebnis eine Angelegenheit vorliege, die unmittelbar und direkt die gemeinsame Einrichtung als Dienststelle betreffe, und zwar unabhängig davon, ob bzw. in welchem Umfang sich die zuständige Geschäftsführung in dieser Angelegenheit einbringe. Gleiches gelte für den Informationsanspruch aus § 30 BGleiG.

9Damit wird die Beschwerde den Anforderungen an die Darlegung eines grundsätzlichen Klärungsbedarfs hinsichtlich der aufgeworfenen Frage nicht gerecht. Der von ihr geltend gemachte Umstand allein, dass es zu der aufgeworfenen Rechtsfrage noch keine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gäbe, verleiht einer Rechtssache nicht grundsätzliche Bedeutung ( 5 B 49.87 - Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 14 S. 6). Die Beschwerde setzt sich auch nicht in einer für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit gebotenen Weise substantiiert damit auseinander, dass und warum sich die aufgeworfene Frage nicht unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt. Insoweit wäre etwa eine Auseinandersetzung mit dem Wortlaut und der systematischen Stellung des § 27 BGleiG erforderlich gewesen. Denn § 27 Abs. 2 BGleiG knüpft die frühzeitige Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nach § 27 Abs. 1 BGleiG sowohl an einen "Entscheidungsprozess auf Seiten der Dienststelle" als auch an die Gestaltungsfähigkeit der "jeweilige(n) Entscheidung oder Maßnahme".

10c) Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich auch auf die zusammenfassende Wiederholung der unter a) und b) aufgeführten Fragen (Beschwerdebegründung S. 9).

112. Die Revision ist ferner nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

12Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des übergeordneten Gerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Die Beschwerdebegründung muss im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom - 5 B 20.18 D - juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.

13a) Die Beschwerde entnimmt den Beschlüssen des 5 P 7.17 - BVerwGE 164, 363 und vom - 5 PB 11.20 - PersV 2022, 29 die Rechtssätze, eine Maßnahme (im personalvertretungsrechtlichen Sinn) setze lediglich voraus, dass im Ergebnis eine Veränderung der bestehenden Zustände vorgenommen werde; eine Untätigkeit, die den Maßnahmebegriff insoweit nicht erfüllen könne, solle nur dann vorliegen, wenn gerade keine Änderung der Zustände erfolge. Hiervon weiche das angefochtene Urteil insoweit ab, als es seiner Entscheidung zugrunde lege, dass trotz Veränderung des Rechtszustandes der Beschäftigten in der gemeinsamen Einrichtung eine Untätigkeit des Beklagten vorliege, weil dieser dem internen Service (der Bundesagentur für Arbeit) bei der Ausführung der übertragenen Dienstleistung freie Hand gelassen habe. Daher sei die Beschwerde begründet.

14Damit zeigt die Beschwerde eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz nicht auf. Sie legt nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht eine durch Ausschreibung und (geplante) Vergabe des betriebsärztlichen Dienstes durch eine andere Dienststelle eintretende Veränderung des Rechtszustandes der Beschäftigten thematisiert und deshalb den ihm zugeschriebenen Rechtssatz in seinem Urteil aufgestellt hat. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht für das Vorliegen einer Maßnahme entscheidend darauf abgestellt, welche Dienststellenleitung die Handlung tatsächlich vorzunehmen beabsichtigt und durchführt (UA S. 11). Die Beschwerde legt auch nicht dar, warum der fragliche Rechtssatz den fallbezogenen Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zwingend zu entnehmen sei (vgl. zu diesem Erfordernis 5 B 33.21 - juris Rn. 19 m. w. N.).

15b) Die Beschwerde entnimmt den (vorgenannten) Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ferner den Rechtssatz, dass eine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn vorliege, wenn sich der Zustand der Arbeitsbedingungen oder die Rechtsstellung der Beschäftigten verändere. Hiervon weiche der in der angefochtenen Entscheidung aufgestellte Rechtssatz ab, wonach "eine Maßnahme nicht vorliegt, wenn sich die Veränderungen aus dem überwiegenden Handeln einer anderen Dienststelle ergeben, auch wenn diese im Wege eines Auftrages durch Konkretisierung einer bestehenden Verwaltungsvereinbarung ergibt". Zur Begründung der angenommenen Abweichung führt die Beschwerde aus, hätte das Oberverwaltungsgericht allein darauf abgestellt, dass es vorher keinen bestellten betriebsärztlichen Dienst gegeben habe, nach der Ausschreibung und Bestellung hingegen diese Zuständigkeit vorhanden gewesen sei, hätte es der "Beschwerde" stattgeben müssen. Allein auf der Grundlage des aufgestellten eigenen Rechtssatzes mit der zusätzlichen Anforderung habe das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung, die "Beschwerde" zurückzuweisen, begründen können.

16Auch dies zeigt eine Divergenz nicht auf. Die Beschwerde legt schon nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht den ihm zugeschriebenen Rechtssatz ausdrücklich oder jedenfalls der Sache nach aufgestellt hätte. Darüber hinaus zeigt sie die Unvereinbarkeit der formulierten Rechtssätze nicht auf, weil sie nicht erläutert, dass und inwiefern sich der dem Bundesverwaltungsgericht zugeschriebene Rechtssatz auch auf eine auftragsweise Konkretisierung einer Verwaltungsvereinbarung bezieht. Dies wäre erforderlich gewesen, weil die in Bezug genommenen Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts einen solchen Sachverhalt nicht betreffen. Schließlich macht die Beschwerdebegründung (lediglich) einen angeblichen Rechtsanwendungsfehler geltend, auf den - selbst wenn er vorläge - die Divergenzrüge nicht gestützt werden kann.

173. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

184. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:281222B5B7.22.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-35919