Strafverurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes mit anschließender Sicherungsverwahrung: Berücksichtigung der Unterbringungsanordnung bei der Strafzumessung
Gesetze: § 46 Abs 1 S 2 StGB, § 66 StGB
Instanzenzug: LG München I Az: 20 KLs 458 Js 161197/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Vergewaltigung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Schuldspruch weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf.
32. Hingegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da das Landgericht bei der Festsetzung der Freiheitsstrafe nicht erörtert hat, dass gegen den Angeklagten zugleich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
4a) Zu den bei der Strafzumessung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB zu berücksichtigenden Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft zu erwarten sind, gehört im Einzelfall auch die Wechselwirkung zwischen der verhängten Strafe und einer Maßregel der Besserung und Sicherung. Die Strafhöhe kann durch diese Wechselwirkung beeinflusst werden; beide Sanktionen müssen nicht nur einzeln, sondern auch zusammen angemessen sein (vgl. Rn. 16; vgl. auch Urteile vom – 4 StR 325/04 Rn. 12; vom – 5 StR 339/05 Rn. 7 und vom – 4 StR 114/08 Rn. 18; siehe auch , BVerfGE 109, 133, 179). Das ist in einer Gesamtschau zu bewerten (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 724).
5b) Gemessen daran lassen die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nicht erkennen, dass die Strafkammer bei der Bemessung der Strafe die zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung in den Blick genommen hat. Der Senat vermag deshalb nicht auszuschließen, dass die Jugendschutzkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung zu einer niedrigeren Freiheitsstrafe gelangt wäre.
63. Dies führt zur Aufhebung der Strafe und lässt die formellen Voraussetzungen der – im Übrigen rechtsfehlerfrei angeordneten – Sicherungsverwahrung in Wegfall geraten. Aus diesem Grund war auch diese Maßregel aufzuheben(vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 18/21 Rn. 6 und vom – 2 StR 461/20 Rn. 13).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:220322B1STR455.21.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-35821