BAG Urteil v. - 9 AZR 486/21

Arbeitnehmerüberlassung - Überlassungshöchstdauer

Leitsatz

1. Eine nach Maßgabe des § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 5 AÜG aufgrund eines Tarifvertrags der Einsatzbranche durch Betriebsvereinbarung auf 48 Monate verlängerte Überlassungshöchstdauer hält sich im Rahmen dessen, was als "vorübergehend" iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG anzusehen ist.

2. Der Entleiher und der bei ihm gebildete Betriebsrat verfügen nicht über die Regelungskompetenz, durch freiwillige Betriebsvereinbarung das Recht des Verleihers einzuschränken, bei ihm angestellte Leiharbeitnehmer aus dem Entleiherbetrieb abzuziehen.

Gesetze: Art 1 Abs 1 EGRL 104/2008, Art 5 Abs 5 S 1 EGRL 104/2008, § 1 Abs 1b S 5 AÜG, § 9 Abs 1 Nr 1b AÜG, § 10 Abs 1 S 1 AÜG, § 1 Abs 1 TVG, § 3 Abs 1 TVG, § 3 Abs 2 TVG, § 4 Abs 1 TVG, § 1 Abs 1b S 3 AÜG, § 1 Abs 1 S 4 AÜG, § 19 Abs 2 AÜG, Art 9 Abs 3 GG, § 77 Abs 3 BetrVG, § 14 Abs 1 AÜG

Instanzenzug: Az: 2 Ca 187/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 16 Sa 142/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten vorrangig darüber, ob zwischen ihnen kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, weil die Beklagte den Kläger nicht nur vorübergehend als Leiharbeitnehmer beschäftigt hat. Hilfsweise macht der Kläger einen Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags mit der Beklagten über eine Vollzeittätigkeit als Lager- und Produktionswerker geltend.

2Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzulieferindustrie und Mitglied im Verband der Metallindustriellen Niedersachsens eV. Ihre Rechtsvorgängerin vereinbarte mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat am eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern in M&L Vari“ (GBV Zeitarbeit), in der es auszugsweise heißt:

3Der am geborene Kläger ist Mitglied der IG Metall. Er wurde zum bei der R GmbH & Co. KG, die seit dem über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt, als Leiharbeitnehmer mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden eingestellt und seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei der Beklagten als Lager- und Produktionswerker sowie als Hilfskraft eingesetzt.

4Der Verband der Metallindustriellen Niedersachsens eV und die IG Metall - Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt - schlossen am den „Tarifvertrag Leiharbeit / Zeitarbeit (TV LeiZ)“, der mit Wirkung zum in Kraft trat (TV LeiZ 2017). Der in der Fassung vom fortgeschriebene „Tarifvertrag Leiharbeit / Zeitarbeit (TV LeiZ)“ galt ab dem (TV LeiZ 2018). In beiden Tarifverträgen heißt es - insoweit übereinstimmend - auszugsweise:

5Die Protokollnotiz zu § 2 Abs. 1 TV LeiZ lautet:

6Die Protokollnotiz zu § 4 Abs. 1 letzter Satz TV LeiZ lautet:

7Am vereinbarte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat die „Anlage zur Gesamtbetriebsvereinbarung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern in M&L Vari vom “ (Anlage zur GBV Zeitarbeit), in der es auszugsweise heißt:

8Die R GmbH & Co. KG informierte den Kläger am darüber, dass sie ihn zum bei der Beklagten abmelden werde. Der Einsatz des Klägers bei der Beklagten endete zu diesem Zeitpunkt.

9Der Kläger hat die Auffassung vertreten, mit der Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes nach § 10 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG begründet worden. Sein insgesamt länger als 54 Monate andauernder Einsatz als Leiharbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz bei der Beklagten sei nicht mehr als vorübergehend iSv. § 1 Abs. 1 Satz 4, Abs. 1b AÜG iVm. der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Leiharbeit (Richtlinie 2008/104/EG) anzusehen. Die aufgrund des TV LeiZ in der Anlage zur GBV Zeitarbeit festgelegte Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten überschreite zudem den Rahmen der Öffnungsklausel des § 1 Abs. 1b Satz 4 AÜG.

10Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, zumindest aus der GBV Zeitarbeit iVm. der Anlage zur GBV Zeitarbeit einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu haben. Die Beklagte habe gegen die Übernahmeregelungen der GBV Zeitarbeit verstoßen, mit denen die Erhöhung der gesetzlich limitierten Überlassungsdauer durch den TV LeiZ kompensiert werde. Die Beklagte habe entgegen Ziff. 3 Abs. 1 und Abs. 2 der Anlage zur GBV Zeitarbeit nicht ordnungsgemäß geprüft, ob er für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Frage komme. Bis zum Ende seines Einsatzes am habe sie entgegen Ziff. 2 der Anlage zur GBV Zeitarbeit keine finale Bewertung von Qualifikationsgesprächen vorgenommen.

11Der Kläger hat beantragt,

12Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass die im TV LeiZ sowie in der Anlage zur GBV Zeitarbeit zulässig geregelte Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten eingehalten worden sei. Die erweiterte, ab dem zu berechnende Überlassungshöchstdauer des § 2 Abs. 3 TV LeiZ gelte unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer regelmäßig auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt werde.

13Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

14Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das den Hauptantrag abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zutreffend zurückgewiesen. Hinsichtlich der Hilfsanträge hat die Revision des Klägers dagegen Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung des Klägers insoweit nicht zurückgewiesen werden. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis und vorläufige Beschäftigung hat. Das führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

15A. Der Antrag zu 1. ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

16I. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Ein Arbeitnehmer kann mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG geltend machen. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse besteht auch, soweit der Feststellungsantrag auf die Vergangenheit gerichtet ist, da sich aus dem durch den Kläger behaupteten Arbeitsverhältnis Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere mögliche Ansprüche auf Vergütung, ergeben können (vgl.  - Rn. 14; - 9 AZR 508/17 - Rn. 17 f.).

17II. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Zwischen dem Kläger und der Beklagten wurde kein Arbeitsverhältnis nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG wegen Überschreitens der zulässigen Überlassungshöchstdauer kraft Gesetzes begründet. Die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG festgelegte Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten ist nach Maßgabe des § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 5 AÜG durch Nr. 2 der Anlage zur GBV Zeitarbeit iVm. § 2 Ziff. 3 Abs. 1, § 3 Ziff. 1 TV LeiZ wirksam auf 48 Monate verlängert worden. Der Kläger war zwar der Beklagten im Zeitraum vom bis zum 54 Monate und sechs Tage zur Arbeitsleistung überlassen. Für die Berechnung maßgeblich sind aber nur 37 Monate seines Einsatzes bei der Beklagten seit dem .

181. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist. Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG unwirksam, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, gilt das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen.

192. Nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate tätig werden lassen. Die gesetzliche Überlassungsdauer ist entgegen der Auffassung des Klägers arbeitnehmer- nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen.

20a) Bezugspunkt der Überlassungsdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG ist die Dauer der Eingliederung des überlassenen Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation eines Entleihers. Das hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze (vom , BGBl. I S. 258) klargestellt (BT-Drs. 18/9232 S. 20; BT-Drs. 18/9723 S. 6). Dem Wortlaut des § 1 Abs. 1b Satz 1 Halbs. 1 und Halbs. 2 AÜG nach dürfen Verleiher und Entleiher „denselben Leiharbeitnehmer“ nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate überlassen und tätig werden lassen. Der Arbeitsplatz, an dem der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, findet demgegenüber keine Erwähnung ( - Rn. 14 und - 4 AZR 83/21 - Rn. 15).

21b) Die arbeitnehmerbezogene Berechnung der Überlassungsdauer ist mit dem Unionsrecht vereinbar ( - Rn. 16 ff. und - 4 AZR 83/21 - Rn. 14 ff.; aA etwa Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 304; Ulber RdA 2018, 50, 52).

22aa) Art. 5 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2008/104/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, aufeinanderfolgende Überlassungen zu verhindern, mit denen die Bestimmungen dieser Richtlinie insgesamt umgangen werden sollen ( - [Daimler] Rn. 56; - C-681/18 - [KG] Rn. 55 ff.). Einem Mitgliedstaat ist es danach verwehrt, keine Maßnahmen zu ergreifen, um den vorübergehenden Charakter der Leiharbeit zu wahren ( - [Daimler] Rn. 67; - C-681/18 - [KG] Rn. 63). Die arbeitnehmerbezogene Berechnung der Überlassungshöchstdauer in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG verstößt nicht gegen diese Verpflichtung. Zur Gewährleistung des vorübergehenden Charakters der Leiharbeit ist es nicht erforderlich, die Bestimmung der Überlassungsdauer arbeitsplatzbezogen auszugestalten. Der Begriff „vorübergehend“ kennzeichnet nicht den Arbeitsplatz, der im entleihenden Unternehmen zu besetzen ist, sondern die Modalitäten der Überlassung eines Arbeitnehmers an dieses Unternehmen ( - [Daimler] Rn. 31).

23bb) Der Durchführung eines weiteren Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht. Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Daimler ( - Rn. 30 ff.) geklärt, dass die Überlassung eines Arbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen zur Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz, der dauerhaft vorhanden ist und der nicht vertretungsweise besetzt wird, einem Verständnis der Überlassung als „vorübergehend“ nicht entgegensteht ( - [Daimler] Rn. 38).

243. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG eröffnet den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche die Möglichkeit, diese gesetzliche Überlassungshöchstdauer durch Tarifvertag zu verkürzen oder auszudehnen (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 20). Nach § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG können zudem durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung, die aufgrund einer entsprechenden tarifvertraglichen Regelung der Einsatzbranche mit dem tarifgebundenen Entleiher geschlossen wurde, von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer abweichende Regelungen getroffen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält, die abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zulässt (BT-Drs. 18/9232 S. 21). Eine auf dieser Grundlage auf betrieblicher Ebene getroffene Regelung entfaltet die gleichen Wirkungen wie der ihr zugrundeliegende Tarifvertrag nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG. Sie ändert die zulässige Überlassungshöchstdauer nicht nur für den Entleiher als Betriebspartei, sondern zugleich für die überlassenen Leiharbeitnehmer und den Verleiher (vgl.  - Rn. 25 mwN).

25a) Verfassungsrechtlich ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG auf eine Konkretisierung des Begriffs „vorübergehend“ für den Regelfall beschränkt (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 29) und in § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 5 AÜG den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche bzw. - auf Grundlage eines solchen Tarifvertrags - die Betriebsparteien zu einer vom Gesetz abweichenden Bestimmung der Überlassungshöchstdauer ermächtigt hat (vgl.  - Rn. 22 ff.). Dadurch wird die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche zur Normsetzung nach Art. 9 Abs. 3 GG über die im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) und deren Bindungswirkung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) hinaus in zulässiger Weise gesetzlich ausgestaltet. Die Übertragung der Regelungsermächtigung allein an die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche, nicht aber an diejenigen der Zeitarbeitsbranche, führt weder zu einer Verletzung von deren Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG noch zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung iSd. Art. 3 Abs. 1 GG (mit ausführlicher Begründung  - Rn. 31 ff.).

26b) Die Regelungen in § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 5 AÜG stehen auch mit der Richtlinie 2008/104/EG im Einklang ( - [Daimler] Rn. 111). Die Übertragung der Regelungsbefugnis auf die Tarifvertragsparteien der Branche der entleihenden Unternehmen sowie deren Möglichkeit, abweichende betriebliche Regelungen zuzulassen, ist auch ohne eine gesetzliche Festlegung einer absoluten Überlassungshöchstgrenze zulässig. Dies ist nach der Entscheidung des - C-232/20 - [Daimler]) iSe. „acte éclairé“ geklärt ( - Rn. 53 ff.). Damit aber Leiharbeit bei demselben entleihenden Unternehmen nicht zu einer Dauersituation für einen Leiharbeitnehmer werden kann ( - [Daimler] Rn. 56; - C-681/18 - [KG] Rn. 55, 60), muss die in Tarifverträgen und - wenn der Entleiher an einen Tarifvertrag iSd. Satz 5 gebunden ist - in Betriebsvereinbarungen festgelegte Überlassungsdauer nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG und Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG als „vorübergehend“ anzusehen sein ( - Rn. 57).

27c) Die Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten nach Nr. 2 Satz 1 der Anlage zur GBV Zeitarbeit wurde mit dem nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständigen Gesamtbetriebsrat in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung festgelegt. Kann ein Arbeitgeber - wie vorliegend die Beklagte - mitbestimmungsfrei entscheiden, ob er eine Regelung überhaupt abschließt, darf er diese auch von einer überbetrieblichen Regelung abhängig machen und auf diese Weise die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung herbeiführen ( - Rn. 59; - 3 AZR 201/17 - Rn. 75, BAGE 166, 136; - 1 ABR 82/08 - Rn. 15, BAGE 133, 373).

28d) Die Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten nach Nr. 2 Satz 1 der Anlage zur GBV Zeitarbeit entspricht der in § 2 Abs. 3 Satz 1 TV LeiZ vorgegebenen maximalen Überlassungszeit und hält sich im Rahmen dessen, was als „vorübergehend“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG anzusehen ist.

29aa) „Vorübergehend“ bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch „zeitlich begrenzt“ ( - [Daimler] Rn. 57). Da sich eine konkrete zeitliche Grenze, nach der eine Überlassung nicht mehr als „vorübergehend“ angesehen werden könnte, weder aus dem AÜG noch aus der Richtlinie 2008/104/EG (zu letzterer  - [Daimler] Rn. 53) ergibt, verbietet sich ein Rückgriff auf zeitliche Grenzen in anderen Regelungswerken (aA Ulber/Ulber AÜG-Basis 3. Aufl. § 1 Rn. 198 f.; Ulber RdA 2018, 50, 53: 24 Monate nach Art. 12 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2004/78/EG), die anderen Zielen dienen (Hamann jurisPR-ArbR 35/2020 Anm. 3). Eine Überlassungshöchstdauer ist zulässig, solange sie unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände, zu denen insbesondere die Branchenbesonderheiten zählen, vernünftigerweise noch als „vorübergehend“ betrachtet werden kann (vgl.  - [Daimler] Rn. 60). Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Überlassung ohne jegliche zeitliche Begrenzung erfolgt und der Leiharbeitnehmer dauerhaft anstelle eines Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll ( - Rn. 57, BAGE 158, 121; - 1 ABR 79/12 - Rn. 43). Aus § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG und § 1 Abs. 1b Satz 6 AÜG, die die Überlassungshöchstdauer außerhalb der Geltung eines Tarifvertrags auf 18 und 24 Monate festlegen, ergibt sich zudem, dass eine „vorübergehende“ Überlassung diesen Zeitraum übersteigen kann ( - Rn. 69).

30bb) Nach diesen Grundsätzen ist die in Nr. 2 Satz 1 der Anlage zur GBV Zeitarbeit vereinbarte Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten noch als „vorübergehend“ anzusehen. Sie entspricht exakt der Überlassungshöchstdauer des § 2 Abs. 3 Satz 1 TV LeiZ. Da aufgrund des den Tarifvertragsparteien zustehenden Gestaltungsspielraums und deren Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen (vgl. hierzu  - Rn. 38; - 5 AZR 143/19 (A) - Rn. 37, BAGE 173, 251; - 4 AZR 796/13 - Rn. 31, BAGE 151, 235) davon auszugehen ist, dass die Branchenbesonderheiten bei der entsprechenden tariflichen Regelung hinreichend Berücksichtigung gefunden haben (ausf. zur Angemessenheitsvermutung  - Rn. 29 mwN, BAGE 148, 139; BT-Drs. 17/4804 S. 9), ist dies auch hinsichtlich der sich in diesem Rahmen haltenden Anlage zur GBV Zeitarbeit anzunehmen. Ein Zeitraum von vier Jahren kann nicht als dauerhaft angesehen werden, zumal damit die in § 1 Abs. 1b Satz 1 und Satz 6 AÜG vorgesehenen Grenzen nicht um ein Vielfaches überschritten werden ( - Rn. 75; - 4 AZR 26/21 - Rn. 70).

31cc) Bei der Berechnung der 48-monatigen Überlassungshöchstdauer werden Überlassungszeiten vor dem nicht berücksichtigt. Dies folgt unmittelbar aus § 19 Abs. 2 AÜG, von dem weder der TV LeiZ noch die Anlage zur GBV Zeitarbeit abweichende Regelungen vorsehen.

32(1) Die Vorschrift soll als Übergangsregelung zur Einführung der Überlassungshöchstdauer sicherstellen, dass bei deren Berechnung nur Verleihzeiten ab dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 1b AÜG einzurechnen sind. Vor Inkrafttreten des Gesetzes am zurückgelegte Verleihzeiten sollen die Überlassungshöchstdauer nicht berühren (BT-Drs. 18/9232 S. 31).

33(2) Die Regelung in § 19 Abs. 2 AÜG bezieht sich auf „die Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b“ AÜG, ohne danach zu differenzieren, auf welcher Rechtsgrundlage diese beruht. Der Wortlaut der Norm schließt damit neben der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer iSv. § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG auch die Abweichungsmöglichkeiten der Sätze 2 bis 8 ein. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Übergangsregelung, es den Sozialpartnern, Verleihern und Entleihern sowie den betroffenen Leiharbeitnehmern zu ermöglichen, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 31).

34(3) Ein nationales Gericht, bei dem - wie im Streitfall - ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privatpersonen anhängig ist, hat die unionsrechtswidrige Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 2 AÜG weder wegen Unvereinbarkeit mit Unionsrecht unangewendet zu lassen (vgl.  - [Daimler] Rn. 82) noch vor dem verbrachte Überlassungszeiten durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 1b iVm. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zu berücksichtigen (so aber Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 337; Hamann jurisPR-ArbR 17/2022 Anm. 8).

35(a) Zwar steht die Übergangsvorschrift nicht im Einklang mit Unionsrecht, weil sie dem beabsichtigten Schutz der Richtlinie 2008/104/EG vor einer nicht mehr nur „vorübergehenden“ Überlassung von Leiharbeitnehmern die praktische Wirkung nimmt (vgl.  - [Daimler] Rn. 73). Die nationale Rechtsordnung genügt damit nicht der Pflicht, die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten (vgl. näher  - [Daimler] Rn. 22 ff.). Ein Leiharbeitnehmer kann aber wegen eines solchen Verstoßes kein subjektives Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher aus dem Unionsrecht ableiten ( - [Daimler] Rn. 93 ff.;  - Rn. 37).

36(b) Art. 288 Abs. 3 AEUV überlässt den innerstaatlichen Stellen die Freiheit bei der Wahl der Mittel und Wege zur Umsetzung der Richtlinie. Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 10 Richtlinie 2008/104/EG dazu verpflichtet, für die Nichteinhaltung der Richtlinie geeignete Maßnahmen vorzusehen und für den Fall eines Verstoßes gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie Sanktionen festzulegen. Vorgaben zum Inhalt der Maßnahmen und Sanktionen macht die Richtlinie demgegenüber nicht, insbesondere ist nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zur Entleiherin vorgeschrieben. Soweit die Richtlinie mangels einer wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktion unzureichend umgesetzt worden ist, könnten der durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts geschädigten Partei allenfalls Schadensersatzansprüche zustehen ( - [Daimler] Rn. 99).

37(4) Unter Berücksichtigung der danach für die deutschen Gerichte verbindlichen Übergangsregelung ist die Überlassungshöchstdauer des § 1 Abs. 1b AÜG im vorliegenden Fall nicht überschritten worden. Für deren Berechnung sind lediglich die 37 Monate vom bis zum relevant. Die für die Überlassung des Klägers maßgebliche Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten wurde damit eingehalten.

38dd) Soweit die Tarifvertragsparteien in § 2 Ziff. 2 TV LeiZ einen vorübergehenden Einsatz nicht nur an die Einhaltung der tarifvertraglichen Überlassungshöchstdauer, sondern auch an arbeitsplatzbezogene Merkmale knüpfen, führt eine Verletzung dieser Vorgaben nicht zur Anwendung des Rechtsfolgensystems der § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG ordnet die zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG führende Unwirksamkeit des Leiharbeitsverhältnisses nur für den Fall der Überschreitung der „zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b“ AÜG an. Das Rechtsfolgensystem ist insoweit abschließend. Für die Verletzung anderweitiger, den Begriff des vorübergehenden Einsatzes weitergehend einschränkender Regelungen sieht das Gesetz diese Rechtsfolge nicht vor. Die Nichteinhaltung qualitativer oder quantitativer Anforderungen an die durch Leiharbeitnehmer zu besetzenden Arbeitsplätze mag den Betriebsrat dazu berechtigen, seine Zustimmung zur beabsichtigten Einstellung eines Leiharbeitnehmers nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu verweigern (vgl.  - Rn. 14 ff.). Der (Fort-)Bestand des Leiharbeitsverhältnisses zum Verleiher bleibt bei einer gegen die einschränkenden Regelungen verstoßenden Beschäftigung mangels gesetzlicher Anordnung jedoch unberührt.

394. Die vom Kläger begehrte Rechtsfolge lässt sich auch nicht unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls aus § 242 BGB herleiten. Allein der Umstand, dass die Überlassungsdauer unter Berücksichtigung aller Überlassungszeiten des Klägers von etwas mehr als 54 Monaten nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG nicht mehr als „vorübergehend“ angesehen werden könnte, hätte unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nicht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Beklagten und dem Kläger zur Folge. Hat sich der Gesetzgeber - wie vorliegend hinsichtlich § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG - entschieden, einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nicht mit der Sanktion der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher zu versehen, darf diese Rechtsfolge nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden. Dies würde anderenfalls bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers einzugreifen (vgl. zum AÜG idF v.  - Rn. 38, BAGE 146, 384).

40B. Die Revision ist begründet, soweit sie sich auf den hilfsweise gestellten Klageantrag zu 2. bezieht. Das Landesarbeitsgericht durfte diesen Klageantrag nicht mit der gegebenen Begründung abweisen. Das Berufungsurteil ist daher teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Für eine Entscheidung des Senats über diesen Antrag fehlt es an erforderlichen Feststellungen. Daher ist die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

41I. Der Hilfsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

421. Bei einem Antrag, der auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist, die zum Abschluss eines Arbeitsvertrags führen soll und nach § 894 Satz 1 ZPO mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils als abgegeben gilt, erfordert das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass der Klageantrag - ggf. in Verbindung mit der Klagebegründung - die wesentlichen Vertragsbedingungen festlegt. Dazu gehören neben der Art der Tätigkeit, dem Arbeitsumfang, der Vergütung und den übrigen Arbeitsbedingungen auch der Vertragsbeginn und die Angabe, ob der Vertrag befristet oder auf unbefristete Zeit abgeschlossen werden soll ( - Rn. 59 mwN, BAGE 169, 328; - 1 AZR 217/18 - Rn. 14).

432. Diesen Anforderungen wird der Antrag gerecht. Die Beklagte soll verurteilt werden, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags zu den bei ihr geltenden tarifvertraglichen Bedingungen - gemeint sind die Tarifverträge für die niedersächsische Metall- und Elektroindustrie, die auf das zu begründende Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung fänden - als Lager- und Produktionswerker in Vollzeit zu unterbreiten. Der Klageantrag enthält zwar kein Datum, zu dem das erstrebte Arbeitsverhältnis beginnen soll. Da der Kläger jedoch die Übernahme aus der Arbeitnehmerüberlassung in ein Arbeitsverhältnis mit der Entleiherin verlangt, ist sein Klagebegehren dahingehend auszulegen, dass er einen nahtlosen Wechsel zur Beklagten mit (Rück-)Wirkung zum begehrt.

443. Dem Antrag fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger auch die Möglichkeit gehabt hätte, vorrangig auf die Annahme seines Vertragsangebots durch die Beklagte zu klagen. Ein berechtigtes Interesse an der Abgabe eines Angebots durch die Beklagte, über dessen Annahme der Kläger sodann entscheiden kann, hat er bereits deshalb, weil es im Falle des Zustandekommens des Vertrags kein einseitiges, § 12 Satz 1 KSchG entsprechendes Lösungsrecht des Arbeitnehmers gibt (st. Rspr.; vgl.  - Rn. 60, BAGE 169, 328; - 7 AZR 847/12 - Rn. 24, BAGE 148, 299).

45II. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht einen Anspruch des Klägers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit den von ihm bezeichneten Vertragsbedingungen nach 48 Monaten abgelehnt und dies darauf gestützt, dass Nr. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit bei Verstößen der Beklagten gegen die Regelungen zur Qualifikationsprüfung und Feststellung einer Übernahmeeignung keinen Anspruch auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründe. Mit dieser Begründung durfte der Klageantrag zu 2. nicht abgewiesen werden.

461. Mit Erreichen der Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten hat der Leiharbeitnehmer einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dies ergibt sich bereits aus der Anordnung in Nr. 3 Abs. 4 der Anlage zur GBV Zeitarbeit, dass die eigentliche Übernahme nach Ablauf der maximalen Höchstdauer des Einsatzes von 48 Monaten „erfolgt“. Mit dieser Wortwahl haben die Betriebsparteien zum Ausdruck gebracht, dass der Einsatz des bisher als Leiharbeitnehmer beschäftigten Mitarbeiters mit Erreichen der Überlassungshöchstdauer in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortgesetzt werden soll, soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände des Abs. 5 der Nr. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit vorliegt. Dem Leiharbeitnehmer wird dadurch das Recht eingeräumt, so gestellt zu werden, als wäre mit der Beklagten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG wegen Überschreitens der Überlassungshöchstdauer kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis begründet worden.

47a) Durch die Bezugnahme auf die „maximale Höchstdauer des Einsatzes von 48 Monaten“ synchronisiert Nr. 3 Abs. 4 der Anlage zur GBV Zeitarbeit die Übernahme mit der in Nr. 2 der Anlage zur GBV Zeitarbeit geregelten 48-monatigen Überlassungshöchstdauer. Die für die Übernahme maßgebliche Einsatzdauer kann damit ebenfalls frühestens am beginnen. Vorhergehende Überlassungszeiten bleiben auch in diesem Zusammenhang unberücksichtigt. Dieser Beurteilung steht die Protokollnotiz zu § 4 Abs. 1 TV LeiZ nicht entgegen, der zufolge zu den Einsatz-/Beschäftigungszeiten iSv. § 4 Abs. 1 TV LeiZ auch die vor Inkrafttreten des Tarifvertrags zurückgelegten Zeiten zählen. Die Protokollnotiz bezieht sich allein auf Betriebe ohne Betriebsvereinbarung und nicht - wie vorliegend - auf solche mit freiwilliger Betriebsvereinbarung iSv. § 3 TV LeiZ.

48b) Der Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ist ein Bewertungsverfahren vorgeschaltet, in dessen Verlauf die Eignung des Leiharbeitnehmers für die Fortsetzung seines Einsatzes in einem Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher ermittelt wird. Dazu ordnet Nr. 2 Abs. 1 der Anlage zur GBV Zeitarbeit an, dass nach 36 Monaten eine finale Bewertung auf Basis der während der Einsatzdauer durchgeführten Qualifikationsgespräche durch den Vorgesetzten vorzunehmen ist, um zu überprüfen, ob der Leiharbeitnehmer grundsätzlich für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Frage kommt. Erfüllt ein Leiharbeitnehmer die Bewertungskriterien nicht, ist er spätestens nach Ablauf von 36 Monaten darüber zu informieren, dass sein Einsatz bei der Beklagten im Rahmen der üblichen Abmeldefrist endet (Nr. 2 Abs. 2 der Anlage zur GBV Zeitarbeit). Der finalen Eignungsbewertung geht eine quartalsweise vorzunehmende Prüfung voraus. Nach Nr. 3 Abs. 1 der Anlage zur GBV Zeitarbeit findet jeweils zum Ende des Quartals für das nächste Quartal eine Prüfung statt, ob der Leiharbeitnehmer für eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Frage kommt. Die Beklagte hat sicherzustellen, dass zum Zeitpunkt der Übernahmeentscheidung eine aktuelle Bewertung vorliegt.

49c) Innerhalb der ersten 36 der maximal zulässigen 48 Monate ermöglicht Nr. 3 Abs. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit die Beendigung der Überlassung unabhängig vor der grundsätzlichen Eignung des Leiharbeitnehmers. Nach dieser Bestimmung ist eine Abmeldung in dem angegebenen Zeitraum jederzeit volumens-, leistungs- oder verhaltensbedingt möglich. Die Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass es einer Beendigung der Überlassung aufgrund der aufgeführten Sachgründe nur dann bedarf, wenn sie auf Veranlassung der Beklagten vorgenommen wird. Die Regelung in Nr. 3 Abs. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit bindet auf Arbeitgeberseite nur die Beklagte, nicht aber die Verleiherin. Die zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat getroffene Vereinbarung kann das Recht der Verleiherin, den bei ihr angestellten Leiharbeitnehmer im Wege ihres Direktionsrechts abzumelden und ggf. durch einen anderen Leiharbeitnehmer auszutauschen, nicht einschränken. Für eine berechtigte Initiative der Beklagten zur Abmeldung genügen nachvollziehbare Unterschreitungen von Leistungsvorgaben sowie einfache, nicht nur ganz unerhebliche Verletzungen vertraglicher Pflichten.

50aa) Die Beklagte ist Adressatin der Regelung in Nr. 3 Abs. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit.

51(1) Dies folgt nicht nur daraus, dass sie (bzw. die Rechtsvorgängerin) - und nicht die Verleiherin - die Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat getroffen hat. Auch die Regelungssystematik spricht dafür, dass sich das Erfordernis eines Sachgrunds für die Abmeldung auf von der Beklagten initiierte Abmeldungen beschränkt. Die genannten Sachgründe korrespondieren mit der Verpflichtung der Beklagten, regelmäßig die Eignung des Leiharbeitnehmers für eine Übernahme zu prüfen. Es liegt nahe, dass auch die Arbeitsqualität und -quantität sowie die Einhaltung von Verhaltensvorgaben - und damit volumen-, leistungs- oder verhaltensbedingte Aspekte - Gegenstand der Beurteilung sind. Erst die Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den Entleiherbetrieb und die dortige Überprüfung seines Leistungs- und Ordnungsverhaltens ermöglichen die Beurteilung, ob die genannten Sachgründe vorliegen und die Beklagte ein berechtigtes Interesse an einer Beendigung des Einsatzes hat. Dies zu beurteilen obliegt in erster Linie der Beklagten und begründet einen inneren Zusammenhang zwischen der Prüfpflicht und den erforderlichen Sachgründen für die von der Beklagten initiierte Abmeldung.

52(2) Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Der Leiharbeitnehmer soll vor einer willkürlichen, offensichtlich sachwidrigen Abmeldung auf Initiative der Beklagten geschützt werden. Es soll verhindert werden, dass die Beklagte ohne triftigen Grund von einem Verleiher die Abmeldung eines Leiharbeitnehmers verlangt, um sich dessen Übernahmeanspruch zu entziehen.

53(3) Zudem entspricht es dem gesetzeskonformen Verständnis der Vorschrift, dass diese die Beklagte nur bei Vorliegen von Sachgründen berechtigt, den Entleiher zur Abmeldung des Leiharbeitnehmers zu veranlassen. Zu einer Einschränkung des Rechts der Verleiherin, die bei ihr angestellten Leiharbeitnehmer abzumelden, wären die Betriebsparteien des Entleihbetriebs nicht berechtigt.

54(a) Arbeitgeber und Betriebsrat haben innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen von § 77 Abs. 3, § 75 BetrVG eine umfassende Regelungskompetenz für alle betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen sowie den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ( - Rn. 15, BAGE 171, 340). Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung kann auch die Regelung eines Übernahmeanspruchs für Leiharbeitnehmer sein. Die Regelungskompetenz der Betriebsparteien des Entleiherbetriebs ist jedoch begrenzt. Nach § 14 Abs. 1 AÜG sind Leiharbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich grundsätzlich Teil der Belegschaft des Verleiherbetriebs und bleiben auch während der Dauer ihrer Überlassung in die dortige Betriebsorganisation eingegliedert. Gleichwohl folgt aus dieser Zuordnung nicht die Kompetenz des für einen Verleiherbetrieb gewählten Betriebsrats, alle die Leiharbeitnehmer betreffenden Angelegenheiten zu regeln. Denn für die Dauer einer Überlassung sind die Leiharbeitnehmer zusätzlich in die Organisation des Entleihbetriebs eingegliedert und unterstehen dort dem Weisungsrecht des Entleihers (vgl.  - Rn. 21; - 1 ABR 25/14 - Rn. 13, BAGE 155, 215). Aus der das Leiharbeitsverhältnis kennzeichnenden Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen zwischen dem Verleiher als Vertragsarbeitgeber und dem Entleiher als demjenigen, der die wesentlichen Arbeitgeberbefugnisse in Bezug auf die Arbeitsleistung innerhalb der von ihm vorgegebenen Betriebsorganisation ausübt, ergibt sich demgemäß, dass die Regelungskompetenz der Betriebsparteien im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich davon abhängt, wer - der Verleiher oder der Entleiher - die Entscheidungskompetenz über den jeweiligen Regelungsgegenstand hat.

55(b) Danach dürfen der Entleiher und der bei ihm gebildete Betriebsrat keine freiwillige Betriebsvereinbarung schließen, die die Möglichkeit des Verleihers, bei ihm angestellte Leiharbeitnehmer abzumelden, unmittelbar einschränkt. Das Recht, einen Leiharbeitnehmer beim Entleiher abzumelden, steht idR dem Verleiher und nicht dem Entleiher zu. Die Hauptleistungspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher besteht darin, einen arbeitsbereiten, den vertraglich festgelegten Anforderungen entsprechenden Arbeitnehmer für die vereinbarte Dauer zur Verfügung zu stellen. Auf diese Verpflichtung ist § 243 BGB entsprechend anzuwenden. Ohne besondere Abrede ist der Verleiher lediglich verpflichtet, einen iSv. § 243 Abs. 1 BGB fachlich geeigneten, nicht aber einen bestimmten Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Aus dem Charakter der Arbeitnehmerüberlassung als Dauerschuldverhältnis folgt zwar, dass dem Entleiher für die gesamte Laufzeit des Vertrags ein geeigneter Leiharbeitnehmer zur Verfügung stehen muss. Der Verleiher hat aber grundsätzlich das Recht zum Austausch, sofern dem nicht eine Vereinbarung mit dem Entleiher oder sonstige berechtigte Belange des Entleihers - wie etwa eine lange Einarbeitungszeit für unternehmensspezifische Aufgaben - entgegenstehen ( - Rn. 21 mwN).

56(c) Die Betriebsparteien auf Entleiherseite überschreiten ihre Regelungskompetenz indessen nicht, wenn sie - wie vorliegend - die Voraussetzungen regeln, unter denen der Entleiher den Verleiher auffordern darf, einen Leiharbeitnehmer abzumelden. Eine solche Regelung stellt keine Beschränkung des Direktionsrechts zulasten des Verleihers dar, sondern konkretisiert die Modalitäten der Einflussnahme auf die Entscheidung des Verleihers über die Abmeldung eines Leiharbeitnehmers durch den Entleiher, ohne dass das Direktionsrecht des Verleihers berührt wird. Dies bedeutet vorliegend für die Regelung in Nr. 3 Abs. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit, dass für den Übernahmeanspruch des Klägers eine Abmeldung ohne Vorliegen eines der in der Bestimmung genannten Gründe nur dann unbeachtlich wäre, wenn sie auf Veranlassung der Beklagten erfolgte und nicht auf einer autonomen Entscheidung der Verleiherin beruhte.

57bb) Als Sachgründe, die die Beklagte im Verhältnis zum Betriebsrat und dem Leiharbeitnehmer berechtigen, den Verleiher zur Abmeldung aufzufordern, genügen nachvollziehbare Unterschreitungen von Leistungsvorgaben sowie einfache, nicht nur ganz unerhebliche Verletzungen vertraglicher Pflichten.

58(1) Für dieses Auslegungsergebnis sprechen der Wortlaut der Vorschrift und die Regelungssystematik. Ihrem Wortlaut nach ermöglicht Nr. 3 Abs. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit die jederzeitige Abmeldung aus einem volumen-, leistungs- oder verhaltensbedingten Anlass. Durch die Verwendung des Begriffs „jederzeit“ wird deutlich, dass weder eine negative Prognose noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Regelungssystematisch sind die einer Übernahme des einzelnen Mitarbeiters nach 48 Monaten entgegenstehenden personen- oder verhaltensbedingten Gründe nicht mit den Begriffen der „personenbedingten Gründe“ und „verhaltensbedingten Gründe“ iSd. § 1 Abs. 2 KSchG gleichzusetzen. Gegenstand der Regelung in Nr. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit ist nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein bereits bestehendes bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufgelöst werden kann, sondern ob ein Arbeitsverhältnis überhaupt erst begründet werden soll. Ein Verhalten, das nach Nr. 3 Abs. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit innerhalb der ersten 36 Monate die jederzeitige Abmeldung gestattet, unterliegt zudem geringeren Anforderungen als personen- oder verhaltensbedingte Gründe, die gemäß Nr. 3 Abs. 5 der Anlage zur GBV Zeitarbeit einer Übernahme des einzelnen Mitarbeiters nach 48 Monaten entgegenstehen. Auch sachlich nachvollziehbare Gründe, die keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen zur Folge hatten, können eine Abmeldung innerhalb der ersten 36 Überlassungsmonate rechtfertigen.

59d) Erreicht ein Leiharbeitnehmer die Überlassungshöchstgrenze, hat er auch dann einen Übernahmeanspruch, wenn die Beklagte das Verfahren zur Prüfung der Übernahmeeignung des Leiharbeitnehmers nicht durchgeführt hat, es sei denn, es liegt ein Ausnahmetatbestand der Nr. 3 Abs. 5 der Anlage zur GBV Zeitarbeit vor. Unterlässt die Beklagte die vorgeschriebene finale Bewertung, ist unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens aus § 162 BGB der Leiharbeitnehmer als grundsätzlich übernahmegeeignet anzusehen.

602. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen und des Vorbringens der Parteien kann der Senat nicht beurteilen, ob der Kläger eine den Übernahmeanspruch begründende Einsatzdauer von 48 Monaten erreicht hat. Dies wäre dann der Fall, wenn die Abmeldung des Klägers durch die Verleiherin vom zum auf Initiative der Beklagten erfolgt und nicht durch einen Sachgrund iSv. Nr. 3 Abs. 3 der Anlage zur GBV Zeitarbeit gedeckt wäre. In diesem Fall wäre die Abmeldung im Verhältnis zur Beklagten unbeachtlich. Die Zuordnung zur Beklagten hätte als fortbestanden gegolten, soweit es die Voraussetzungen für den Übernahmeanspruch betrifft. Das Landesarbeitsgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, auf wessen Initiative die Abmeldung erfolgte und ob sie volumens-, leistungs- oder verhaltensbedingt veranlasst war. Die Beklagte hat in den Vorinstanzen behauptet, die Abmeldung beruhe auf nicht näher bezeichneten „Bearbeitungsfehlern“. Die gebotenen Feststellungen dazu werden im fortgesetzten Berufungsverfahren nachzuholen sein. Zudem wird das Landesarbeitsgericht - nach Gewährung rechtlichen Gehörs - zu prüfen haben, ob ein der Übernahme des Klägers entgegenstehender Ausnahmetatbestand iSv. Nr. 3 Abs. 5 der Anlage zur GBV Zeitarbeit vorliegt. Als dem Übernahmeanspruch entgegenstehende Einwendung trägt die Beklagte hierfür die Darlegungs- und Beweislast.

61C. Soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung gegen das den echten Hilfsantrag zu 3. und den unechten Hilfsantrag zu 4. abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen hat, war das Berufungsurteil ebenfalls aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Vor einer Entscheidung über den Hilfsantrag zu 2. kann über diese Anträge nicht befunden werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:081122.U.9AZR486.21.0

Fundstelle(n):
DB 2023 S. 1547 Nr. 26
DB 2023 S. 1547 Nr. 26
NJW 2023 S. 10 Nr. 15
ZIP 2023 S. 928 Nr. 17
TAAAJ-35755