BVerwG Beschluss v. - 1 WB 21/21

Die Förderung freigestellter oder beurlaubter Soldaten bedarf einer gesetzlichen Grundlage

Leitsatz

1. Die berufliche Förderung freigestellter oder beurlaubter Soldaten bedarf einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich mindestens die Entscheidung für ein bestimmtes Fördermodell (Systementscheidung), die Bestimmung des davon begünstigten Personenkreises sowie die Festlegung der zentralen, die Förderung maßgeblich beeinflussenden Kriterien ergibt.

2. Die aktuelle, ausschließlich auf Verwaltungsvorschriften gestützte Förderpraxis nach dem Referenzgruppenmodell wird dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts im Bereich des Art. 33 Abs. 2 GG nicht gerecht.

3. Der Mangel einer gesetzlichen Grundlage kann in den Fällen einer Beurlaubung nach Nr. 101 Buchst. h der Allgemeinen Regelung A-1336/1 (Beurlaubung im dienstlichen Interesse, für eine Tätigkeit in öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen oder für Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit) auch nicht für eine Übergangszeit hingenommen werden.

Gesetze: Art 33 Abs 2 GG, Art 80 Abs 1 S 2 GG, § 3 Abs 1 SG, § 27 Abs 1 SG, § 2 SLV 2021, § 3 SLV 2021

Tatbestand

1Der Rechtsstreit betrifft die Bildung einer Referenzgruppe für einen im dienstlichen Interesse beurlaubten Soldaten.

2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 30. September ... Zuletzt wurde er am zum Oberst befördert und mit Wirkung vom in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 3 eingewiesen.

3Mit Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung vom wurde der Antragsteller im dienstlichen Interesse zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit als ... bei der ... für die Zeit vom bis beurlaubt. Die Beurlaubung wurde Anfang 2021 bis zum verlängert.

4Mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom wurde dem Antragsteller eine im Hinblick auf seine Beurlaubung erstellte Referenzgruppe zur Förderung von im dienstlichen Interesse beurlaubten Soldaten nach der Zentralen Dienstvorschrift A-1336/1 übermittelt. Die Referenzgruppe enthält außer dem Antragsteller vier weitere Oberste, die wie der Antragsteller über eine planmäßige dienstliche Beurteilung zum Termin verfügen, dem Uniformträgerbereich Luftwaffe angehören, den Generalstabslehrgang absolviert haben, die Entwicklungsprognose "5" aufweisen, dem Werdegang Luftwaffensicherungstruppe angehören, dem Kompetenzbereich Personalmanagement zugeordnet sind, in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 3 eingewiesen wurden, im obersten Wertungsbereich mit einem Leistungswert zwischen "8,60" und "8,90" beurteilt wurden sowie zwischen dem und dem erstmalig auf einen B 3-Dienstposten versetzt wurden. Der Antragsteller nimmt in der Reihung der Offiziere den 1. Platz ein.

5Gegen diese Referenzgruppe erhob der Antragsteller unter dem Beschwerde.

6Vorgerichtlich wies das Bundesministerium der Verteidigung den Antragsteller darauf hin, dass die Referenzgruppe zwar wohl fehlerhaft gebildet sei, dies jedoch zugunsten des Antragstellers, so dass jedenfalls dessen Rechte nicht verletzt seien. Im Hinblick auf das Verbot der "reformatio in peius" verbleibe es bei der bisherigen Reihung.

7Nachdem der Antragsteller an seinem Rechtsbehelf festhielt, wertete das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte diesen dem Senat mit einer Stellungnahme vom vor.

8Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus:

Die Referenzgruppe sei fehlerhaft gebildet und benachteilige ihn, auch wenn er an Position 1 stehe, in seinem dienstlichen Fortkommen. Aufgrund der Zusammensetzung der Referenzgruppe aus Offizieren, die nach ihrem Verwendungsaufbau nicht mehr für eine Förderung nach B 6 in Betracht kämen, habe er keinen Vorteil aus seinem ersten Rangplatz; vielmehr sei seine Förderung von vornherein ausgeschlossen. Die Referenzgruppe sei mit fünf Personen zudem zu klein. Eine Referenzgruppe aus fünf Personen sei nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig und nur dann, wenn eine sachgerechte Erweiterung der Kriterien der Referenzgruppenbildung nicht möglich sei. Die Kriterien zur Auswahl der Mitglieder der Referenzgruppe seien hier zu eng bzw. unzutreffend gewählt worden. Er sei zwar im Ausgangspunkt Offizier der Luftwaffensicherungstruppe; sein tatsächlicher Werdegang - zumal in den jüngsten Verwendungen - gehe aber weit darüber hinaus. Seine letzte Verwendung im Werdegang Luftwaffensicherungstruppe habe 2001 geendet. Seit nunmehr 20 Jahren entwickle sich seine Laufbahn unabhängig vom Werdegang und stattdessen bezogen auf die nach Abschluss des LGAN zugeordneten Kompetenzbereiche. Die Zuordnung zur Luftwaffensicherungstruppe schließe ihn dauerhaft von der Förderung nach B 6 aus, weil für diesen Werdegang nur ein Offizier pro Jahrgang in die Generalsebene befördert werde und eine solche Förderung bereits für einen Offizier seines Jahrgangs erfolgt sei. Auch die Einengung auf den Uniformträgerbereich Luftwaffe sei nicht sachgerecht. Auf der Ebene des Stabsdienstes spiele die Zugehörigkeit zu einem Uniformträgerbereich für die Laufbahnentwicklung keine Rolle mehr. Maßgeblich für die Personalentwicklung von Generalstabsdienstoffizieren sei vielmehr der zugeordnete Kompetenzbereich. Stelle man nur hierauf - und nicht zugleich auf Uniformträgerbereich, Truppengattung und Werdegang - ab, so ergebe sich bereits eine deutlich größere Auswahl an Offizieren. Im Übrigen seien ihm zwei Kompetenzbereiche zugeordnet, neben dem Personalmanagement auch der Kompetenzbereich Konzeption und Weiterentwicklung, der inzwischen in Integrierte Planung umbenannt sei. Auch in diesem Kompetenzbereich habe er den Verwendungsaufbau abgeschlossen. Die Referenzgruppe hätte mithin schon dadurch erweitert werden können und müssen, dass Offiziere aus beiden Kompetenzbereichen berücksichtigt würden. Hinzuweisen sei ferner darauf, dass für die Förderung auf der Ebene der Spitzenoffiziere vor allem die Förderperspektive von Bedeutung sei. Keiner der in der Referenzgruppe befindlichen Offiziere verfüge über eine über B 3 hinausgehende Förderperspektive, während er in seiner Beurteilung 2017 konkrete Verwendungsvorschläge bis nach B 7 erhalten habe. Bei Auswahlentscheidungen nach B 6 werde zudem regelmäßig eine Beurteilung als Referatsleiter im Bundesministerium der Verteidigung gefordert; auch hierüber verfügten die übrigen Mitglieder der Referenzgruppe nicht. Er wäre deshalb eine Referenzgruppe aus Offizieren zu bilden gewesen, die sämtlich eine Referatsleiterverwendung durchlaufen und sich in dieser bewährt hätten. Soweit ihm eine mangelnde Bewährung als Referatsleiter vorgehalten werde, weise er darauf hin, dass er nach 20 Monaten als Referatsleiter im Bundesministerium der Verteidigung mit einer absoluten Spitzenbeurteilung ("8,90") auf Wunsch der Hausleitung aus dienstlichen Gründen in den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr beurlaubt worden sei. Für eine darüberhinausgehende Bewährungsdauer von 24 Monaten sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Schließlich müssten alle in die Referenzgruppe aufgenommenen Offiziere annähernd gleich alt sein, weil im Rahmen der Personalentwicklung der Spitzenoffiziere das Lebensalter der Einsteuerung in die B 3-Ebene von entscheidender Bedeutung für die weitere Förderung sei. Soweit ihm die fehlende Bewährung in einer besonderen Auslandsverwendung vorgehalten werde, gehe es vorliegend zunächst um eine Nachzeichnung mit fiktiver Versetzung auf einen B 6-Dienstposten. Vor dem faktischen Antritt einer B 6-Verwendung könne die Auslandsverwendung nach Beendigung oder durch Unterbrechung der Beurlaubung ohne Probleme nachgeholt werden.

9Der Antragsteller beantragt,

die Referenzgruppe des Bundesministeriums der Verteidigung - P II 2 - vom aufzuheben und das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, eine neue Referenzgruppe zu erstellen.

10Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

11Die angefochtene Referenzgruppe sei rechtmäßig. Insbesondere sei der Antragsteller im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedern der Referenzgruppe genau gleichbehandelt worden, und zwar im Hinblick auf die planmäßige Beurteilung zum Termin auf einem B 3-Dienstposten, den Uniformträgerbereich Luftwaffe, den Generalstabslehrgang, die Entwicklungsprognose "5", den Werdegang Luftwaffensicherungstruppe, den Kompetenzbereich Personalmanagement und die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 3. Diese Kombination genau gleicher Kriterien sei geboten, um eine größtmögliche Vergleichbarkeit der jeweiligen dienstlichen Verwendungen der Angehörigen der Referenzgruppe in der Vergangenheit herzustellen. Dies gelte auch für die Zugehörigkeit zu Uniformträgerbereich, Truppengattung und Werdegang und für die Zuordnung zu einem Kompetenzbereich. Diese Kriterien bildeten regelmäßig zulässige Eignungskriterien bei Entscheidungen nach dem Grundsatz der Bestenauslese und könnten daher auch im Rahmen einer Referenzgruppenbildung herangezogen werden. Der zweite Kompetenzbereich des Antragstellers sei nicht herangezogen worden, weil der Antragsteller den Verwendungsaufbau in diesem Kompetenzbereich in den Dotierungsebenen A 14/A 15 nicht abgeschlossen habe. Auch die Größe der Referenzgruppe sei nicht zu beanstanden. Im Vorfeld der Erstellung seien insgesamt 25 Offiziere in Betracht gezogen wurden. Von diesen verfügten jedoch sechs Offiziere über eine ungünstigere Entwicklungsprognose als der Antragsteller, weitere sechs Offiziere hätten im Jahr 2017 noch keine Beurteilung auf einem B 3-Dienstposten erhalten, drei Offiziere seien bereits vor dem bzw. vor dem Beginn der Freistellung zum auf einen B 6-Dienstposten gefördert worden und vier Offiziere hätten ein deutlich schlechteres Leistungsbild als der Antragsteller aufgewiesen. Es seien folglich einschließlich des Antragstellers nur die fünf gelisteten Offiziere übrig geblieben. Eine verspätete Bildung einer Vergleichsgruppe mache diese nicht rechtswidrig, weil die dafür zu Beginn der Freistellung feststehenden Rahmenbedingungen auch im Nachhinein unveränderlich seien. Wegen der letzten planmäßigen Beurteilung des Antragstellers zum Termin hätten bis zum noch aktuelle Beurteilungserkenntnisse vorgelegen, weshalb eine Referenzgruppe erst für die Zeit ab dem benötigt worden sei. Der Antragsteller weise keine Bewährung als Referatsleiter im Bundesministerium der Verteidigung auf, weil er lediglich 20 Monate in dieser Funktion tätig gewesen sei. Zudem fehle ihm die Bewährung in einer besonderen Auslandsverwendung, die in der geltenden Fassung des Katalogs bundeswehrgemeinsamer Bedarfsträgerforderungen für jede erste Verwendung auf der Ebene B 6 gefordert werde.

12Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügungen vom und vom auf die neueren Entwicklungen in der Rechtsprechung zur Erforderlichkeit einer normativen Grundlage für das Beurteilungswesen hingewiesen, die auch auf die hier in Rede stehenden Fragen der Referenzgruppenbildung für im dienstlichen Interesse beurlaubte Soldaten anzuwenden sein könnten. Das Bundesministerium der Verteidigung hat hierzu erklärt, dass Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einschlägiger Verordnungen § 27 Abs. 1 SG sei. Von dieser Ermächtigung habe die Bundesregierung in Gestalt von § 2 und § 3 SLV Gebrauch gemacht und die wesentlichen normativen Regelungen für die dienstlichen Beurteilungen festgelegt. Die weitere Ausgestaltung des Beurteilungswesens sei in zulässiger Weise der Exekutivgewalt in Form von Verwaltungsvorschriften überlassen worden. Dies gelte auch für die Bildung von Referenzgruppen, die lediglich Einzelheiten zur konkreten Anwendung der Regelungen für die dienstlichen Beurteilungen in der Praxis darstellten. Eine § 21 Abs. 2 Nr. 6 BBG entsprechende Regelung sei nicht erforderlich. Rechtliche Grundlage für die Förderung der im dienstlichen Interesse freigestellten Soldaten nach dem Referenzgruppenmodell sei die Entsendungsrichtlinie Bund, nach der die Entsendung keine nachteiligen Auswirkungen auf den beruflichen Werdegang, insbesondere im Hinblick auf Beförderungen, haben dürfe. Selbst im Falle des Fehlens einer hinreichenden normativen Grundlage sei von dem Grundsatz der einstweiligen Fortgeltung der Verwaltungsvorschriften auszugehen.

13Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

14Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg, soweit der Antragsteller die Aufhebung der Referenzgruppe begehrt, und ist im Übrigen zurückzuweisen.

151. Der Antrag ist insgesamt zulässig.

16a) Die gegenständliche Referenzgruppe vom nach der Zentralen Dienstvorschrift A-1336/1 zur "Förderung vom Dienst freigestellter, entlasteter oder im öffentlichen Interesse oder wegen Familienpflichten beurlaubter Soldatinnen und Soldaten" (hier anzuwenden in der ab gültigen Version 1.1; fortgeschrieben in der ab geltenden Version 2 als Allgemeine Regelung A-1336/1 zur "Militärischen Personalführung für Freigestellte, Entlastete oder Beurlaubte") bildet einen statthaften Antragsgegenstand.

17Der Senat hat mit Beschlüssen vom - 1 WB 5.16 - (Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 95 Rn. 18 ff. zum damaligen Zentralerlass B-1336/2 zur "Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten") und vom - 1 WB 28.16 - (Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 22 Rn. 17 ff. zum damaligen Zentralerlass B-1336/1 zur "Förderung von im öffentlichen Interesse beurlaubten Soldatinnen und Soldaten") entschieden, dass eine Referenzgruppe, die der fiktiven Fortschreibung der beruflichen Fortentwicklung freigestellter oder beurlaubter Soldaten dient, eine dienstliche Maßnahme im Sinne von § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (hier i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) und damit einen geeigneten Gegenstand im gerichtlichen Antragsverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung darstellt.

18Maßgeblich für die Qualifikation als dienstliche Maßnahme ist vor allem die Erwägung, dass die Bildung der - grundsätzlich statischen - Referenzgruppe die künftige berufliche Entwicklung des freigestellten oder beurlaubten Soldaten und seine Chancen auf eine höherwertige Verwendung und Beförderung weitgehend determinieren. Sobald und solange die Betrachtung auf der Grundlage der Referenzgruppe erfolgt, ist das Fortkommen des freigestellten oder beurlaubten Soldaten nicht mehr von eigenen Leistungen, sondern allein davon abhängig, dass die Anzahl der Auswahlentscheidungen zugunsten anderer Angehöriger der Referenzgruppe seinen Rangplatz erreicht. Die wesentliche und vorentscheidende Weichenstellung für die Verwirklichung des Rechts des freigestellten oder beurlaubten Soldaten auf ein Fortkommen nach Eignung, Befähigung und Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) erfolgt damit über die Referenzgruppenbildung, während das nachfolgende Verfahren der Umsetzung nur noch gleichsam automatisch die Konsequenzen zieht, die sich für ihn aus den Auswahlentscheidungen zugunsten anderer Angehöriger der Referenzgruppe ergeben. Die Referenzgruppenbildung stellt damit kein bloß vorbereitendes Element innerdienstlicher Willensbildung, sondern die für die Rechtsposition des freigestellten Soldaten maßgebliche Entscheidung dar, die deshalb als anfechtbare dienstliche Maßnahme zu qualifizieren ist.

19b) Der Antragsteller ist auch antragsbefugt.

20Der Antragsteller ist seit dem (nach aktuellem Stand bis zum ) ohne Geld- und Sachbezüge zur Wahrnehmung einer hauptberuflichen Tätigkeit bei der ... beurlaubt und wird dort aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrags beschäftigt. Da sein Dienstverhältnis als Berufssoldat fortbesteht, kann er sich gestützt auf Art. 33 Abs. 2 GG weiter um höherwertige Dienstposten bewerben und im Falle seiner Auswahl eine entsprechende förderliche Versetzung jedenfalls dann verlangen, sobald seine Beurlaubung beendet werden kann (vgl. entsprechend zur Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 2 GG auf beurlaubte Beamte bei der Deutschen Telekom AG 2 C 71.10 - Buchholz 232.0 § 17 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 und vom - 2 C 19.17 - BVerwGE 162, 253 Rn. 10 ff.).

21Unabhängig davon kann er sich im Zusammenhang mit der Förderung nach der Zentralen Dienstvorschrift bzw. Allgemeinen Regelung A-1336/1 jedenfalls auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG berufen (vgl. für einen zur NETMA beurlaubten Soldaten 1 WB 28.16 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 22 Rn. 23). Denn eine an Verwaltungsvorschriften orientierte ständige Verwaltungspraxis verpflichtet zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle. In diesem Sinne geht es dem Antragsteller gerade auch darum, auf der Grundlage der bestehenden Verwaltungsvorschriften eine Referenzgruppe zu erwirken, die - aus seiner Sicht - für sein weiteres Fortkommen günstiger als die Gegenwärtige zusammengesetzt ist.

222. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch nur im Anfechtungsteil, nicht aber hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens begründet.

23Die Referenzgruppe vom ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO); sie beruht auf der Anwendung eines Modells zur Förderung freigestellter oder beurlaubter Soldaten, für das eine - durch den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gebotene - hinreichende normative Grundlage fehlt. Mangels der erforderlichen gesetzlichen Grundlage kann der Antragsteller keine Neubildung einer Referenzgruppe verlangen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO); eine Fortführung der Verwaltungspraxis nach den bestehenden Verwaltungsvorschriften zur Förderung im dienstlichen Interesse beurlaubter Soldaten kommt auch für eine Übergangszeit nicht in Betracht.

24a) Regelungen, die in das grundrechtsgleiche Recht der Soldaten auf ein dienstliches Fortkommen nach Eignung, Befähigung und Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) eingreifen oder die dieses Recht maßgeblich ausgestalten, unterliegen dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes (vgl. 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 33 ff. sowie allgemein zuletzt insbesondere Beschluss vom - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 19 ff.).

25aa) Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf (vgl. - BVerfGE 83, 130 <142> und - BVerfGE 116, 24 <58>, jeweils m. w. N.). Die Tragweite dieses Grundsatzes wird durch die - in Kurzform so bezeichnete - Wesentlichkeitstheorie näher bestimmt (vgl. - BVerfGE 84, 212 <226>). Die Wesentlichkeitstheorie beantwortet nicht nur die Frage, ob überhaupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich geregelt sein muss; sie ist vielmehr auch dafür maßgeblich, wie weit diese Regelungen im Einzelnen gehen müssen ( - BVerfGE 83, 130 <152> und - BVerfGE 101, 1 <34>, jeweils m. w. N.). Von der Wesentlichkeit der Entscheidung hängt auch ab, inwieweit die Regelung unmittelbar in einem Parlamentsgesetz erfolgen muss (Parlamentsvorbehalt) oder die Regelung in einer Rechtsverordnung oder Satzung, die ihrerseits einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, genügt ( - BVerfGE 139, 19 Rn. 54 m. w. N.).

26Für die Bestimmung und Abgrenzung der in diesem Sinne wesentlichen Entscheidungen kommt es auf den jeweiligen Sachbereich und die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstands an, wobei die Wertungskriterien den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen sind ( - BVerfGE 98, 218 <251> und vom - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <311 f.>, jeweils m. w. N.). Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" ( - BVerfGE 98, 218 <251>) bzw. sind als wesentlich diejenigen Regelungen zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben ( - BVerfGE 95, 267 <308>).

27bb) Der Vorbehalt des Gesetzes und die Maßgaben der Wesentlichkeitstheorie gelten auch für das grundrechtsgleiche Recht des Art. 33 Abs. 2 GG, das jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt gewährleistet, und für den daraus abgeleiteten Leistungsgrundsatz bzw. Grundsatz der Bestenauslese (vgl. dazu 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329).

28Einer normativen Grundlage bedarf es danach stets, wenn der durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistete Leistungsgrundsatz eingeschränkt wird. Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz selbst verankert sind, sondern diesen durchbrechen, einschränken oder modifizieren, können nur dann Berücksichtigung finden, wenn ihnen ihrerseits Verfassungsrang zukommt. Dabei ist es grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers, die Abwägung und den Ausgleich zwischen dem Leistungsgrundsatz und den anderen verfassungsgeschützten Belangen vorzunehmen; Ausnahmen vom Leistungsgrundsatz sowie Einschränkungen und Modifikationen bedürfen deshalb einer gesetzlichen Grundlage (vgl. 1 WB 48.10 - BVerwGE 140, 342 Rn. 30 m. w. N.).

29Losgelöst von dem Merkmal des Eingriffs (vgl. insoweit besonders BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 883/73 und 379, 497, 526/74 - BVerfGE 40, 237 <249> und vom - 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75 - BVerfGE 47, 46 <79>) unterliegt dem Vorbehalt des Gesetzes aber auch die Ausgestaltung eines Rechtsbereichs, der materiellrechtlich wesentlich von dem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG geprägt ist (vgl. 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 38 m. w. N.). Im hier interessierenden Zusammenhang gilt dies insbesondere für das Recht der dienstlichen Beurteilungen. Dienstliche Beurteilungen sind das maßgebliche Instrument der Personalsteuerung, mit dem über das grundrechtsgleiche Recht des Beamten auf "ein angemessenes berufliches Fortkommen" entschieden wird (vgl. - BVerfGE 141, 56 Rn. 31, 36; 2 B 3.21 - BVerwGE 172, 8 Rn. 21). Entsprechendes gilt für das dienstliche Fortkommen und die Personalentwicklung der Soldaten (vgl. 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 39).

30cc) Nach diesen Maßgaben hat der Senat mit Beschluss vom - 1 WB 48.07 - (BVerwGE 134, 59 Rn. 41 ff.) zu den Beurteilungsbestimmungen des Bundesministeriums der Verteidigung für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vom entschieden, dass das Soldatenrecht mit der laufbahnrechtlichen Vorschrift des § 27 Abs. 1 SG (i. V. m. § 93 Abs. 1 Nr. 2 SG) zwar grundsätzlich eine auch für die Regelung des Beurteilungswesens ausreichende Ermächtigungsgrundlage enthält. Eine Umgestaltung des Beurteilungssystems, wie sie die Beurteilungsbestimmungen vom insbesondere mit der Einführung verbindlicher Richtwerte vorsah, bedürfe jedoch einer normativen, zumindest verordnungsrechtlichen Grundlage, aus der sich die wesentlichen Elemente des neuen Systems ergäben. Diesen Anforderungen genügte die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV in ihrer damaligen Fassung (Bekanntmachung vom , BGBl I S. 1098) nicht. Die Bundesregierung hat dem mit der detaillierten Neufassung des § 2 SLV (i. d. F. der Bekanntmachung vom , BGBl I S. 3128) abgeholfen.

31In der Folgezeit hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ( und 1989/12 - BVerfGE 139, 19 Rn. 52 ff.) die Anforderungen an die gesetzlichen Grundlagen bei der Beschränkung und Ausgestaltung des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsprinzips weiter konkretisiert. Nicht entscheidend sei, ob bestimmte Regelungen in der Vergangenheit durch Rechtsverordnung erfolgt seien; die Frage der Wesentlichkeit und damit der Ermächtigungsgrundlage könne sich unter einem aktualisierten verfassungsrechtlichen Blickwinkel anders darstellen als noch vor einigen Jahren oder gar Jahrzehnten ( und 1989/12 - BVerfGE 139, 19 Rn. 57). Der für das Dienstrecht der Beamten zuständige 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat unter Bezugnahme hierauf entschieden, dass der Gesetzgeber selbst die wesentlichen Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen bestimmen müsse, wenn der Vergleich von Bewerbern im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GG regelmäßig anhand dieser Beurteilungen erfolge (vgl. 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254 Rn. 16 und Beschluss vom - 2 B 63.20 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 104 Rn. 22 f.). An dieser Verschärfung der Anforderungen hat er auch im Hinblick auf die hieran geäußerte Kritik ausdrücklich festgehalten ( 2 C 2.21 - BVerwGE 173, 81 Rn. 33).

32Diese Rechtsprechungsentwicklung hat Bundesgesetzgeber und Bundesregierung dazu veranlasst, die gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Grundlagen des Beurteilungsrechts der Beamten in § 21 BBG i. d. F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 2250) und §§ 48 bis 50 BLV i. d. F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 3582) zu novellieren. Das Beurteilungswesen der Soldaten wurde - auf der Grundlage des unverändert fortgeltenden § 27 Abs. 1 SG - im Zusammenhang mit einer Einführung eines neuen Beurteilungssystems (Allgemeine Regelung des Bundesministeriums der Verteidigung A-1340/50 über die "Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten" vom ) in § 2 und § 3 SLV i. d. F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1228) neu gefasst.

33b) Das hier gegenständliche Referenzgruppenmodell zur Förderung freigestellter oder beurlaubter Soldaten stellt eine Regelung des beruflichen Fortkommens von Soldaten im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG dar. Dieses Modell ergänzt die Regelungen über die dienstlichen Beurteilungen, nach denen sich das Fortkommen der in der Bundeswehr aktiven Soldaten bemisst. Die Zuordnung zu einer Referenzgruppe bildet dabei das Surrogat für die dienstliche Beurteilung, über die der freigestellte oder beurlaubte Soldat nicht mehr verfügt, und bestimmt wie diese seine Chancen bei der Auswahl für einen höher dotierten Dienstposten oder für Beförderungen oder Einweisungen in eine höhere Besoldungsgruppe. Damit durchbricht es den für die Förderung von Soldaten auf in Beurteilungen dokumentierte tatsächliche, aktuelle Leistungen abstellenden Grundsatz der Bestenauslese i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG.

34aa) Zwar vollzieht sich auch die Förderung der freigestellten oder beurlaubten Soldaten zunächst auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen, solange diese noch aktuell sind, d. h. bis zum darauffolgenden Beurteilungsdurchgang, an dem der Soldat wegen seiner Freistellung oder Beurlaubung nicht mehr teilnimmt (Nr. 401 ZDv A-1336/1; Nr. 317 Satz 1 AR A-1336/1). Wird die betreffende Person zu einem planmäßigen Beurteilungstermin jedoch nicht mehr beurteilt, so erfolgt ihre Betrachtung zwei Monate nach dem entsprechenden Vorlagetermin nur noch auf der Grundlage der für sie gebildeten Referenzgruppe (Nr. 317 Satz 2 AR A-1336/1; mit leicht abweichenden Fristen zuvor Nr. 402 ZDv A-1336/1). Ab dann erfüllt die Referenzgruppe für den freigestellten oder beurlaubten Soldaten dieselbe Funktion, die die neue dienstliche Beurteilung für den in der Bundeswehr aktiven Soldaten erfüllt.

35Entgegen der Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung handelt es sich bei der Bildung von Referenzgruppen indes nicht bloß um "Einzelheiten zur konkreten Anwendung der Regelungen für die dienstlichen Beurteilungen in der Praxis". Die Bildung der Referenzgruppe knüpft zwar an die letzte für den freigestellten oder beurlaubten Soldaten noch im militärischen Dienst erstellte Beurteilung an. Das Referenzgruppenmodell verleiht dieser letzten Beurteilung jedoch eine Bedeutung, die sich aus den Regelungen für die dienstlichen Beurteilungen der aktiven Soldaten keineswegs ablesen oder herleiten lässt, sondern vielmehr den für dienstliche Beurteilungen geltenden Grundsätzen in zentralen Punkten widerspricht.

36Zum einen ist das Referenzgruppenmodell abgekoppelt von dem Grundsatz der periodischen Aktualisierung der Beurteilung von Eignung, Befähigung und Leistung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SLV). Für die nicht freigestellten oder beurlaubten Soldaten wird die letzte planmäßige Beurteilung mit jeder folgenden Beurteilungsrunde durch die dann neue, aktuelle Beurteilung überholt; die davorliegende hat nur noch als "historische Beurteilung" Bedeutung. Eine Bindung an vorangehende planmäßige Beurteilungen, etwa in Form einer Fortschreibung ihrer Werturteile, besteht gerade nicht; die inhaltliche Bewertung des Persönlichkeits- und Leistungsbilds eines Soldaten fällt vielmehr in den Kernbereich des subjektiven Werturteils des jeweils aktuell Beurteilenden und beruht allein auf dessen Erkenntnissen aus dem dann aktuellen Beurteilungszeitraum (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 47.08 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 15 Rn. 40, vom - 1 WB 30.15 - juris Rn. 31 und vom - 1 WRB 2.19 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 25 Rn. 32). Für den freigestellten oder beurlaubten Soldaten dagegen wird der Leistungsstand seiner letzten planmäßigen Beurteilung gleichsam "eingefroren" und zum fixen Maßstab seiner künftigen Förderungschancen. Dies gilt unabhängig vom Zeitablauf und selbst dann, wenn die betreffende "historische Beurteilung" bei aktiven Soldaten nicht einmal mehr zur abgerundeten Bewertung des Leistungsbilds und seiner Kontinuität verwertet werden dürfte (vgl. zur Einbeziehung der beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung 1 WB 77.19 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 103 Rn. 24).

37Zum anderen ist die Förderung nach dem Referenzgruppenmodell auch insofern von den sonst geltenden Grundsätzen für dienstliche Beurteilungen abgelöst, als sie nicht auf der Annahme eigener individueller Leistungssteigerungen des Soldaten während der Freistellungs- oder Beurlaubungsphase, sondern darauf beruht, dass die betreffende Person entsprechend ihrem Rangplatz in der Referenzgruppe "mitgezogen" wird, wenn die Zahl der aus der Referenzgruppe geförderten Soldaten diesen Rangplatz erreicht (Nr. 404 und 405 ZDv A-1336/1; Nr. 320 und 321 AR A-1336/1; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 6.13 - Buchholz 449.7 § 51 SBG Nr. 1 Rn. 46, vom - 1 WB 37.16 - juris Rn. 22, 30 und vom - 1 WB 41.17 - juris Rn. 39). Für die betreffende Person mindestens genauso wichtig wie die Bewertungen in seiner letzten Beurteilung vor der Freistellung oder Beurlaubung ist deshalb - wie auch der vorliegende Fall illustriert -, nach welchen Kriterien welche anderen Referenzpersonen zur Bildung der Referenzgruppe herangezogen werden. Denn von deren künftiger Entwicklung hängen seine eigenen Förderchancen "auf Gedeih und Verderb" ab. Auch dies ist nicht in den Regelungen für die dienstlichen Beurteilungen der militärischen Dienst leistenden Soldaten vorgezeichnet, bei denen es allein auf die individuelle Leistung ankommt.

38bb) Bei der Förderung nach dem Referenzgruppenmodell handelt es sich gleichsam um eine selbständige "zweite Spur" des beruflichen Fortkommens, die der Dienstherr öffnet, wenn ihm ein Vorankommen auf der "ersten Spur" des Leistungswettbewerbs auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen nicht möglich oder nicht sachgerecht erscheint. Dies tritt anschaulich hervor, wenn der freigestellte oder beurlaubte Soldat wieder in den aktiven militärischen Dienst der Bundeswehr zurückkehrt, also gleichsam "die Spur wechselt". Denn hat der Soldat während der Freistellungs- oder Beurlaubungsphase die Förderung auf einen höherwertigen Dienstposten und die entsprechende Beförderung nach dem Referenzgruppenmodell erlangt, so nimmt er diesen höheren Status nach Beendigung der Freistellung oder Beurlaubung ohne Weiteres in den aktiven Dienst mit.

39So hätte vorliegend der Antragsteller, wenn er nach dem Referenzgruppenmodell zum Brigadegeneral befördert würde, nach seiner Beurlaubung Anspruch auf eine anschließende Verwendung auf einem regulären Generals-Dienstposten in der Truppe, ohne sich dabei zuvor einem Auswahlverfahren im Leistungsvergleich mit Obersten der Ebene B 3 auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen stellen zu müssen. Unabhängig davon, ob der Antragsteller während seiner Tätigkeit bei der ... - einer 100%igen Gesellschaft des Bundes (zur Geltung von Art. 33 Abs. 2 GG bei öffentlichen Betrieben in privater Rechtsform vgl. - BAGE 155, 29 Rn. 18 m. w. N.) - ein öffentliches Amt im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG innehat, hätte er damit über die Förderung nach dem Referenzgruppenmodell jedenfalls eine Anwartschaft auf ein höherwertiges Amt in der militärischen Organisation der Bundeswehr erworben. Auch für den Erwerb eines derartigen Anwartschaftsrechts müssen nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gelten.

40c) Das Referenzgruppenmodell zur Förderung freigestellter oder beurlaubter Soldaten unterliegt damit grundsätzlich denselben formell- und materiellrechtlichen Maßgaben des Art. 33 Abs. 2 GG wie die Regelungen über die dienstlichen Beurteilungen, die das berufliche Fortkommen der in der Bundeswehr aktiven Soldaten bestimmen. Dies gilt insbesondere für die oben dargestellten Grundsätze des Vorbehalts des Gesetzes.

41Das Referenzgruppenmodell - oder ein alternatives Modell zur fiktiven Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs - bedarf danach einer gesetzlichen Grundlage. Soweit die erforderliche Regelung nicht unmittelbar auf (parlaments-)gesetzlicher Ebene, etwa im Soldatengesetz, getroffen wird, muss eine gesetzliche Verordnungsermächtigung im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß der Förderung hinreichend bestimmt regeln. Unter dem Blickwinkel der Wesentlichkeitstheorie geboten ist danach eine gesetzliche Regelung, die die Grundlinien für die Förderung freigestellter oder beurlaubter Soldaten durch die personalbearbeitenden Stellen der Bundeswehr vorzeichnet und nicht der Verwaltung überlässt. Zum Inhalt dieser normativen Leitlinien zählen namentlich die Entscheidung für ein bestimmtes Fördermodell (Systementscheidung), die Bestimmung des davon begünstigten Personenkreises sowie die Festlegung der zentralen, die Förderung maßgeblich beeinflussenden Kriterien (im Falle des Referenzgruppenmodells also vor allem der für die Bildung der Referenzgruppe maßgeblichen Kriterien). Dabei ist auch zu klären, ob eine Förderung außerhalb des aktiven militärischen Dienstes bis in die Generalsränge erfolgen kann. Im Falle von Soldaten, die im dienstlichen Interesse für eine Tätigkeit in einem Unternehmen beurlaubt sind, stellt sich zudem die Frage, ob praktikable Instrumente bestehen oder sich entwickeln lassen, die - einer dienstlichen Beurteilung vergleichbar - die von diesen Soldaten tatsächlich erbrachten Leistungen bewerten und insofern dem Leistungsprinzip der individuellen Bewertung näher stehen als das Referenzgruppenmodell.

42Eine in diesem Sinne hinreichende gesetzliche Grundlage ist für die Förderung freigestellter und beurlaubter Soldaten derzeit nicht gegeben. Die aktuelle Förderpraxis stützt sich vielmehr ausschließlich auf Verwaltungsvorschriften, insbesondere die Zentrale Dienstvorschrift A-1336/1 zur "Förderung vom Dienst freigestellter, entlasteter oder im öffentlichen Interesse oder wegen Familienpflichten beurlaubter Soldatinnen und Soldaten" bzw. ab dem die Allgemeine Regelung A-1336/1 zur "Militärischen Personalführung für Freigestellte, Entlastete oder Beurlaubte". Dieser vollständige Ausfall an normativer Steuerung des Verwaltungshandelns genügt offenkundig nicht den Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes.

43d) Das Fehlen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage ist auch nicht für eine Übergangszeit hinzunehmen.

44Der Mangel einer erforderlichen gesetzlichen Grundlage führt in der Regel zur Unbeachtlichkeit darauf gestützter Verwaltungsvorschriften. Eine Abweichung von der Unanwendbarkeitsfolge kommt vor allem in Betracht, wenn die Rechtsprechung in der Vergangenheit von der Rechtmäßigkeit eines Handelns durch Verwaltungserlass ausgegangen ist und wenn durch die mangelnde Beachtung einer Verwaltungsvorschrift in einer Übergangszeit ein Zustand entstünde, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als die bisherige Lage (vgl. - BVerfGE 150, 345 Rn. 81 f. zu Steuergesetzen und 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <111> zu Beihilfevorschriften und Beschluss vom - 1 WB 28.17 - BVerwGE 164, 304 Rn. 35 zum äußeren Erscheinungsbild der Soldaten). Eine solche Konstellation ist für die hier gegenständlichen Fälle der Beurlaubung nach Nr. 101 Buchst. h AR A-1336/1 (Soldatinnen und Soldaten, die unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge beurlaubt sind, wenn der Urlaub dienstlichen Interessen, öffentlichen Belangen, einer Tätigkeit in öffentlichen zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen oder zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit dient) indes nicht gegeben.

45Zwar bestehen für die überwiegende Zahl der von dem Fördermodell der Allgemeinen Regelung A-1336/1 begünstigten Soldaten gesetzliche Benachteiligungsverbote oder gesetzliche Verbote der Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs. Für die Mitglieder von Personalvertretungen (Nr. 101 Buchst. a AR A-1336/1) ergibt sich dies aus § 10 und § 52 Abs. 1 Satz 2 BPersVG, für die Vertrauenspersonen und Mitglieder der Gremien nach dem Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz (Nr. 101 Buchst. b bis d AR A-1336/1) aus § 15 Abs. 1 SBG, ggf. i. V. m. § 33 Abs. 7, § 34 Abs. 3 oder § 42 Abs. 6 SBG, für die Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten (Nr. 101 Buchst. e AR A-1336/1) aus § 179 Abs. 2 SGB IX, für die militärische Gleichstellungsbeauftragte und deren Stellvertreterin (Nr. 101 Buchst. f und g AR A-1336/1) aus § 18 Abs. 5 Satz 1, 3 und 4 SGleiG und für wegen Familienpflichten beurlaubte Soldaten (Nr. 101 Buchst. i AR A-1336/1) aus § 15 Abs. 2 bis 4 SGleiG. Ein völliger, auch zeitweiser Wegfall jeglicher Förderung der freigestellten oder beurlaubten Soldaten könnte die genannten gesetzlichen Schutzaufträge und Benachteiligungsverbote verletzen und damit einen Zustand herbeiführen, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als die bisherige Lage.

46Ein vergleichbarer gesetzlicher Förderauftrag fehlt jedoch für die Fälle der Nr. 101 Buchst. h AR A-1336/1. Die Förderung nach dem Referenzgruppenmodell wird hier gestützt auf § 5 i. V. m. § 3 Abs. 4 Satz 4 der Entsendungsrichtlinie Bund (GMBl 2016 S. 34), wonach die Entsendung keine nachteiligen Auswirkungen auf den beruflichen Werdegang, insbesondere im Hinblick auf die Beförderung des Betroffenen haben darf. Hierbei handelt es sich allerdings wiederum nur um eine Verwaltungsvorschrift. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Antragsteller (anders als der zur NETMA entsandte Soldat im Beschluss vom - 1 WB 28.16 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 22; siehe GMBl 2016 S. 64) der Entsendungsrichtlinie schon nicht unterfällt, sondern diese Richtlinie nach Mitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung auf "inländische Entsendungen" - wie hier zur ... - lediglich entsprechend angewandt wird.

47Ein gesetzlicher Förderauftrag lässt sich schließlich auch nicht aus § 20 und § 20a SVG herleiten. Nach diesen Vorschriften können bestimmte Zeiten der Beurlaubung als ruhegehaltsfähig berücksichtigt werden; von dieser Regelung profitiert auch der Antragsteller für die Dauer seiner Tätigkeit bei der ... (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SVG). Ein Anspruch auf eine Beförderung - und damit mittelbar auf höhere Dienstbezüge als Bemessungsgrundlage des Ruhegehalts - ergibt sich hieraus jedoch nicht.

48e) Mangels gesetzlicher Grundlage ist damit die dem Antragsteller unter dem mitgeteilte Referenzgruppe rechtswidrig und aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO). Der Antragsteller kann keine Neubildung einer Referenzgruppe verlangen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO), solange der Gesetzgeber nicht in seinem Sinne regelnd tätig geworden ist.

493. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:231122B1WB21.21.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 17
SAAAJ-35323