Widerruf eines mit einem Fahrzeugkaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags: Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers bei Wiederveräußerung des Fahrzeugs an den Händler
Leitsatz
Bei einem mit einem im stationären Handel geschlossenen Fahrzeugkaufvertrag verbundenen und vom Darlehensnehmer widerrufenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag besteht das Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht mehr, wenn der Darlehensnehmer das Fahrzeug an den Händler wieder veräußert hat und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass der Darlehensgeber dem zugestimmt hat.
Gesetze: § 185 BGB, § 355 BGB, § 357 Abs 4 S 1 BGB, § 358 Abs 4 S 1 BGB vom , § 362 Abs 2 BGB, § 495 BGB
Instanzenzug: Az: 6 U 32/19 Urteilvorgehend Az: XI ZR 142/20 Urteilvorgehend Az: 6 U 32/19 Urteilvorgehend Az: 25 O 197/18
Tatbestand
1Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin.
2Die Klägerin erwarb im Juli 2014 einen gebrauchten Mercedes zum Kaufpreis von 41.400 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 12.500 € hinausgehenden Kaufpreisteils schlossen die Parteien mit Datum vom einen Darlehensvertrag über 28.900 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 1,97% p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 48 Monatsraten zu je 186,93 € und einer Schlussrate von 21.942 € erbracht werden. Seite 1 des Darlehensvertrags enthält unter der Überschrift "Ausbleibende Zahlungen" folgende Angabe über die Verzugsfolgen:
"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."
3Ferner informierte die Beklagte die Klägerin über ihr Widerrufsrecht auf Seite 2 des Darlehensvertrags wie folgt:
4Mit Schreiben vom erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück.
5Nachdem die Klägerin das Fahrzeug an den Fahrzeughändler entsprechend einer in den Darlehensvertragsunterlagen enthaltenen "Zusatzvereinbarung über die Rückkaufbedingungen eines PKW" unter Verrechnung der noch offenen Schlussrate aus dem Darlehensvertrag zurückgegeben hatte, hat sie mit der Klage zunächst die Rückzahlung der von ihr geleisteten Ratenzahlungen nebst der Anzahlung in Höhe von insgesamt 21.472,64 € nebst Zinsen und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begehrt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Senat mit Urteil vom (XI ZR 142/20, juris) unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Zahlungsantrags zurückgewiesen worden war, und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
6In dem daraufhin fortgesetzten Berufungsverfahren hat die Klägerin unter anderem im Hinblick auf eine von ihr erklärte Aufrechnung gegen einen Wertersatzanspruch der Beklagten in Höhe von 1.846,25 € die Zahlung von 19.129,59 € nebst Rechtshängigkeitszinsen und die Feststellung begehrt, dass sich im Übrigen der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 8.624,72 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt und festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Bezug auf den weitergehenden Zahlungsantrag der Klägerin in Höhe von 1.969,19 € in der Hauptsache erledigt hat.
7Mit der - vom Berufungsgericht für beide Parteien zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren vollständigen Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin ihre zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Klageanträge, soweit diese abgewiesen worden sind, weiterverfolgt.
Gründe
8Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von mehr als 2.014,64 € nebst Zinsen richtet. Insoweit führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin. Im Übrigen haben die weitergehende Revision der Beklagten und die Revision der Klägerin keinen Erfolg.
I.
9Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (, juris) im Wesentlichen wie folgt begründet:
10Die Klägerin habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist für die Ausübung des Widerrufsrechts aus § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 BGB sei im Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht abgelaufen gewesen, da der Darlehensvertrag keine ausreichenden Angaben zu dem Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung enthalten habe.
11Die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Klägerin sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Soweit sie das Darlehen nach Widerruf weiter bedient habe, habe sie bereits in ihrem Widerrufsschreiben einen entsprechenden Vorbehalt erklärt. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ergebe sich auch nicht daraus, dass sie das Fahrzeug nach dem Widerruf an die Händlerin zurückgegeben habe. Dies entspreche den ursprünglichen Absprachen zur Ablösung der Schlussrate. Im Fall eines wirksamen Widerrufs der Darlehensvertragserklärung erwachse der Beklagten daraus kein Nachteil, weil ihr ein Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugwerts zustehe, dessen Erfüllung sie im Wege der Aufrechnung erreichen könne.
12Aufgrund des wirksamen Widerrufs stehe der Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung der von ihr geleisteten Zins- und Tilgungsraten sowie der Anzahlung in Höhe von insgesamt 43.414,64 € zu. Diesem Anspruch könne die Beklagte nicht das Leistungsverweigerungsrecht aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB entgegenhalten. Der Anspruch der Beklagten auf Herausgabe des Fahrzeugs sei mit dessen Veräußerung an den Fahrzeughändler entfallen, weil die Klägerin gemäß § 275 BGB von der Pflicht zur Herausgabe befreit worden sei.
13Der Zahlungsanspruch der Klägerin sei jedoch gemäß §§ 387, 389 BGB bis auf einen Betrag von 8.624,72 € erloschen, weil der Beklagten wegen der unterbliebenen Rückgabe und der Entwertung des Fahrzeugs ein Wertersatzanspruch in Höhe von 34.789,92 € zustehe und sie mit diesem Anspruch wirksam gegen die Forderung der Klägerin aufgerechnet habe. Bei der Bemessung des Wertverlusts bilde der im Kaufvertrag vereinbarte Nettokaufpreis den Ausgangswert. Der Wertverlust bestimme sich nach der Vergleichswertmethode. Der maßgebliche objektive Wert zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin könne unter Heranziehung der vertraglichen Gegenleistung in Form des Kaufpreises von 41.400 € geschätzt werden. Abzustellen sei jedoch auf den Nettoverkaufswert von 34.789,92 €, weil die Umsatzsteuer für den Verkäufer, auf den im Verbund abzustellen sei, einen durchlaufenden Posten darstelle. Dagegen sei eine (weitere) Kürzung des Anfangswerts um den Gewinnanteil des Verkäufers nicht geboten, weil nach dem Konzept des Gesetzes nur der Nachteil ausgeglichen werden solle, der ihm durch den über das zu den in § 357 Abs. 7 BGB beschriebenen Zwecken Notwendige hinausgehenden Umgang des Verbrauchers mit der Kaufsache entstehe. Dieser Nachteil bestehe jedoch in der Differenz zwischen dem Verkaufspreis, den der Verkäufer ohne diesen Umgang hätte erzielen können, und dem Verkaufspreis, den der Verkäufer infolge des Wertverlusts jetzt nur noch wird erzielen können.
14Soweit die Klägerin in zweiter Instanz die Gegenansprüche der Beklagten anerkannt und ihren Zahlungsantrag in Höhe von 1.969,19 € teilweise für erledigt erklärt habe, sei die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Die Klage sei in diesem Umfang ursprünglich zulässig und begründet gewesen.
II.
15Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von mehr als 2.014,64 € nebst Zinsen richtet. Insoweit führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin. Dagegen sind die weitergehende Revision der Beklagten und die Revision der Klägerin unbegründet.
16A. Revision der Beklagten
171. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre auf Abschluss des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor die Klägerin die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Dies folgt bereits daraus, dass - was der Senat in der vorliegenden Streitsache bereits mit Urteil vom (XI ZR 142/20, juris Rn. 12 ff.) erkannt hat - die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom bis geltenden Fassung (im Folgenden: aF) resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und sich insoweit nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF berufen kann. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 aF, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszins und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt hat, weil sie den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatz des Verzugszinses nicht angegeben hat (vgl. , WM 2022, 979 Rn. 11 f. und vom - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 25 ff.).
182. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch insoweit stand, als das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Klägerin nicht nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich oder verwirkt ist. Dabei kann dahinstehen, ob oder inwieweit die Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf das Widerrufsrecht nach § 495 BGB im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-33/20, WM 2021, 1986 - Volkswagen Bank) und die weitere Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu gegebenenfalls angepasst, d.h. eingeschränkt werden muss (vgl. aber Senatsbeschluss vom - XI ZR 113/21, WM 2022, 420). Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist das Berufungsurteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
19Nach dieser Rechtsprechung kann eine Rechtsausübung im Einzelfall bei missbräuchlichem Verhalten als unzulässig angesehen werden. Dabei kann die Berufung des Verbrauchers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich zu bewerten sein, mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können (Senatsbeschluss vom - XI ZR 113/21, WM 2022, 420 Rn. 70). Der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB erlaubt es, die Berufung auf grundsätzlich bestehende Rechtspositionen unter besonderen Umständen im Einzelfall zu versagen. Für die Entscheidung, ob die Berufung auf eine Rechtsposition missbräuchlich ist, erfordert § 242 BGB eine Bewertung der gesamten Umstände des jeweiligen Falles, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsbeschluss, aaO Rn. 49 mwN). Diese Bewertung vorzunehmen ist Sache des Tatrichters und demgemäß in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senatsurteil vom - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 30 mwN).
20Nach diesem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die Ausübung des Widerrufsrechts sei nicht rechtsmissbräuchlich, frei von revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehlern. Es hat die Umstände des Einzelfalls gewürdigt und einen Rechtsmissbrauch mit vertretbarer Begründung verneint. Die Nutzung des Fahrzeugs bezieht das Berufungsgericht ebenso in seine Würdigung ein wie die Fortzahlung der Darlehensraten nach dem Widerruf, die Veräußerung des Fahrzeugs an den Händler gemäß den ursprünglichen Absprachen zur Ablösung der Schlussrate und den Wertersatzanspruch der Beklagten. Die Revision bemüht sich insoweit lediglich darum, eine ihr günstigere, abweichende Bewertung der vom Berufungsgericht umfassend gewürdigten Fallumstände herbeizuführen. Damit kann sie indes keinen Erfolg haben.
21Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen der Revision, das Berufungsgericht habe rechtsirrig nicht eingestellt, dass es sich bei der fehlerhaften Angabe zum Verzugszins um eine Information handele, die für die Klägerin - mangels Verzugseintritts oder Geltendmachung von Verzugszinsen durch die Beklagte - zu keinem Zeitpunkt bei der Durchführung des Vertrags relevant war. Dies ist kein Umstand, den der Tatrichter im Rahmen seiner Würdigung berücksichtigen konnte und durfte. Ob eine Pflichtangabe für den Verbraucher relevant ist, beurteilt sich nicht aus der Rückschau zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts, sondern vielmehr aus der Sicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Zu diesem Zeitpunkt war es für die Klägerin noch nicht vorhersehbar, ob und wann sie vielleicht doch in Verzug geraten würde (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 32).
223. Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Beklagten gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB (in der bis zum geltenden Fassung; im Folgenden: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB und hinsichtlich der nach Erklärung des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB im Hinblick auf die Veräußerung des finanzierten Fahrzeugs nicht das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB zusteht.
23a) Allerdings hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag entschieden und im Einzelnen begründet (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 152/22), dass bei einem mit einem im stationären Handel geschlossenen Fahrzeugkaufvertrag verbundenen und vom Darlehensnehmer widerrufenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag das Leistungsverweigerungsrecht des Darlehensgebers nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht dadurch entfällt, dass der Darlehensnehmer das Fahrzeug an einen - weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten - Dritten veräußert hat.
24b) Dies ist indes nicht der Fall, wenn der Darlehensnehmer das Fahrzeug - wie hier - an den Fahrzeughändler, von dem er das Fahrzeug erworben hatte, wieder veräußert und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass der Darlehensgeber dem zugestimmt hat.
25aa) Allerdings tritt gemäß § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers ein, wenn - wie hier - das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. Der Darlehensgeber wird anstelle des Unternehmers Gläubiger und Schuldner des Verbrauchers im Abwicklungsverhältnis (vgl. , BGHZ 180, 123 Rn. 26 und vom - IX ZR 132/15, BGHZ 209, 179 Rn. 29). § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB ordnet eine gesetzliche Schuldübernahme und einen Anspruchsübergang an ( aaO Rn. 33). Die Vorschrift des § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB gewährleistet eine (ausschließlich) bilaterale Abwicklung zwischen Verbraucher und Darlehensgeber und erspart es dem Verbraucher, den Darlehensbetrag dem Darlehensgeber zunächst erstatten und sich seinerseits an den Unternehmer wegen der Rückzahlung des Kaufpreises halten zu müssen (BT-Drucks. 14/6040, S. 201 zu § 358 Abs. 4; BT-Drucks. 14/6857, S. 24 zu Nr. 82; aaO). Die verbraucherschützende Wirkung des § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB bedeutet aber auch, dass die darlehensfinanzierte Ware vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen nur an den Darlehensgeber zurückgegeben werden kann. Der mit § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB angeordnete gesetzliche Schuldner- und Gläubigerwechsel eröffnet dem Verbraucher nicht das Wahlrecht, anstelle der Abwicklung mit dem Darlehensgeber direkt den Unternehmer auf Rückabwicklung des finanzierten Geschäfts in Anspruch zu nehmen (, WM 2017, 999 Rn. 19 mwN). Aufgrund dessen ist es dem Verbraucher im Grundsatz verwehrt, seinen Rückgewähranspruch gegenüber dem Darlehensgeber geltend zu machen, seine Rückgewährleistung aber an den Unternehmer zu erbringen.
26bb) Etwas anderes gilt aber im Fall einer abweichenden Vereinbarung oder Handhabung der (Darlehensvertrags-)Parteien, wenn diese für den Verbraucher keinen Nachteil mit sich bringt (§ 361 Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. MünchKommBGB/Habersack, 9. Aufl., § 358 Rn. 93; BeckOK BGB/Müller-Christmann, 64. Ed. , BGB § 358 Rn. 12; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 361 Rn. 2), so etwa wenn der Unternehmer die aufgrund des Widerrufs des Darlehensvertrags zurückzugewährende Ware für den Darlehensgeber zurücknimmt. So liegt der Fall hier.
27(1) Der Leistung an den (empfangszuständigen) Gläubiger steht die Leistung an eine Mittelsperson mit Empfangszuständigkeit, etwa an einen Empfangsvertreter, einen Empfangsboten, einen Besitzmittler oder einen Besitzdiener gleich. Da es sich hierbei um keine Dritten, sondern um Hilfspersonen des Gläubigers handelt, ist § 362 Abs. 2 BGB nicht anwendbar; Erfüllung tritt aber nur ein, wenn die Leistung an die Hilfsperson den geschuldeten Erfolg herbeiführt. Wird die Übereignung einer Sache geschuldet, muss die Leistung an die Hilfsperson daher zum Eigentumserwerb des Gläubigers führen, d.h. die Hilfsperson muss entweder die zum Eigentumserwerb notwendige Vollmacht besitzen oder als Bote und Besitzdiener in der Lage sein, den Eigentumserwerb des Gläubigers herbeizuführen (allg. Meinung; vgl. nur BeckOGK/Looschelders, , BGB, § 362 Rn. 100; Staudinger/Kern, BGB, Neubearbeitung 2022, § 362 Rn. 52; MünchKommBGB/Fetzer, 9. Aufl. § 362 Rn. 16; jeweils mwN).
28Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Fahrzeughändler hat das finanzierte Fahrzeug von der Klägerin im eigenen Namen zurückerworben und nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten für diese zurückerhalten.
29(2) Von der Leistung an eine empfangsberechtigte Hilfsperson des Gläubigers ist die in § 362 Abs. 2 BGB geregelte Leistung an einen Dritten zu unterscheiden. Die Leistung an einen Dritten gemäß § 362 Abs. 2 BGB hat befreiende Wirkung. Unter anderem hat die Leistung an einen Dritten dann befreiende Wirkung, wenn dieser vom Gläubiger rechtsgeschäftlich ermächtigt ist, die Leistung im eigenen Namen in Empfang zu nehmen (§ 362 Abs. 2 BGB; vgl. hierzu , BGHZ 87, 156, 163, vom - V ZR 204/92, WM 1994, 2253, 2255, vom - IX ZR 389/98, WM 2002, 650, 651, vom - IX ZR 133/10, WM 2011, 1178 Rn. 12 und vom - V ZR 91/21, juris Rn. 36, 38). Statt einen Dritten zum Empfang der Leistung zu ermächtigen (§ 362 Abs. 2, § 185 BGB), kann der Gläubiger auch dem Schuldner nach § 362 Abs. 2, § 185 BGB die Ermächtigung erteilen, die Leistung an einen Dritten zu erbringen (vgl. aaO). Die Ermächtigung braucht nicht ausdrücklich erteilt zu werden; schlüssiges Verhalten kann selbst dann genügen, wenn der Ermächtigende kein Erklärungsbewusstsein hat, aber der redliche Empfänger hiervon ausgehen darf (vgl. , BGHZ 109, 171, 177 f.). Die Leistung an einen nichtberechtigten Dritten erlangt - von gesetzlich besonders geregelten Fällen (vgl. etwa §§ 169, 370, 407, 408 BGB) abgesehen - nur dann befreiende Wirkung, wenn der Gläubiger sie nachträglich genehmigt oder wenn einer der beiden anderen Fälle des § 185 Abs. 2 BGB eintritt. Dass der Schuldner den Nichtberechtigten gutgläubig für empfangsberechtigt hält, führt also - sofern keine gesetzlichen Sonderregelungen bestehen - allein nicht zum Freiwerden des Schuldners. Vielmehr tritt Erfüllungswirkung in einem solchen Fall erst dann ein, wenn - wie hier nicht - der nicht empfangsbefugte Dritte die Leistung entsprechend den Weisungen des Schuldners an den Gläubiger weiterleitet (vgl. , WM 2012, 80 Rn. 8) oder - wie hier - der Gläubiger die Leistungserbringung an den Dritten ausdrücklich oder schlüssig genehmigt. Dabei liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Willenserklärung des Gläubigers auch bei fehlendem Erklärungsbewusstsein (Rechtsbindungswillen, Geschäftswillen) vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung oder sein schlüssiges Verhalten nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. , BGHZ 91, 324, 327 ff. und vom , aaO).
30Diese Voraussetzungen liegen nach dem unstreitigen Sachverhalt und den nicht beanstandeten Feststellungen des Tatrichters vor. Die Beklagte hat durch schlüssiges Verhalten ihre Genehmigung erklärt, dass der Rückerwerb des finanzierten Fahrzeugs durch den Fahrzeughändler im Falle der Wirksamkeit des Widerrufs der Darlehensvertragserklärung der Klägerin als Rückgabe des Fahrzeugs im Rahmen des dann zwischen den Parteien entstandenen Rückabwicklungsverhältnisses zu gelten hat. Durch den Rückerwerb des finanzierten Fahrzeugs und die Ablösung der Schlussrate mittels der bereits bei Abschluss des Darlehensvertrags vereinbarten Abtretung der Kaufpreisforderung sowie der Freigabe des Sicherungseigentums durch die Beklagte zugunsten des Händlers haben die Parteien im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses die Rückkaufvereinbarung zur Anwendung gebracht. Vom Empfängerhorizont der Klägerin aus durfte sie im Hinblick auf den von ihr zuvor erklärten Vorbehalt einer Rückforderung der nach Widerruf auf das Darlehen erbrachten Leistungen davon ausgehen, dass die Beklagte einem Rückerwerb des finanzierten Fahrzeugs auch für den - dem Rechtsstandpunkt der Beklagten an sich widersprechenden - Fall der Wirksamkeit des Widerrufs zustimmt und der Händler das Fahrzeug in Erfüllung der dann gegenüber der Beklagten bestehenden Rückgabepflicht entgegengenommen hat.
314. Mit Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten aber gegen die Bemessung des ihr nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB (in der bis zum geltenden Fassung; künftig: aF) zustehenden Wertersatzanspruchs. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist hierfür als Ausgangswert zum Zeitpunkt der Übergabe des finanzierten Fahrzeugs an die Klägerin nicht der Nettoverkaufspreis, sondern der Bruttoverkaufspreis zugrundezulegen. Aufgrund dessen steht der Klägerin nur ein Anspruch in Höhe von 2.014,64 € zu.
32a) Nach der Rechtsprechung des Senats bemisst sich der Wertverlust nach der Vergleichswertmethode. Danach hat der Darlehensnehmer die Differenz zwischen dem unter Heranziehung der vertraglichen Gegenleistung zu ermittelnden Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs bei Abschluss des Darlehensvertrags und dem Verkehrswert des Fahrzeugs bei dessen Rückgabe an den Darlehensgeber zu ersetzen (vgl. , BGHZ 227, 253 Rn. 40 und vom - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 57). Maßgeblich ist der objektive Wert der Ware ( aaO Rn. 43 und vom , aaO). Wie der Senat mit Urteil vom (aaO Rn. 60 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist bei einem - wie hier - mit einem im stationären Handel geschlossenen Fahrzeugkaufvertrag verbundenen und vom Darlehensnehmer widerrufenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag für die Berechnung des Wertersatzanspruchs nach § 357 Abs. 7 BGB aF (nunmehr: § 357a Abs. 1 BGB) bei Übergabe des Fahrzeugs an den Verbraucher der Händlerverkaufspreis einschließlich Händlermarge und Umsatzsteuer zugrundezulegen. Aufgrund dessen beträgt der Ausgangswert hier 41.400 €.
33Da im Hinblick auf § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB und die Erfüllung des Rückgabeanspruchs der Beklagten durch die Veräußerung des Fahrzeugs an den Händler für die beidseitigen Rückgewähransprüche auf den Zeitpunkt der Fahrzeugveräußerung abzustellen und die Abwicklung der Kaufpreiszahlung damit als "Ausbuchung" der noch offenen Darlehenszahlungen anzusehen ist, hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Rückgewähranspruch in Höhe der bis zum Zeitpunkt der Fahrzeugveräußerung erbrachten Zins- und Tilgungszahlungen sowie der Anzahlung; dieser Betrag ergibt sich rechnerisch aus dem Darlehensgesamtbetrag von 30.914,64 € zuzüglich Anzahlung von 12.500 € abzüglich Weiterverkaufspreis von 22.438,80 €, mithin 20.975,84 €. Gegen diesen Anspruch hat die Beklagte mit ihrem Wertersatzanspruch aufgerechnet, der sich in Höhe der Differenz aus dem ursprünglichen Kaufpreis von 41.400 € und dem vereinbarten Rückkaufpreis, der nach den Maßgaben des Senatsurteils vom (XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 79) der anzusetzende Händlereinkaufspreis ist, bemisst und damit 18.961,20 € ausmacht. Daraus ergibt sich ein der Klägerin noch zustehender Anspruch in Höhe von 2.014,64 €.
34b) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind bei der Bemessung des Wertersatzanspruchs zu Lasten des Verbrauchers auch rein zeitbedingte oder "exogene" Wertveränderungen zu berücksichtigen.
35Nach der Rechtsprechung des Senats bemisst sich der Wertverlust nach der Vergleichswertmethode, wobei im Grundsatz auf den objektiven Wert der Ware abzustellen ist (vgl. , BGHZ 227, 253 Rn. 40 und vom - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 57).
36Anders als die Klägerin meint, ist dabei zu ihren Lasten grundsätzlich auch eine Wertminderung aufgrund Alterung oder anderer Umstände zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 59; OLG Braunschweig, Urteil vom - 11 U 201/19, juris Rn. 113; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2021, 49 Rn. 35; BeckOGK/Mörsdorf, , BGB, § 357a Rn. 10; Staudinger/Herresthal, BGB, Neubearbeitung 2021, § 358 Rn. 204k; MünchKommBGB/Fritsche, 9. Aufl., § 357a Rn. 10; BeckOK BGB/Müller-Christmann, 64. Ed. , § 357a Rn. 3; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 357a Rn. 5; PWW/Stürner, BGB, 17. Aufl., § 357a Rn. 4; Bülow in Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 10. Aufl., § 495 BGB Rn. 229; einschränkend für zufälligen Untergang der Ware: NK-BGB/Ring, 4. Aufl., § 357 Rn. 29 mwN; Jauernig/Stadler, BGB, 18. Aufl., § 357 Rn. 10). Denn zu den Umständen, die auf den "Umgang" des Verbrauchers mit der Sache, d.h. der bestimmungsgemäßen Nutzung der Ware, zurückzuführen sind, zählen Wertverluste aufgrund der Alterung der Ware während der Besitzdauer oder ein Preisverfall für entsprechende Produkte (vgl. OLG Frankfurt am Main, aaO; Staudinger/Herresthal, aaO). Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, weil ein Umgang mit der Ware - insbesondere im Falle eines zulässigen Widerrufs nach Ablauf der an sich gesetzlich vorgesehenen 14-tägigen Widerrufsfrist - stets mit dem Verstreichen von Zeit und damit mit der Alterung der Ware und der Änderung der ökonomischen und technischen Umstände verbunden ist, was sich im Marktwert der Ware abbildet (vgl. Staudinger/Herresthal, aaO). Die - hier - jahrelange Nutzung des finanzierten Fahrzeugs durch die Klägerin ist gerade ein Umgang mit dem Fahrzeug, der über das zur Prüfung der Ware erforderliche Maß hinausgeht und daher nicht mehr von dem Prüfungsprivileg gemäß § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB aF, das in der Widerrufsinformation angesprochen ist, erfasst wird (vgl. OLG Braunschweig, aaO).
37B. Revision der Klägerin
38Die Revision der Klägerin, mit der sie eine ihr günstigere Bemessung des Wertersatzanspruchs erstrebt, ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat - wie bereits ausgeführt - zu Recht weder beim Ausgangswert den maßgeblichen Händlerverkaufspreis um die Gewinnmarge vermindert (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 60 ff.) noch eine Wertminderung aufgrund Alterung oder anderer Umstände zu Gunsten der Klägerin unberücksichtigt gelassen (siehe oben II A 4 b).
III.
39Das Berufungsurteil ist mithin auf die Revision der Beklagten teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, sondern die Sache nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
40Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es keines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Bemessung des Wertersatzanspruchs. Deren Maßgaben ergeben sich - was der Senat mit Urteil vom (XI ZR 44/22, WM 2022, 2332 Rn. 60 ff. mwN) eingehend begründet hat - aus dem nationalen Recht, dessen Auslegung nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften eindeutig ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:140223UXIZR537.21.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 642 Nr. 12
NJW 2023 S. 1287 Nr. 18
WM 2023 S. 506 Nr. 11
ZIP 2023 S. 627 Nr. 12
FAAAJ-35294