Verfahrensrecht | Aufhebung eines FG-Urteils gegen den falschen Beklagten (BFH)
Ein nach einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel gegen den falschen Beklagten ergangenes Urteil des FG ist auf die Revision des falschen Beklagten hin aufzuheben. Der Rechtsstreit ist in einem solchen Fall an das FG zurückzuverweisen, wenn der richtige Beklagte selbst nicht ebenfalls Revision eingelegt hat und der Prozessführung des falschen Beklagten im Revisionsverfahren auch nicht zugestimmt hat (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die beklagte Landesfinanzkasse (LFK) stellte mit Abrechnungsbescheid v. fest, dass nacherhobene Kapitalertragsteuer in Höhe von rund 7.900 € nicht auf die Einkommensteuer 2007 anzurechnen sei. Der Inhaltsadressat des Abrechnungsbescheids, der Kläger, legte bei der LFK Einspruch ein. Diesen Einspruch wies zunächst das Veranlagungsfinanzamt (FA) als unbegründet zurück.
Auf die gegen das FA erhobene Klage des Klägers hob das FA nach Hinweis des FG Rheinland-Pfalz die Einspruchsentscheidung "wegen sachlicher Unzuständigkeit (§ 367 Abs. 1 S. 1 AO)" isoliert auf. Die Beteiligten erklärten daraufhin dieses Klageverfahren (mit dem Aktenzeichen 3 K 2081/16) in der Hauptsache für erledigt.
Im Anschluss daran wies die LFK den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die auf den datierte Einspruchsentscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich der Zustellungsurkunde am (d.h. an dem Tag der Einspruchsentscheidung) durch persönliche Übergabe zugestellt.
Am (Montag) erhob der Kläger per Vorab-Fax Klage. Das FG gab der Klage statt (). Es änderte den Abrechnungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom und stellte für den Kläger einen Anspruch auf Anrechnung bzw. Rückerstattung von Kapitalertragsteuer in Höhe von rund 7.6000 € fest.
Mit ihrer Revision rügt die LFK die Verletzung materiellen Rechts (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG und § 37 Abs. 2 AO) und die Verletzung von Verfahrensrecht (§ 63 Abs. 1 Nr. 1, § 57 Nr. 2 FGO, § 17 Abs. 2 FVG i.V.m. § 2 der Landesverordnung über Zuständigkeiten der Finanzämter Rheinland-Pfalz - FAZVO - in der Fassung vom sowie § 44 Abs. 1, § 67 Abs. 1 FGO). Einen Verfahrensmangel sieht die LFK insbesondere darin, dass das FG das Urteil gegen sie als die falsche Beklagte erlassen habe. Gemäß § 2 FAZVO in der Fassung v. sei die Zuständigkeit für die Erteilung von Abrechnungsbescheiden i.S. des § 218 Abs. 2 AO auf die Finanzämter übergegangen. Der dadurch bewirkte Zuständigkeitswechsel habe während des finanzgerichtlichen Verfahrens zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel geführt. Das FG habe die Sachurteilsvoraussetzung der passiven Prozessführungsbefugnis der LFK zu Unrecht bejaht.
Die Richter des BFH gaben der Revision der LFK statt und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:
Das FG hat verfahrensfehlerhaft den aus der geänderten Fassung des § 2 FAZVO folgenden gesetzlichen Beteiligtenwechsel nicht beachtet und das Urteil v. - 5 K 1511/17 gegen die LFK als die falsche Beklagte erlassen.
Während des Klageverfahrens ist auf der Beklagtenseite ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel eingetreten.
Wird nach der der Klage statt der beklagten Behörde eine andere Finanzbehörde zuständig, so bleibt die prozessuale Stellung der beklagten Behörde hiervon grundsätzlich unberührt.
Eine Ausnahme gilt insbesondere dann, wenn der Zuständigkeitswechsel auf einem Organisationsakt der Verwaltung beruht. In diesem Fall kommt es zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel dergestalt, dass das neu zuständig gewordene Finanzamt ohne Verfahrensunterbrechung auf der Beklagtenseite in den anhängigen Rechtsstreit eintritt (vgl. , BStBl II 2008, 742, unter II.1.c [Rz 32] sowie , Rz 11).
Nach diesen Grundsätzen ist das FG-Urteil rechtsfehlerhaft, weil das FG die passive Prozessführungsbefugnis der LFK im Urteilszeitpunkt zu Unrecht bejaht hat. Es hat die LFK weiterhin als Beteiligte angesehen, obgleich ihre passive Prozessführungsbefugnis entfallen und auf das FA übergegangen war.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG unter Beteiligung des zuständigen FA als Beklagten über die Klage zu entscheiden haben.
Im Hinblick darauf weist der Senat darauf hin, dass Zweifel an der Zulässigkeit der Klage bezüglich der Klagefrist bestehen. Da die der Klageerhebung vorausgegangene Einspruchsentscheidung den Bevollmächtigten des Klägers am durch persönliche Übergabe nach § 365 Abs. 1, § 122 Abs. 5 AO i.V.m. § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes zugestellt wurde, endete die einmonatige Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der ZPO und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des (Freitag). Die Klage wurde nach Aktenlage indes erst am (Montag) erhoben. Sie könnte verfristet sein, weil Anhaltspunkte für einen Zustellungsfehler nicht ersichtlich sind und die Dreitagefiktion (§ 122 Abs. 2 Halbsatz 1 Nr. 1 AO) im Fall der förmlichen Zustellung eines Verwaltungsakts und insbesondere einer Einspruchsentscheidung (§ 366 AO) nicht gilt.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
NWB BAAAJ-35197