Einkommensteuer | Steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen und -verlusten im Falle des sog. Bondstripping I (BFH)
§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG in der bis zum JStG 2020 geltenden Fassung ist nicht dergestalt teleologisch zu reduzieren, dass die Norm keine Anwendung findet, wenn durch die Veräußerung einer Kapitalforderung i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG an eine Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige zu mindestens 10 % beteiligt ist, ein Verlust entsteht (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Der Kläger erwarb drei Bundesanleihen mit einer Laufzeit bis 2039/2040. Diese Bundesanleihen wurden auf Anweisung des Klägers in den Anleihemantel und die Zinsscheine getrennt. Anschließend veräußerte der Kläger die Zinsscheine. Auch veräußerte er den Anleihemantel an die A GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger war. Die A GmbH veräußerte diesen weiter. Die Mittel zum Erwerb der Anleihemäntel stellte der Kläger der A GmbH jeweils darlehensweise zur Verfügung.
In ihrer Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger in der Anlage KAP bei den Kapitalerträgen einen Gewinn aus der Veräußerung der Zinsscheine i. H. von insgesamt 7.459.241 € als dem gesonderten Tarif unterliegende Kapitaleinkünfte des Klägers nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Darüber hinaus erklärten sie einen Verlust aus der Veräußerung der Anleihemäntel i. H. von insgesamt 7.515.671 €, den sie gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG als der tariflichen Einkommensteuer unterliegende und gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG von der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG ausgenommene negative Kapitaleinkünfte des Klägers i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG geltend machten. Bei der Ermittlung der Veräußerungsgewinne bzw. -verluste ordneten sie die Anschaffungskosten der Bundesanleihen (mit Ausnahme der auf die Stückzinsen entfallenden Beträge) vollständig den jeweiligen Anleihemänteln zu.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, die vom Kläger gewählte Gestaltung, insbesondere die Veräußerung der Anleihemäntel an die A GmbH, stelle einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 AO dar. Nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO entsteht der Steueranspruch so, wie dies bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung der Fall ist. Demzufolge sind die Verluste aus der Veräußerung der Anleihemäntel nach § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG lediglich mit den Gewinnen aus der Veräußerung der Zinsscheine und den weiteren positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, verrechenbar.
Der BFH sah die Revision des Klägers als begründet an und hob das FG-Urteil auf:
Das FG hat zunächst dem Grunde nach zu Recht erkannt, dass die Veräußerung der Anleihemäntel und der Zinsscheine zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG bzw. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG geführt haben.
Entgegen der Auffassung des FG unterliegen die aus der Veräußerung der Anleihemäntel erzielten Verluste i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG jedoch der tariflichen Einkommensteuer, weil die Anwendung des gesonderten Tarifs im Streitfall gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG ausgeschlossen ist.
Nach der Rechtslage bis zur Einfügung des § 20 Abs. 2 Sätze 4 und 5, Abs. 4 Sätze 8 und 9 EStG durch das Investmentsteuerreformgesetz vom sind im Fall des sog. Bondstripping von im Privatvermögen gehaltenen Bundesanleihen deren Anschaffungskosten nicht auf den durch die Trennung entstandenen Anleihemantel und die Zinsscheine aufzuteilen.
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
OAAAJ-34750