Online-Nachricht - Donnerstag, 02.03.2023

Einkommensteuer | Steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen und -verlusten im Falle des sog. Bondstripping II (BFH)

Nach der Rechtslage bis zur Einfügung des § 20 Abs. 2 Sätze 4 und 5, Abs. 4 Sätze 8 und 9 EStG durch das Investmentsteuerreformgesetz vom sind im Fall des sog. Bondstripping von im Privatvermögen gehaltenen Bundesanleihen deren Anschaffungskosten nicht auf den durch die Trennung entstandenen Anleihemantel und die Zinsscheine aufzuteilen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Jahr 2013 eine deutsche Bundesanleihe mit einer Laufzeit von über 20 Jahren. Nach einer Teilung der Anleihe im Wege des so genannten Bondstrippings veräußerte er die Zinsscheine an eine Bank. Den Anleihemantel veräußerte er an eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger war. Die GmbH wiederum veräußerte den Anleihemantel weiter. Die Mittel zum Erwerb des Anleihemantels hatte der Kläger der GmbH darlehensweise zur Verfügung gestellt. Zwischen dem Erwerb der Bundesanleihe und den Veräußerungen vergingen ca. 2 Wochen.

Wenige Tage später wiederholte der Kläger dieses Vorgehen (Erwerb einer Bundesanleihe, Bondstripping, Veräußerung der Zinsscheine, Veräußerung des Anleihemantels an die GmbH und Weiterveräußerung durch die GmbH).

Das FA sah in der vom Kläger gewählten Gestaltung einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Die Verluste aus der Veräußerung der Anleihemäntel seien lediglich mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen, insbesondere den Gewinnen aus der Veräußerung der Zinsscheine, verrechenbar.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger eine Erhöhung seiner Einkommensteuerfestsetzung 2013 und die Feststellung eines verrechenbaren Verlustes, der sich über einen Verlustrücktrag in das Jahr 2012 steuerlich auswirken sollte. Er vertrat die Ansicht, dass die Erlöse aus der Veräußerung der Zinsscheine der Abgeltungssteuer unterlägen. Durch die Veräußerung der Anleihemäntel habe er einen verrechenbaren Verlust erlitten, der dem allgemeinen Einkommensteuertarif unterliege. Die Anschaffungskosten der Bundesanleihen seien nach dem Bondstripping ausschließlich den Anleihemänteln zuzuordnen.

Das FG wies die Klage ab (,F; siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 17.7.2019).

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und das FG-Urteil aufgehoben:

  • Das FG hat verkannt, dass der Verlust aus der Veräußerung der Anleihemäntel in der erklärten Höhe als tariflicher Verlust der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr zugrunde zu legen ist.

  • Die Veräußerung der Anleihemäntel und die Veräußerung der Zinsscheine führen, wie das FG dem Grunde nach zu Recht erkannt hat, zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG.

  • Das FG hat jedoch den aus der Veräußerung der Anleihemäntel erzielten Verlust der Höhe nach unzutreffend gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ermittelt. Nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist Gewinn i. S. des § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Im Streitfall belaufen sich die maßgeblichen Anschaffungskosten der Anleihemäntel im Veräußerungszeitpunkt - wie von den Klägern erklärt - auf insgesamt 1.930.114,43 €. Entgegen der Auffassung des FG sind die Anschaffungskosten der erworbenen Bundesanleihen nicht jeweils auf die Anleihemäntel und die Zinsscheine aufzuteilen.

  • Dem sich aus der Veräußerung der Anleihemäntel danach ergebenden negativen Unterschiedsbetrag i. S. des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG in Höhe von 1.245.113 € kann die steuerliche Anerkennung auch nicht unter Hinweis auf das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht versagt werden.

  • Entgegen der Auffassung des FG unterliegen die aus der Veräußerung der Anleihemäntel erzielten Verluste i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 1.245.113 € der tariflichen Einkommensteuer, weil die Anwendung des gesonderten Tarifs im Streitfall gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG für diese Kapitalerträge ausgeschlossen ist.

  • Nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG setzt der Ausschluss des gesonderten Tarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen voraus, dass die Kapitalerträge i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG von der Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger ist, hat an diesen für den Erwerb der Anleihemäntel einen Veräußerungspreis gezahlt. Nach Abzug der Anschaffungskosten resultiert hieraus der von dem Kläger erzielte (negative) Kapitalertrag i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 4 EStG.

  • § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG in der bis zum JStG 2020 geltenden Fassung ist nicht dergestalt teleologisch zu reduzieren, dass die Norm keine Anwendung findet, wenn durch die Veräußerung einer Kapitalforderung i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG an eine Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige zu mindestens 10 % beteiligt ist, ein Verlust entsteht.

  • Die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG ist entgegen der Auffassung des FG auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 AO vorliegt.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
RAAAJ-34749