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BGH Beschluss v. - 2 ARs 490/22

Zuständigkeit der Vollstreckung einer Jugendstrafe

Gesetze: § 85 Abs 2 S 1 JGG, § 85 Abs 5 JGG, § 14 StPO

Gründe

11. Die Amtsgerichte Bayreuth und Neumarkt i. d. OPf. streiten um die Zuständigkeit der Vollstreckung der Jugendstrafe gegen den Verurteilten aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumarkt i. d. OPf. vom .

22. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht der Amtsgerichte Neumarkt i. d. OPf. (Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg) und Bayreuth (Oberlandesgerichtsbezirk Bamberg) gemäß § 14 StPO zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts berufen. Eine Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts besteht nicht (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 ARs 376/21, juris, Rn. 8; , juris, Rn. 3 ff.).

33. Für die weitere Vollstreckung der Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumarkt i. d. OPf. vom in Verbindung mit dem Widerrufsbeschluss vom ist gemäß § 84 Abs. 1 JGG das Amtsgericht Neumarkt i. d. OPf. örtlich zuständig.

4Der Generalbundesanwalt hat u.a. in seiner Zuschrift vom ausgeführt:

„a) Die Zuständigkeit für die Vollstreckung der Jugendstrafe ist nicht gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 JGG auf das Amtsgericht Bayreuth übergegangen. Nach dieser Vorschrift findet ein Übergang der Zuständigkeit kraft Gesetzes auf den der Vollzugsanstalt zugeordneten Jugendrichter nur dann statt, wenn Jugendstrafe in einer Jugendstrafanstalt vollzogen wird. Wird die Jugendstrafe hingegen - wie hier - nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen, so verbleibt die Zuständigkeit bei dem ursprünglichen Vollstreckungsleiter (vgl. -, juris Rn. 4 [= BGHSt 27, 25]; Beschluss vom - 2 ARs 336/80 -, juris, Rn. 1 [= BGHSt 30, 9]; Beschluss vom - 2 ARs 112/87 -, juris, Rn. 1; Beschluss vom - 2 ARs 217/08 -, juris, Rn. 3; Beschluss vom - 2 ARs 436/16 -, juris, Rn. 9).

b) Die Zuständigkeit für die Vollstreckung der Jugendstrafe durfte dem Amtsgericht Bayreuth auch nicht durch Beschluss des Vollstreckungsleiters des Amtsgerichts Neumarkt i.d. OPf. auf Grundlage von § 85 Abs. 5 JGG übertragen werden.

aa) Nach dieser Bestimmung kann der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung aus wichtigen Gründen widerruflich an einen sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugendrichter abgeben. Die Entscheidung über die Abgabe ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen („kann“). Für dessen Ausübung sind im wesentlichen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte maßgebend, bei denen es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Der Gesichtspunkt der Vollzugsnähe kann zwar ein wichtiger Grund sein, der die Abgabe der Vollstreckung rechtfertigt. Dies gilt aber nur, wenn er sich auch im konkreten Einzelfall nach Abwägung aller Umstände als stichhaltig erweist (vgl. -, juris, Rn. 1 [= BGHSt 30, 9]; Beschluss vom - 2 ARs 418/03 -, juris Rn. 8; Beschluss vom - 2 ARs 16/19 -, juris Rn. 2; OLG Frankfurt, Beschluss vom - 3 Ws 778/02 -, juris).

bb) In vorliegender Sache erweist sich die Abgabe der Vollstreckung indes bei gebotener Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls trotz der Vollzugsnähe des Amtsgerichts Bayreuth als unzweckmäßig und damit als ermessensfehlerhaft:

Das Amtsgericht Neumarkt i.d.OPf. war bereits im Rahmen des Erkenntnisverfahrens und der nachfolgenden Bewährungsüberwachung mit der Person des Verurteilten befasst. Der dort als Vollstreckungsleiter zuständige Jugendrichter ist in die Sache eingearbeitet; er hat den Verurteilten am persönlich zum Bewährungswiderruf angehört […] und sich im Zuge der Entscheidung über die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug auch schon ein Bild vom bisherigen Vollzugsverlauf und dem Vollzugsverhalten des Verurteilten verschafft […]. Es wäre nicht sachgerecht, das dabei gewonnene Erfahrungswissen ungenutzt zu lassen und die weitere Vollstreckung der Jugendstrafe dem Jugendrichter des Amtsgerichts Bayreuth zu übertragen, der bislang mit der Sache nicht befasst war und mit der Person des Verurteilten nicht vertraut ist.

Hinzu kommt, dass der Verurteilte seinen Lebensmittelpunkt schon seit vielen Jahren in Parsberg im Bezirk des Amtsgerichts Neumarkt i.d.OPf. hat, wo auch seine Familie lebt […]. Es ist davon auszugehen, dass er nach seiner Haftentlassung dorthin zurückkehren wird. Im Falle einer Reststrafenaussetzung zur Bewährung müsste die Bewährungsüberwachung also wieder durch das Amtsgericht Neumarkt i.d.OPf. erfolgen, so dass bei Abgabe der Sache an das Amtsgericht Bayreuth ein erneuter Zuständigkeitswechsel zu erwarten stünde.

Im Übrigen beträgt die einfache Wegstrecke zwischen dem Amtsgericht Neumarkt i.d.OPf. und der Justizvollzugsanstalt St. Georgen-Bayreuth auch nur rund 100 km. Bei dieser Entfernung ist eine Vorführung des Verurteilten zu Anhörungen jederzeit ohne besonderen Aufwand möglich. Vor diesem Hintergrund ist der Gesichtspunkt der Vollzugsnähe des Amtsgerichts Bayreuth nicht von solchem Gewicht, dass er die der Abgabe entgegenstehenden Belange überwiegen könnte.

c) Es verbleibt somit bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts Neumarkt i.d.Opf., dessen Abgabebeschluss vom aus Gründen der Klarstellung aufzuheben ist.“

5Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:150223B2ARS490.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-34668