BVerwG Urteil v. - 7 A 9/21

Planfeststellung für VDE 8.1 Planfeststellungsabschnitt 21 Altendorf - Hirschaid - Strullendorf

Leitsatz

1. § 18e Abs. 5 AEG regelt die Klagebegründungsfrist sowie die Folgen einer Fristversäumnis einheitlich für alle Klagen gegen Planfeststellungs- und Plangenehmigungsentscheidungen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz und gilt damit auch für Planungen, bei denen gemäß § 11 Abs. 2 VerkPBG, § 39 Abs. 1 Satz 2 AEG das Verfahren nach den Bestimmungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zu Ende zu führen ist.

2. Eine vor dem erfolgte öffentliche Bekanntmachung der Auslegung des Plans, die nach der Übergangsregelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV zur weiteren Anwendbarkeit der Schall 03 1990 führt, wird nur durch solche späteren Planänderungen überholt, die ein erneutes Anhörungsverfahren mit öffentlicher Auslegung des Plans erforderlich machen, weil sie das Gesamtkonzept der Planung berühren und die Identität des Vorhabens verändern.

3. Eine feste Begrenzung der Dauer eines Planfeststellungsverfahrens bzw. eine Entscheidungsfrist, binnen derer über einen Antrag auf Planfeststellung zu befinden ist, existiert im geltenden Recht nicht. Gleichwohl kann der Dauer eines Planfeststellungsverfahrens, zumal bei einem langjährigen faktischen Verfahrensstillstand, eine Relevanz für das Verhältnis von Fachplanung und konkurrierender Bauleitplanung sowie das Maß der jeweils gebotenen Rücksichtnahme nicht generell abgesprochen werden.

Gesetze: Art 28 Abs 2 S 1 GG, § 18 Abs 1 S 2 AEG, § 18e Abs 5 AEG, § 39 Abs 1 S 2 AEG, § 41 BImSchG, § 42 BImSchG, § 43 BImSchG, § 1 Abs 1 Nr 5 VerkPBG, § 1 Abs 2 VerkPBG, § 5 Abs 1 VerkPBG, § 5 Abs 3 VerkPBG, § 11 Abs 2 VerkPBG, § 2 BImSchV 16, § 4 Abs 3 BImSchV 16, Anl 2 BImSchV 16

Tatbestand

1Die Klägerin, eine kreisangehörige Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom für das Vorhaben "VDE 8.1 Planfeststellungsabschnitt 21 Altendorf - Hirschaid - Strullendorf".

2Der Planfeststellungsabschnitt ist Teil der Aus- und Neubaustrecke Nürnberg - Ebensfeld - Erfurt, die ihrerseits zum Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 ("Ausbau-/Neubaustrecke Nürnberg - Erfurt - Leipzig/Halle - Berlin") gehört, dessen Teile 1993 als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs in den Bedarfsplan des Bundesschienenwegeausbaugesetzes aufgenommen wurden. Gegenstand des Vorhabens ist der viergleisige Ausbau des Streckenabschnitts. Neben den vorhandenen beiden Gleisen sollen zwei neue Gleise verlegt werden. Die Bestandsgleise bleiben in ihrer Lage weitgehend unverändert, werden jedoch für eine Anhebung der Fahrgeschwindigkeiten ertüchtigt.

3Das Planfeststellungsverfahren wurde 1996 eingeleitet und nach Durchführung des Anhörungsverfahrens im Jahr 1997 zunächst nicht weiterbetrieben. Im August 2014 reichte die Beigeladene zu 1 Unterlagen zu einer sogenannten 1. Planänderung ein und beantragte die Verfahrensfortführung. Die Änderungen basierten auf einem neuen Betriebsprogramm, sollten veränderten Rahmenbedingungen Rechnung tragen sowie im Anhörungsverfahren getroffene Zusagen umsetzen. Sie betrafen die Gleisanlagen, die Leit- und Sicherungstechnik, die Oberleitungsanlagen, den Schall- und Erschütterungsschutz, die Streckenentwässerung, eine Reihe von Ingenieurbauwerken sowie Bahnsteige, ferner die Umweltplanung und landschaftspflegerische Maßnahmen. Nach mehrfacher Überarbeitung der Planunterlagen wurde 2017 und 2018 erneut ein Anhörungsverfahren durchgeführt. Im Anschluss legte die Beigeladene zu 1 Unterlagen zu einer sogenannten 2. Planänderung vor, woraufhin ein weiteres Anhörungsverfahren stattfand.

4Bereits im Juni 2014 hatte der Gemeinderat der Klägerin den Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans unter anderem für ein Baugebiet "Straßäcker" gefasst. Insoweit sieht der Planentwurf östlich der Bahntrasse die Festsetzung eines Mischgebiets und, aus Sicht der Gleise dahinterliegend, eines allgemeinen Wohngebiets sowie eines Dorfgebiets vor.

5Das Eisenbahn-Bundesamt stellte mit Beschluss vom den Plan für das Vorhaben fest und ordnete Schutzvorkehrungen gegen Verkehrsgeräusche an. In der Ortslage der Klägerin ist die Errichtung von Schallschutzwänden in der Mitte und östlich der Bahntrasse vorgesehen. Das Schallschutzkonzept beruht auf einer Berechnung der Beurteilungspegel für Schienenwege nach § 3 i. V. m. Anlage 2 der 16. BImSchV in der bis zum geltenden Fassung (Schall 03 1990).

6Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin unter Berufung auf ihre Planungshoheit sowie ihr Eigentum an mehreren Grundstücken zusätzlichen Verkehrslärmschutz. Die Schall 03 1990 und damit insbesondere der sogenannte Schienenbonus seien nicht mehr anwendbar, weil die Auslegung des Plans erst nach dem öffentlich bekanntgemacht worden sei. Maßgeblich sei das Anhörungsverfahren zur 1. Planänderung, die das Gesamtkonzept des Vorhabens berührt und seine Identität geändert habe. Die Bauleitplanung für das Baugebiet "Straßäcker" werde nachhaltig gestört. Die vorgesehenen Schallschutzwände bewirkten nur unzureichenden Schutz, weil sie nicht weit genug nach Süden reichten. Im Plangebiet sei mit Lärmpegeln von über 49 dB(A), teils von über 54 dB(A) zu rechnen. Damit sei die Planung hinsichtlich der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets nicht mehr umsetzbar, weil ein hinreichender Schutz jedenfalls der Außenwohnbereiche mit den Mitteln des Bauplanungsrechts nicht möglich sei. Die Fachplanung könne nach 20-jährigem Stillstand keinen Vorrang aufgrund zeitlicher Priorität beanspruchen. Abgesehen davon handele es sich beim Prioritätsgrundsatz lediglich um ein Abwägungskriterium. Eine Rücksichtnahme auf die gewichtigen städtebaulichen Ziele der Klägerin durch zusätzlichen aktiven Lärmschutz sei zu relativ geringen Mehrkosten möglich.

7Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, über eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom um zusätzliche Schallschutzmaßnahmen zugunsten der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

8Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

9Sie treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Gründe

10Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht als erstinstanzlich zuständiges Gericht zu entscheiden hat, ist zulässig, aber unbegründet.

11A. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 5 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes vom - VerkPBG - (BGBl. I S. 2174), zuletzt geändert durch Art. 464 der Verordnung vom (BGBl. I S. 1474), i. V. m. § 1 Nr. 10 der Fernverkehrswegebestimmungsverordnung vom (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom (BGBl. I S. 529). Der planfestgestellte Abschnitt der Ausbaustrecke Nürnberg - Ebensfeld - Erfurt ist Teil des Verkehrswegs Erfurt - Lichtenfels - Nürnberg zwischen der Landesgrenze Thüringen und Nürnberg. Das Verfahren ist nach den Bestimmungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zu Ende zu führen, weil das Planfeststellungsverfahren vor Ablauf des nach den Vorschriften dieses Gesetzes begonnen worden ist (§ 11 Abs. 2 VerkPBG, § 39 Abs. 1 Satz 2 AEG vom <BGBl. I S. 2378, 2396; 1994 I S. 2439> in der Fassung von Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes vom <BGBl. I S. 2833>).

12B. Die Verpflichtungsklage ist zulässig.

13Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Aus ihrem Vorbringen binnen der zehnwöchigen Klagebegründungsfrist gemäß § 18e Abs. 5 AEG (1.) ergibt sich ein möglicher Anspruch auf Planergänzung um zusätzliche Schallschutzmaßnahmen (2.).

141. Gemäß § 18e Abs. 5 Satz 1 und 2 AEG in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2237) hat der Kläger innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben; Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind grundsätzlich nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt. Auf die Frage, ob eine Zulassung verspäteten Vorbringens das Verfahren verzögern würde, kommt es nicht an. Insbesondere hierin sowie in der Länge der Klagebegründungsfrist unterscheidet sich § 18e Abs. 5 AEG von der Regelung in § 5 Abs. 3 VerkPBG. Danach hat der Kläger innerhalb einer Frist von sechs Wochen die Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt, anzugeben. Vorbringen nach Ablauf dieser mit Klageerhebung beginnenden (vgl. 3 A 11.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 85 Rn. 14) Frist kann das Gericht zurückweisen, wenn seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde (§ 5 Abs. 3 Satz 2 VerkPBG i. V. m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

15§ 18e Abs. 5 AEG geht dem zeitlich früheren § 5 Abs. 3 VerkPBG vor. Ursprünglich hatten beide Vorschriften einen identischen Regelungsgehalt (vgl. § 18e Abs. 5 AEG in der bis zum gültigen Fassung von Art. 1 des Gesetzes vom <BGBl. I S. 2833>). Bereits vor der Neufassung des § 18e Abs. 5 AEG hatte der Gesetzgeber in § 6 UmwRG in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 3290) eine einheitliche und abschließende Regelung für alle Rechtsbehelfe im Geltungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes mit Vorrang gegenüber früheren fachgesetzlichen Klagebegründungsfristen getroffen (vgl. 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14 und vom - 9 A 8.20 - BVerwGE 171, 346 Rn. 20). Die gegenüber früheren fachgesetzlichen Fristen vorgesehene Verlängerung von sechs auf zehn Wochen diente zum Ausgleich der strengeren Folgen einer Fristversäumung, die § 6 UmwRG ebenso wie daran angelehnt nunmehr auch § 18e Abs. 5 AEG vorsieht (vgl. 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14). § 18e Abs. 5 AEG in seiner aktuellen Fassung verdrängt seinerseits die Regelung in § 6 UmwRG (§ 18e Abs. 5 Satz 6 AEG). Danach sollen für alle Klagen im Zusammenhang mit Planfeststellungs- und Plangenehmigungsentscheidungen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz eine einheitliche Klagebegründungsfrist und eine einheitliche Regelung zu den Rechtsfolgen im Fall der Fristversäumnis gelten (so die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 19/4459 S. 41). Dieses Vereinheitlichungsziel wird vollständig nur erreicht, wenn § 18e Abs. 5 AEG auch für Planungen gilt, bei denen gemäß § 11 Abs. 2 VerkPBG, § 39 Abs. 1 Satz 2 AEG das Verfahren nach den Bestimmungen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zu Ende zu führen ist.

16Nachdem die Klägerin am Klage erhoben hat, ist ihre Klagebegründung am und damit am letzten Tag der zehnwöchigen Klagebegründungsfrist bei Gericht eingegangen.

172. Nach dem Vorbringen der Klägerin erscheint es nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab nur 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 16 m. w. N.), dass der Planfeststellungsbeschluss sie in ihrer Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) verletzt, weil vorhabenbedingter Schienenverkehrslärm die Bauleitplanung für das Baugebiet "Straßäcker" nachhaltig stört und die Klägerin deshalb zusätzliche Schallschutzauflagen beanspruchen kann.

18Die Klägerin ist auch insoweit klagebefugt, als sie sich als juristische Person des öffentlichen Rechts zwar nicht auf das Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen, aber gestützt auf ihr einfachrechtlich geschütztes Grundstückseigentum ebenso wie ein privater Grundstückseigentümer gegen unzumutbare Lärmeinwirkungen zur Wehr setzen kann ( 3 A 11.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 85 Rn. 12 m. w. N.). Entgegen der Einschätzung der Beigeladenen genügt das Vorbringen innerhalb der Klagebegründungsfrist, um auch insoweit eine Rechtsverletzung nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise als ausgeschlossen anzusehen. Zwar macht die Klägerin nur teilweise nähere Angaben zur örtlichen Lage der Grundstücke, zu deren Nutzung sowie der voraussichtlichen Lärmbetroffenheit. Sie benennt aber konkrete Flurstücksnummern, sodass sich weitere Einzelheiten der jeweiligen Grundstückssituation anhand der Verwaltungsvorgänge mit geringem Aufwand ermitteln lassen (§ 18e Abs. 5 Satz 4 AEG). Ferner rügt die Klägerin unzulässige Lärmbeeinträchtigungen insbesondere aufgrund einer fehlerhaften Berechnung der Beurteilungspegel. Damit ist dem Zweck der Klagebegründungsfrist, für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar festzuschreiben, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird (vgl. 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14 und vom - 9 A 7.19 - BVerwGE 170, 138 Rn. 16), Genüge getan.

19C. Die Klage ist unbegründet.

20Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht zum Nachteil der Klägerin rechtswidrig (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung der Beklagten über zusätzliche Schallschutzmaßnahmen.

211. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen zwingende Vorschriften zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche, soweit die Klägerin sich als Eigentümerin von Grundstücken im Einwirkungsbereich des planfestgestellten Vorhabens darauf berufen kann (vgl. 3 A 11.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 85 Rn. 22 m. w. N.).

22a) Rechtlicher Maßstab für die Bewertung der von einem Schienenweg ausgehenden Verkehrsgeräusche sind die §§ 41 ff. BImSchG und die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV). Danach ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von Eisenbahnen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; das gilt nicht, soweit die Kosten der Schutzmaßnahmen außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden (§ 41 BImSchG). Mit der Verkehrslärmschutzverordnung hat der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG Vorschriften über bestimmte Grenzwerte erlassen, die zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche nicht überschritten werden dürfen, sowie über das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen oder Immissionen. Werden im Falle des § 41 BImSchG die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung überschritten, hat der Eigentümer einer betroffenen baulichen Anlage grundsätzlich einen Entschädigungsanspruch für passive Schallschutzmaßnahmen (§ 42 Abs. 1 und 2 BImSchG).

23Mit dem planfestgestellten Ausbauvorhaben ist eine wesentliche Änderung eines Schienenweges der Eisenbahn verbunden und damit der Anwendungsbereich der Verkehrslärmschutzverordnung eröffnet, weil die Bestandsstrecke um mehrere durchgehende Gleise baulich erweitert wird (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV).

24Die Planfeststellungsbehörde hat zu Recht gebilligt, dass in der schalltechnischen Begutachtung die Beurteilungspegel für Schienenverkehrsgeräusche noch auf der Grundlage der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV in der bis zum geltenden Fassung vom (BGBl. I S. 1036) - Schall 03 1990 - berechnet worden sind und damit insbesondere der sogenannte Schienenbonus in Ansatz gebracht worden ist, also ein Abschlag von 5 dB(A) zur Berücksichtigung einer geringeren Störwirkung von Schienenverkehrslärm (Korrektursummand S der Schall 03 1990). Dieses Vorgehen entspricht § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV in der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. nur 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 55 m. w. N.) gültigen Fassung von Art. 1 der Verordnung vom (BGBl. I S. 2269), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom (BGBl. I S. 2334). Danach ist für Abschnitte von Vorhaben, für die bis zum das Planfeststellungsverfahren bereits eröffnet und die Auslegung des Plans öffentlich bekannt gemacht worden ist, die Schall 03 1990 weiter anzuwenden. So liegt es hier, nachdem das Planfeststellungsverfahren bereits 1996 mit der Einreichung der Planunterlagen eröffnet worden ist und zu Beginn des Jahres 1997 die öffentlichen Auslegungsbekanntmachungen erfolgt sind.

25Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens 1997 mit abschließender Stellungnahme der Anhörungsbehörde vom Juli 1998 wurde das Planfeststellungsverfahren zwar zunächst faktisch nicht weiterbetrieben. Es hatte sich aber weder durch Rücknahme des Antrags noch in sonstiger Weise erledigt und war damit rechtlich nicht abgeschlossen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 AEG, § 74 Abs. 1 Satz 2, § 69 Abs. 3 VwVfG). Dementsprechend hat die Beigeladene zu 1 im August 2014 bei Einreichung der Unterlagen zur 1. Planänderung ausdrücklich eine Fortsetzung des Planfeststellungsverfahrens beantragt.

26Auf die nachfolgenden beiden Planänderungen und die dazu jeweils erst nach dem durchgeführten Anhörungsverfahren kommt es im vorliegenden Zusammenhang entgegen der Auffassung der Klägerin nicht an, weil es sich nicht um wesentliche, die Identität des Vorhabens berührende Planänderungen gehandelt hat.

27Die Übergangsregelung in § 4 Abs. 3 der 16. BImSchV ist an den gesetzlichen Übergangsregelungen in § 43 Abs. 1 Satz 2 und 3 BImSchG orientiert und soll die untergesetzlichen an die gesetzlichen Übergangsfristen anpassen (vgl. die Begründung des Verordnungsentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 18/1280 S. 92). Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ist der in den Rechtsverordnungen aufgrund des § 43 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zur Berücksichtigung der Besonderheiten des Schienenverkehrs vorgesehene Abschlag von 5 dB(A) - der sogenannte Schienenbonus - ab dem nicht mehr anzuwenden, soweit zu diesem Zeitpunkt für den jeweiligen Abschnitt eines Vorhabens das Planfeststellungsverfahren noch nicht eröffnet ist und die Auslegung des Plans noch nicht öffentlich bekannt gemacht wurde. Die Anknüpfung an die öffentliche Bekanntmachung der Auslegung gemäß § 73 Abs. 5 VwVfG soll sicherstellen, dass solche Planfeststellungsverfahren nach altem Recht weiterbetrieben werden, bei denen die Planunterlagen soweit bearbeitet sind, dass sie ausgelegt werden können (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestagsausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BT-Drs. 17/11610 S. 13; Storost, in: Ule/Laubinger/Repkewitz, BImSchG, Stand Juni 2022, § 43 Rn. C17). Eine noch auf Basis der alten Rechtslage erzielte Auslegungsreife des Plans soll erhalten, der dafür getätigte Aufwand nicht nachträglich entwertet werden. Diesem Zweck entspricht es, dass eine bereits vor dem Stichtag vorgenommene Auslegungsbekanntmachung nur dann durch spätere Änderungen der Planunterlagen im Planfeststellungsverfahren überholt und somit neues Recht anwendbar wird, wenn die Änderungen derart gewichtig sind, dass sie eine erneute öffentliche Auslegung des Plans gemäß § 73 Abs. 2 und 3 VwVfG erforderlich machen (im Ergebnis ebenso schon 3 A 11.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 85 Rn. 21). Das ist, wie § 73 Abs. 8 VwVfG verdeutlicht, nicht bei jeder Planänderung der Fall. Eines erneuten Anhörungsverfahrens mit öffentlicher Auslegung des Plans bedarf es nur dann, wenn Änderungen das Gesamtkonzept der Planung berühren und die Identität des Vorhabens nicht wahren, weil sie zu einem nach Gegenstand, Art, Größe und Betriebsweise im Wesentlichen andersartigen Vorhaben führen (vgl. 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <145> und vom - 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 29).

28Die beiden hier in Rede stehenden Planänderungen waren jeweils nicht wesentlich in diesem Sinne. Das gilt auch für die umfangreichere 1. Planänderung. Diese hatte zwar eine Vielzahl von Einzeländerungen zum Gegenstand, ließ die Identität des Vorhabens aber gleichwohl unberührt (vgl. zu einem vergleichbar gelagerten Fall auch 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <145 f.>). Die Änderungen basierten auf einem veränderten Betriebsprogramm, das - anders als die Klägerin anzunehmen scheint - lediglich eine tatsächliche Grundlage, nicht aber Gegenstand der anlagenbezogenen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG) Planung ist und deshalb die Identität des Vorhabens nicht unmittelbar mitbestimmt. Die für die Gesamtkonzeption der Planung prägenden Hauptelemente des Vorhabens, der viergleisige Ausbau der Bestandsstrecke durch Erweiterung der vorhandenen Trasse um zwei zusätzliche Gleise sowie Anpassung bzw. Ertüchtigung der beiden Bestandsgleise, blieben unverändert. Die Änderungen beschränkten sich auf untergeordnete Elemente und Modalitäten der Ausgestaltung des Vorhabens.

29Dass der Schallschutz überarbeitet wurde, rechtfertigt auch nicht im Kontext des § 4 Abs. 3 Satz 1 der 16. BImSchV die Annahme einer wesentlichen Planänderung. Der Verordnungsgeber knüpft die Anwendbarkeit der Schall 03 1990 an eine bis zum erfolgte Auslegungsbekanntmachung. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass in solchen Fällen bei Anwendung der Neufassung der Schall 03 ein bereits erzielter, durch die Bekanntmachung nach außen dokumentierter Planungsfortschritt typischerweise verloren ginge. Dieser typisierende Ansatz lässt keinen Raum für eine einzelfallbezogene Differenzierung danach, inwieweit das Schallschutzkonzept nachträglich noch überarbeitet wird und dabei die Anwendung neuen Rechts tatsächlich einen konkreten Mehraufwand verursachen würde. Wegen der Anknüpfung der Übergangsregelung an eine Auslegungsbekanntmachung bis zum ist es auch unerheblich, dass die Planfeststellungsbehörde hier anlässlich beider Planänderungen unter Hinweis auf eine unzureichende Erkennbarkeit des Kreises der Betroffenen jeweils ein vollständig neues Anhörungsverfahren durchgeführt und sich nicht auf den in § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG für den Fall einfacher Planänderungen vorgezeichneten Weg beschränkt hat.

30Die Rechtmäßigkeit des Schienenbonus ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ( 7 A 9.19 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 92 Rn. 65 f. m. w. N.) und wird von der Klägerin im Grundsatz ebenso wenig in Frage gestellt wie die Fehlerfreiheit der Berechnung der Beurteilungspegel im Übrigen.

31b) Auf den Grundstücken der Klägerin kommt es zu keinen unzulässigen Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte gemäß § 2 der 16. BImSchV.

32Für die Grundstücke mit den Flurstücksnummern 1215, 2012, 2071 und 2076 gilt dies schon deshalb, weil sie jeweils unbebaut sind und eine schutzbedürftige Nutzung auch sonst nicht erkennbar ist. Der Verkehrslärmschutz nach §§ 41 ff. BImSchG und der Verkehrslärmschutzverordnung bezieht sich, wie auch aus § 42 Abs. 1 BImSchG hervorgeht, auf bauliche Anlagen, die entweder schon vorhanden oder doch zumindest planerisch konkretisiert sind (vgl. 9 B 9.11 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 37 Rn. 5; Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 41 Rn. 36; Durinke, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, 2021, § 41 Rn. 83). Es ist auch weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass die Grundstücke unabhängig von einer Bebauung dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt und deshalb schutzbedürftig sein könnten (vgl. zum Schutz von Außenflächen etwa 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 96 f. m. w. N.). Entsprechendes gilt für das Flurstück 1216. Es ist zwar mit einem früher zu gewerblichen Zwecken genutzten Gebäude bebaut. Diese Nutzung ist aber endgültig aufgegeben worden, nachdem der betreffende Gewerbebetrieb bereits vor Jahren in Insolvenz geraten war und eine Fortsetzung der gewerblichen Nutzung erklärtermaßen nicht den städtebaulichen Vorstellungen der Klägerin, die sich in dem Bebauungsplanentwurf für das Baugebiet "Straßäcker" niedergeschlagen haben, entspricht.

33Für das Grundstück Pfarrer-Haar-Straße 8 (Flurstück 1677), auf dem sich ein Kindergarten befindet, ist nach den Berechnungen von Beurteilungspegeln von 49 dB(A) tags und 51 dB(A) nachts auszugehen (Erläuterungsbericht zum Schallschutz, Planunterlage 13.1b, Beilage 3A, S. 51). Der insoweit einschlägige Tag-Immissionsgrenzwert für Wohngebiete von 59 dB(A) gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV wird damit eingehalten. Der Immissionsgrenzwert für die Nacht von 49 dB(A) wäre zwar überschritten, findet insoweit aber keine Anwendung, weil die schutzwürdige Nutzung des Kindergartens nur am Tag ausgeübt wird (§ 2 Abs. 3 der 16. BImSchV).

342. Die fachplanerische Abwägung (§ 18 Abs. 1 Satz 2 AEG), in deren Rahmen die Klägerin eine fehlerfreie Berücksichtigung ihrer eigenen Rechte und schutzwürdigen Belange beanspruchen kann (vgl. 7 A 10.19 - juris Rn. 38 m. w. N.), leidet nicht mit Blick auf die Planungshoheit der Klägerin an einem Mangel.

35a) Die von der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG umfasste Planungshoheit vermittelt den Gemeinden eine wehrfähige, in die fachplanerische Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt (stRspr, vgl. nur 7 A 10.19 - juris Rn. 39 m. w. N.). Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden ( 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 Rn. 28 und vom - 7 A 10.19 - juris Rn. 39). Welches Gewicht den jeweils betroffenen Belangen zukommt, wird auch davon bestimmt, ob ihr Träger sich vernünftigerweise auf die mit dem geplanten Vorhaben verbundenen Änderungen einstellen musste und deswegen nicht auf den Fortbestand einer bestimmten Situation vertrauen durfte ( 9 A 17.06 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 64 Rn. 19 und vom - 7 A 10.19 - juris Rn. 40). Demgemäß hat bei einer Konkurrenz von Fachplanung und Bauleitplanung diejenige Planung grundsätzlich Rücksicht auf die andere zu nehmen, die den zeitlichen Vorsprung hat; der Gesichtspunkt der Priorität ist ein wichtiges Abwägungskriterium ( 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <394> und vom - 4 A 1.18 - BVerwGE 165, 166 Rn. 33). Ferner gilt, dass je stärker eine Gemeinde schon von ihrer geographischen Lage oder ihrem sonstigen Ausstattungspotenzial her einer Situationsgebundenheit unterliegt, ihr Eingriffe, die an dieses Merkmal anknüpfen, desto eher zumutbar sind ( 4 C 13.99 - BVerwGE 112, 274 <291> und vom - 7 A 10.19 - juris Rn. 40).

36b) Ausgehend von diesen Maßstäben leidet der Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans der Klägerin für das Baugebiet "Straßäcker" nicht an einem Abwägungsfehler.

37Die Planfeststellungsbehörde hat sich mit den dazu von der Klägerin erhobenen Einwendungen auseinandergesetzt und diese unter Hinweis auf den Prioritätsgrundsatz, der hier zugunsten der Fachplanung eingreife, sowie die Möglichkeit, gesunde Wohnverhältnisse mit Mitteln des Bauplanungsrechts zu gewährleisten, zurückgewiesen (Planfeststellungsbeschluss S. 377, 393, 407). Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie bewegen sich innerhalb der Grenzen, die das Abwägungsgebot der planerischen Gestaltungsfreiheit zieht und auf deren Einhaltung die gerichtliche Kontrolle beschränkt ist (stRspr, vgl. nur 7 A 10.19 - juris Rn. 37 m. w. N.).

38Das planfestgestellte Vorhaben ist - wie bereits ausgeführt - nach dem ersten Anhörungsverfahren im Jahr 1997 in den wesentlichen, seine Identität prägenden Elementen unverändert geblieben. Die Fachplanung kann deshalb grundsätzlich Rücksichtnahme seitens der zeitlich späteren, im Juni 2014 eingeleiteten Bebauungsplanung der Klägerin beanspruchen und muss sich nicht etwa umgekehrt, wie von der Klägerin gefordert, an diese anpassen. Daran vermag auch der langjährige Stillstand des Planfeststellungsverfahrens im Ergebnis nichts zu ändern.

39Der von der Klägerin für eine zeitliche Begrenzung des relativen Vorrangs der früheren Fachplanung angestellte wertende Vergleich mit der Geltungsdauer von Planfeststellungsbeschlüssen nach § 18c Nr. 1 AEG ist nicht tragfähig. Die Befristung der Geltungsdauer trägt zum einen der Tatsache Rechnung, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Zeitpunkt der planerischen Entscheidung deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen stetig zweifelhafter werden können. Zum anderen wächst die Unsicherheit der planbetroffenen Grundeigentümer, ob ihre Grundstücke zur Verwirklichung des Vorhabens benötigt werden ( 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123 <128 f.>). Vorschriften wie § 18c Nr. 1 AEG geben somit zwar einen Anhaltspunkt für die Dauer des Zeitraumes, in dem die Unsicherheiten einer Plandurchführung längstens als zumutbar erscheinen und von den Planbetroffenen hinzunehmen sind (vgl. 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 S. 31). Diese für den Zeitraum nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses getroffene gesetzliche Wertung lässt sich aber nicht auf die dem Erlass vorausgehende Planungsphase übertragen. Eine feste Begrenzung der Dauer eines Planfeststellungsverfahrens bzw. eine Entscheidungsfrist, binnen derer über einen Antrag auf Planfeststellung zu befinden ist, existiert im geltenden Recht nicht. Das Gebot zügiger Verfahrensdurchführung, das in § 10 Satz 2 VwVfG für nichtförmliche Verwaltungsverfahren aufgestellt ist, in gewisser Weise aber auch dem Planfeststellungsrecht der §§ 72 ff. VwVfG zugrunde liegt, gibt keine feste Zeitgrenze dafür vor, welche Verfahrensdauer angemessen ist. Die Angemessenheit variiert vor allem mit der Komplexität eines Vorhabens und den im Einzelfall zu überwindenden Widerständen. Vorrangig sind in jedem Fall die Pflichten zur Optimierung des Vorhabens und zur vollständigen Problembewältigung. Dem trägt das Planfeststellungsrecht Rechnung, indem es zwar für einzelne Verfahrensschritte Fristen vorsieht (vgl. § 73 Abs. 3, 3a, 4 oder 9 VwVfG, § 18a Nr. 1 AEG), nicht aber für die abschließende Sachentscheidung oder die Gesamtlänge des Verfahrens. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber der Optimierung der Planung Vorrang einräumt. Planbetroffene können im Planfeststellungsverfahren daher lediglich verlangen, dass ihre Rechte im Verfahren gewahrt und durch die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses nicht verletzt werden ( 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 34).

40Gleichwohl kann der Dauer eines Planfeststellungsverfahrens, zumal bei einem - wie hier - langjährigen faktischen Verfahrensstillstand, eine Relevanz für das Verhältnis von Fachplanung und konkurrierender Bauleitplanung sowie das Maß der jeweils gebotenen Rücksichtnahme nicht generell abgesprochen werden. Je länger ein Planfeststellungsverfahren andauert und je weniger dies durch Sachgründe gerechtfertigt ist, desto weniger ist es einer Gemeinde zumutbar, ihre eigenen planerischen Vorstellungen mit Rücksicht auf die Fachplanung zurückzustellen. In diesem Maße verringert sich der relative Vorrang, den die Fachplanung aufgrund ihres zeitlichen Vorsprungs beanspruchen kann, und wächst ihre Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die gemeindliche Planungshoheit. Auch dies führt vorliegend freilich nicht auf einen Abwägungsfehler.

41Zum einen musste sich die Klägerin trotz der langen Dauer des Planfeststellungsverfahrens auf die mit dem geplanten Vorhaben verbundenen Änderungen einstellen. Da das Gesamtvorhaben, die Ausbau- und Neubaustrecke Nürnberg - Erfurt - Leipzig/Halle - Berlin, seit 1993 als laufendes und fest disponiertes Vorhaben des vordringlichen Bedarfs im Bedarfsplan des Schienenwegeausbaugesetzes vorgesehen ist, bestand kein Anlass zu der Annahme, das Vorhaben sei zwischenzeitlich aufgegeben worden (vgl. 3 A 11.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 85 Rn. 45). Das gilt auch deshalb, weil nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten im Zeitpunkt des Beschlusses der Klägerin über die Aufstellung des Bebauungsplans andere Abschnitte des Gesamtvorhabens bereits fertiggestellt oder in Bau waren (vgl. auch Erläuterungsbericht, Planunterlage 0.1b, S. 59 f.).

42Zum anderen ist nichts dafür ersichtlich, dass das Vorhaben die von der Klägerin beabsichtigten Baugebietsfestsetzungen unnötigerweise "verbauen" würde. Trassenalternativen zum Ausbau der Bestandstrasse sowie Varianten für den Planfeststellungsabschnitt wurden untersucht und verworfen (Planfeststellungsbeschluss, S. 151 - 153, Erläuterungsbericht, Planunterlage 0.1b, S. 52 - 55). Dagegen hat die Klägerin keine Einwände erhoben. Eine eindeutig vorzugswürdige, die Planungshoheit der Klägerin nicht oder in geringerem Maße berührende Ausführungsalternative ist auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen lässt sich nicht feststellen, dass das Vorhaben die Festsetzung eines Misch-, Dorf- oder allgemeinen Wohngebiets unmöglich macht. Gesunde Wohnverhältnisse können nicht nur durch Schallschutz am Schienenweg, sondern auch durch Festsetzung von Flächen für Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sowie von baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen zum Schutz vor solchen Einwirkungen im Baugebiet gewährleistet werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann es bauplanungsrechtlich auch zulässig sein, die Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu mindern ( 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 15 und vom - 3 A 15.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 Rn. 29). Aus dem Vorbringen der Klägerin, die insoweit eine Darlegungsobliegenheit trifft (vgl. 7 A 14.93 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23 S. 51 f.), ergibt sich nicht, dass eine solche Konfliktbewältigung mit den Mitteln des Bauplanungsrechts hier nicht möglich ist. Im Gegenteil erscheint eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume hier in besonderer Weise als geeignet, weil die Grenzwertüberschreitungen relativ gering sind und nur in der Nacht drohen. Ein solches Vorgehen ist der Klägerin auch deshalb zumutbar, weil sie mit ihren planerischen Entwicklungsmöglichkeiten in dem hier in Rede stehenden räumlichen Bereich einer Situationsgebundenheit durch die Bestandsstrecke und die damit verbundene Lärmvorbelastung unterliegt.

43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:231122U7A9.21.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-34273