BVerwG Urteil v. - 7 C 4/21

Bergrechtlicher Planfeststellungsbeschluss; Zulassung Rahmenbetriebsplan zur Erweiterung des Quarzsand- und Kiestagebau

Leitsatz

1. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplanes erfordert eine artenschutzrechtliche Vollprüfung im Planfeststellungsbeschluss. Hierzu gehört auch die Anordnung aktueller Bestandserhebungen und möglicher Anpassungen der Maßnahmen im Rahmen nachfolgender Betriebspläne.

2. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen nach § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG können den Eintritt des Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verhindern.

3. Die in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG zum Ausdruck kommende populationsbezogene Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle steht mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-RL in Einklang, der einen art- bzw. populationsbezogenen Schutzansatz verfolgt.

4. Die funktionsbezogene Regelung des § 44 Abs. 5 Satz 2 und 3 a. F. (§ 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 BNatSchG n. F.) ist mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL vereinbar.

Gesetze: Art 12 Abs 1 Buchst b EWGRL 43/92, Art 12 Abs 1 Buchst d EWGRL 43/92, Art 4 Abs 1 Buchst a EGRL 60/2000, Art 4 Abs 1 Buchst b EGRL 60/2000, Art 3 Buchst b EWGRL 337/85, Art 5 Abs 1 EWGRL 337/85, Art 5 Abs 3 Buchst b EWGRL 337/85, Art 5 Abs 3 Buchst c EWGRL 337/85, Art 6 Abs 3 EWGRL 337/85, § 48 Abs 2 S 1 BBergG, § 51 Abs 1 S 1 BBergG, § 52 Abs 2a S 1 BBergG, § 57a Abs 4 S 1 BBergG, § 57c S 1 Nr 1 BBergG, § 18 S 1 UVPG vom , § 44 Abs 1 Nr 1 BNatSchG 2010, § 44 Abs 1 Nr 2 BNatSchG 2010, § 44 Abs 1 Nr 3 BNatSchG 2010, § 44 Abs 5 S 2 BNatSchG 2010, § 44 Abs 5 S 3 BNatSchG 2010, § 44 Abs 5 S 2 Nr 3 BNatSchG, § 44 Abs 5 S 3 BNatSchG, § 1 Nr 1 Buchst b DBuchst Aa UVPBergbV

Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 2 A 698/16 Urteilvorgehend VG Darmstadt Az: 7 K 1452/13.DA Urteil

Tatbestand

1Der Kläger, eine anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung, wendet sich gegen einen bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss, mit dem der Rahmenbetriebsplan zur Erweiterung des Quarzsand- und Kiestagebaus der Beigeladenen zugelassen wurde.

2Im Juli 2010 beantragte die Beigeladene die Durchführung einer bergrechtlichen Planfeststellung im obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren zur Erweiterung ihres seit 1927 bestehenden Quarzsand- und Kiestagebaus "L. W." um 82,7 ha in südöstlicher Richtung. Mit Planfeststellungsbeschluss vom ließ der Beklagte nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung das Vorhaben unter Teilablehnung hinsichtlich der Flächen "Waldabteilung 37" und "Altholzinsel der südlichen Waldabteilung 24" mit einer Abbaufläche von rund 63,7 ha unter Anordnung einer Reihe von Nebenbestimmungen zu.

3Das Verwaltungsgericht wies die gegen den Planfeststellungsbeschluss erhobene Klage ab. Der Beklagte ergänzte mit Beschluss vom den Planfeststellungsbeschluss vom um die Maßnahmen und Tätigkeiten, die in den von der Beigeladenen im Oktober 2013 vorgelegten Unterlagen zur Anpassung an die Teilablehnung beschrieben worden waren. Die unter Einbeziehung des Planergänzungsbeschlusses eingelegte Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.

4Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision rügt der Kläger, dass die Regelungen des besonderen Artenschutzes bei der gerichtlichen Überprüfung unzutreffend angewandt worden seien. Hierdurch sei das Berufungsgericht fehlerhaft zu der Überzeugung gelangt, dass kein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand für von der Vorhabendurchführung betroffene Fledermäuse und Vogelarten vorliege. Eine Verlagerung der artenschutzrechtlichen Konfliktbewältigung auf die Hauptbetriebsplanebene, wie im Planfeststellungsbeschluss vorgesehen, sei unzulässig. Weiter habe die Vorinstanz verkannt, dass der Planfeststellungsbeschluss an einem beachtlichen Verfahrensfehler leide, weil ein wasserrechtlicher Fachbeitrag den ausgelegten Planunterlagen nicht beigefügt gewesen sei. Eine grundwasserbezogene Prüfung nach den einschlägigen Regelungen sei nicht durchgeführt worden. Schließlich liege ein Bundesrechtsverstoß in der Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Bannwaldaufhebung erforderlich gewesen sei.

5Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom und das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom zu ändern und den Planfeststellungsbeschluss vom in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom aufzuheben,

hilfsweise,

den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.

6Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Revision zurückzuweisen.

7Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Gründe

8Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs steht zwar nicht in jeder Hinsicht in Einklang mit Bundesrecht. Es erweist sich aber im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

9A. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Geltung des Bundesberggesetzes, Entbehrlichkeit einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung im Planergänzungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfung betreffend die West- und Ostgrube, wasserrechtlichen Planfeststellung, landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung sowie zum Vorbehalt nach § 74 Abs. 3 HVwVfG und zu den Belangen der Raumordnung haben die Beteiligten im Revisionsverfahren nicht beanstandet. Es besteht für den Senat daher insoweit kein Anlass zur Überprüfung.

10B. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass der angegriffene Planfeststellungsbeschluss die artenschutzrechtlichen Bestimmungen einhalte, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

111. Nach § 52 Abs. 2a Satz 1 des Bundesberggesetzes (BBergG) vom (BGBl. I S. 1310), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 303 der Verordnung vom (BGBl. I S. 1474), ist die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplanes zu verlangen und für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen, wenn ein Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Dies war hier nach § 1 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau) vom (BGBl. I S. 1420) i. d. F. vom (BGBl. I S. 1261) i. V. m. § 57c Satz 1 Nr. 1 BBergG der Fall. Bei der zugelassenen Südosterweiterung des Tagebaus der Beigeladenen handelt es sich um ein nach § 51 Abs. 1 Satz 1 BBergG betriebsplanpflichtiges Vorhaben, das eine Abbaufläche von mehr als 25 ha beansprucht. Gemäß § 18 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i. d. F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 94) wird bei bergbaulichen Vorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesberggesetz durchgeführt.

12§ 57a Abs. 4 Satz 1 BBergG sieht vor, dass die Entscheidung über die Planfeststellung hinsichtlich der eingeschlossenen Entscheidungen nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften zu treffen ist. Für diese aufgrund der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses nicht mehr erforderlichen Entscheidungen sind aber inhaltlich allein die speziellen materiell-rechtlichen Vorschriften der jeweils einschlägigen Gesetze maßgeblich (vgl. 7 B 43.15 - UPR 2017, 141 Rn. 14; Keienburg, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, Bundesberggesetz, 2. Aufl. 2016, § 57a Rn. 40). Weil die Zulassung des Rahmenbetriebsplanes die Feststellung enthält, dass das Gesamtvorhaben zulassungsfähig ist und nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen untersagt werden oder eingeschränkt werden darf, und diese Feststellung der Bestandskraft fähig ist, kann bei der Zulassung der Hauptbetriebspläne die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Gesamtvorhabens - vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - nicht erneut in Frage gestellt werden ( 7 C 11.05 - BVerwGE 126, 205 Rn. 25). In diesem Umfang erzeugt die Rahmenbetriebsplanzulassung eine Bindungswirkung für nachfolgende Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen. Die Behörde darf die Zulassung eines Haupt- oder Sonderbetriebsplanes nicht aus einem Grund versagen, der schon zur Versagung der Rahmenbetriebsplanzulassung hätte führen müssen (vgl. von Hammerstein, in: Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen, Bundesberggesetz, 2. Aufl. 2016, § 52 Rn. 45).

13Hieraus folgt, dass die Bergbehörde bereits bei der Entscheidung über die Zulassung eines eingereichten Betriebsplanes prüfen muss, ob die Aufsuchung oder Gewinnung zu beschränken oder untersagen ist, weil ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen ( 7 C 1.06 - BVerwGE 127, 259 Rn. 29 und - 7 C 6.06 - BVerwGE 127, 272 Rn. 22). Zu den öffentlichen Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG, die bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplanes durch Planfeststellungsbeschluss zu berücksichtigen sind, gehört auch das Artenschutzrecht (vgl. 7 B 68.11 - UPR 2013, 107 Rn. 6).

14An diesen Maßstäben hat sich der Verwaltungsgerichtshof orientiert, wenn er annimmt, dass der artenschutzrechtliche Konflikt - die Bedrohung des Lebensraums der betroffenen Arten durch die Erweiterung des Tagebaus - im Planfeststellungsbeschluss erkannt und nicht nur grundsätzlich, sondern auch im Einzelnen bewältigt worden sein muss.

152. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Nebenbestimmung im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss, wonach die jeweils aktuelle Bestandserfassung der betroffenen Arten sowie die gegebenenfalls erforderliche Anpassung der erforderlichen Maßnahmen in den späteren Betriebsplänen vorgesehen ist, keine unzulässige Verlagerung der artenschutzrechtlichen Konfliktbewältigung auf die Ebene der nachfolgenden Hauptbetriebspläne darstellt und die Bergbehörde im abgestuften bergrechtlichen Zulassungsverfahren (vgl. 7 C 11.05 - BVerwGE 126, 205 Rn. 23) die Auswirkungen des in Rede stehenden Bergbauvorhabens auf den Artenschutz so früh wie möglich berücksichtigt und abschließend durchgeprüft hat.

16a) Nach der Nebenbestimmung 3.4 zum Planfeststellungsbeschluss vom ist vor Beginn der Rodung für alle Rodungsabschnitte, die später als im Jahre 2015 gerodet werden sollen, eine Kartierung der betroffenen Arten durchzuführen. Ausgehend von den Ergebnissen ist darzulegen, ob die im Rahmenbetriebsplan vorgesehenen Maßnahmen für die im Rodungsabschnitt festgestellten Arten ausreichen, damit sich der Erhaltungszustand der betroffenen Populationen nicht verschlechtert. Die Ergebnisse der Aktualisierungen sind mit den Hauptbetriebsplänen der Bergbehörde vorzulegen und die aus gutachterlicher Sicht zusätzlich erforderlichen Maßnahmen sind nach vorheriger Abstimmung mit der Behörde darin darzustellen. Die Aufnahme weiterer Nebenbestimmungen zum Artenschutz in den Hauptbetriebsplan bzw. die hier konzentrierte artenschutzrechtliche Befreiung oder naturschutzrechtliche Eingriffszulassung bleibt vorbehalten. Diese Nebenbestimmung dient der artenschutzrechtlichen Prüfung und Kontrolle. Sie stellt sicher, dass die im Rahmenbetriebsplan vorgesehenen Maßnahmen für die im Rodungsabschnitt vorhandenen Arten ausreichen und sich der Erhaltungszustand der Populationen nicht verschlechtert. Entgegen der Auffassung des Klägers macht die Aufnahme des Vorbehalts einer aktualisierten Bestandserfassung das Artenschutzkonzept deshalb nicht unzulänglich. Sie wird vielmehr dem gestuften, sich über einen langen Zeitraum erstreckenden bergrechtlichen Verfahren bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplanes und der nachfolgenden Hauptbetriebs- bzw. Sonderbetriebspläne gerade gerecht.

17Ein Bundesrechtsverstoß liegt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht darin begründet, dass das Berufungsgericht die Ausführungen im Artenschutzbeitrag mit der Bezeichnung "Hinweise zum Monitoring" als verbindliche Verpflichtung gegenüber der Beigeladenen aufgefasst und diese als ausreichend erachtet habe, um den Anforderungen des § 44 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 BNatSchG zu genügen. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es weder an dem erforderlichen Monitoring noch an einem Risikomanagement fehle, ist nicht zu beanstanden. Eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots nach § 37 Abs. 1 HVwVfG liegt nicht vor, so dass die Revision hierauf nicht mit Erfolg gestützt werden kann (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO).

18Nach den Feststellungen der Vorinstanz muss dem zum Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses gewordenen Artenschutzbeitrag zufolge zur Artengruppe Fledermäuse eine flächige Untersuchung vor Einleitung bzw. Durchführung der CEF-Maßnahmen (Continuous ecological functionality-measures - Maßnahmen für die dauerhafte ökologische Funktion) durchgeführt und danach alle fünf Jahre parallel zum Abbaugeschehen ein Monitoring in Gestalt eines Vergleichs der Entwicklung der Fledermäuse mit den Ausgangswerten vorgenommen werden. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Eine begründete Verfahrensrüge hat der Kläger nicht erhoben. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dem klägerischen Vorbringen auseinandergesetzt. Er hat das vorliegende Tatsachenmaterial lediglich anders gewürdigt, indem er davon ausgegangen ist, dass mit der Anordnung von Bestandserfassungen unmittelbar vor Beginn der jeweiligen, abschnittsweise erfolgenden Rodung der Planfeststellungsbeschluss in nicht zu beanstandender Weise den vom Kläger angesprochenen Prognoseunsicherheiten in Bezug auf das Vorkommen einer Art, das Vorhandensein von Quartiermöglichkeiten oder die Quartiernutzung begegne. Die Frage, ob es darüber hinaus eines weitergehenden Schutzkonzepts bedürfe, sofern sich Defizite herausstellten, stelle sich erst, wenn Änderungen tatsächlicher Art feststellbar seien.

19b) Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht angenommen, dass die dem Artenschutzkonzept zugrundeliegenden Bestandserfassungen zum Fledermausvorkommen methodisch nicht zu beanstanden seien.

20aa) Die Bestandsaufnahme bildet die Grundlage für die Bewertung, ob und inwieweit artenschutzrelevante Betroffenheiten vorliegen. Die Methode der Bestandserfassung für die artenschutzrechtliche Prüfung ist nicht normativ festgelegt; sie hängt maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab (stRspr, vgl. nur 9 A 8.17 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 29 Rn. 103). Die einschlägigen Arbeitshilfen und Leitfäden für die Erfassung von Fledermäusen sehen als Standardmethode einen Methodenmix aus Habitatanalyse und Geländeuntersuchungen unter Einsatz von Detektoren, Horchboxen, Netzfängen etc. vor und sind dabei - soweit sie nur regionale Geltung beanspruchen - auf die naturräumlichen Gegebenheiten einer Region abgestimmt (BVerwG a. a. O.). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lagen dem Planfeststellungsbeschluss der Artenschutzbeitrag vom , die Faunistische Bestandserhebung 2008 sowie die ergänzende Untersuchung zum Fledermausvorkommen vom September 2009 zugrunde, wonach die Erfassung der Fledermäuse im Vorhabengebiet mit einem Methodenmix aus Detektorbegehungen, Befragungen Ortskundiger, Kasten- bzw. Baumhöhlenkontrollen, Netzfängen und Telemetrie durchgeführt wurde. Dies vermag Zweifel an der Geeignetheit der Untersuchungen zur Bestandserfassung nicht zu begründen. Vielmehr deuten die angewendeten Methoden auf eine umfangreiche und in die Tiefe gehende artenschutzrechtliche Betrachtung hin. Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, dass, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls festgestellt hat, im Untersuchungsgebiet vorsorglich einzelne Quartierbäume einer Wochenstubenkolonie des Braunen Langohrs und für den Großen Abendsegler Balz- sowie Winterquartiere angenommen wurden, die zwar nicht nachgewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden konnten. Entgegen der Auffassung des Klägers sind Worst-Case-Betrachtungen bei der Bestandsaufnahme zulässig (stRspr, vgl. nur 9 A 64.07 -BVerwGE 134, 308 Rn. 38). Da die Bestandserfassung und die daran anschließende Beurteilung, ob und inwieweit naturschutzrechtlich relevante Betroffenheiten vorliegen, auf ökologische Bewertungen angewiesen sind, für die normkonkretisierende Maßstäbe und verbreitet auch gesicherte naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Standards fehlen, darf das Gericht seiner Entscheidung insoweit die Einschätzung der Behörde zu der fachlichen Frage zugrunde legen, wenn diese auch aus gerichtlicher Sicht plausibel ist (vgl. - BVerfGE 149, 407 Rn. 18). Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Prüfung zutreffend ausgegangen.

21bb) Die Rüge der Aktenwidrigkeit in Bezug auf die vom Kläger im Berufungsverfahren als Anlage PGT 07 vorgelegten Unterlagen zur Bestandserfassung (Stand: April 2019), die die Beigeladene im Rahmen eines nachfolgenden Hauptbetriebsplanverfahrens durch die G. GmbH hat aufstellen lassen, greift nicht durch. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Inhalt dieser Untersuchungen weder übergangen noch hat er hiervon abweichende Tatsachen angenommen. Er hat den Inhalt der aktuelleren Bestandserhebung, wonach die verschiedenen Fledermausarten häufiger vorkommen, als im Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegt, lediglich anders gewürdigt. Der Kläger leitet aus den Unterlagen ab, dass erstmals eine intensivere Kartierung stattgefunden habe. Demgegenüber geht das Berufungsgericht davon aus, dass inzwischen Veränderungen in der Häufigkeit der Fledermäuse im Vorhabengebiet eingetreten seien. Dass ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht, vermag einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht zu begründen.

22c) Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht nimmt der Verwaltungsgerichtshof an, dass der Planfeststellungsbeschluss wegen der in den Nebenbestimmungen vorgesehenen CEF-Maßnahmen im Hinblick auf die betroffenen Fledermausarten nicht gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verstößt.

23aa) Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten, zu denen sämtliche hier betroffene Fledermausarten zählen, zu töten. Nach dem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Signifikanzansatz ist der Tatbestand des Tötungsverbots erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöht. Umstände, die für die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen ( 9 A 8.17 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 29 Rn. 98). Der Gesetzgeber hat den Signifikanzansatz durch das Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom (BGBl. I S. 3434) in die Neufassung des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG aufgenommen. Danach liegt ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben auch unter Berücksichtigung von Vermeidungsmaßnahmen das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Art nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung unvermeidbar ist. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/11939 S. 17) soll der in der Praxis bewährte Signifikanzansatz des Bundesverwaltungsgerichts mit der Regelung bestätigt werden.

24(1) Entgegen der Auffassung des Klägers können vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen nach § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG den Eintritt des Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verhindern. Aus Sicht des Artenschutzes macht es keinen Unterschied, ob die durch ein Vorhaben verursachten Beeinträchtigungen von vornherein als artenschutzverträglich einzustufen sind oder ob sie diese Eigenschaft erst dadurch erlangen, dass entsprechende Schutzvorkehrungen angeordnet und getroffen werden (vgl. 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 53 zum Habitatschutz). Daraus resultiert, dass auch die in § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG ausdrücklich geregelten, auf das Schädigungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG zugeschnittenen funktionserhaltenden Maßnahmen (CEF-Maßnahmen) multifunktional wirken können, so dass sie zugleich auch den Eintritt des Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verhindern (vgl. Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 44 Rn. 12 unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urteil vom - 7 KS 24/17 - juris Rn. 260 und 345).

25(2) Dass der Verwaltungsgerichtshof unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe die Erfüllung des Tötungsverbotstatbestandes durch das zugelassene Vorhaben verneint hat, ist nicht zu beanstanden.

26Das Tötungsrisiko sieht das Berufungsgericht dadurch als nicht signifikant erhöht an, dass der Planfeststellungsbeschluss durch Bezugnahme auf den Landschaftspflegerischen Begleitplan abschnittsbezogen im Vorfeld möglicher Eingriffe das Absuchen der Bäume und das Verschließen von Baumhöhlen zur Vermeidung einer Wiederbesiedlung insbesondere als Winterquartier vor Rodung anordnet. Ein Verstoß gegen das Tötungsverbot liege auch nicht deshalb vor, weil es unmöglich sei, die Tötung aller Individuen des Braunen Langohrs mit der vorgesehenen Baumhöhlenkontrolle zu verhindern, wie der Kläger mit der Begründung, diese Art besiedele nicht nur Baumhöhlen, sondern verschiedene Spaltenquartiere, vorbringe. Die Annahme des Klägers, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Zuge der Baumhöhlenüberprüfung einmal eine Höhle übersehen werden könne, entspreche nur dem auch bei größter Sorgfalt unvermeidbaren Risiko und lasse in Bezug auf die Mückenfledermaus nicht auf ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko schließen.

27Mit diesen Ausführungen hat der Verwaltungsgerichtshof das artenschutzrechtliche Konzept des Planfeststellungsbeschlusses gebilligt, wonach mit einem Wechsel der Tiere in die Naturwaldzellen und die ausgebrachten Fledermauskästen rechtzeitig vor dem jeweiligen Rodungsbeginn zu rechnen sei.

28An diese tatsächlichen Feststellungen und Wertungen der Vorinstanz ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Begründete Verfahrensrügen liegen nicht vor.

29Die Rüge des Klägers, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Ausführungen, wonach ein Verschluss von Spaltenquartieren der Fledermäuse, die zudem nicht auffindbar und nicht einsehbar seien, unmöglich sei, nicht zur Kenntnis genommen, greift nicht durch. Die Gehörsrüge bietet nicht die Handhabe, über die Feststellung von Verfahrensfehlern hinaus die Sachwürdigung des Tatsachengerichts durch eine eigene Sachwürdigung des Revisionsgerichts zu ersetzen. Eine Gehörsrüge hat nicht bereits dann Erfolg, wenn das Gericht in den Gründen seiner Entscheidung nicht auf sämtliche Umstände eingeht, die sich aus den Akten ergeben und die für die jeweils behandelte Frage von Bedeutung sein können. Das Gericht ist aber verpflichtet, in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für seine Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Es ist dagegen nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Eine Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt (stRspr, vgl. - BVerfGE 96, 205 <216 f.>). Dies ist hier nicht der Fall.

30Vielmehr ist das Berufungsgericht - wie dargelegt - ausdrücklich auf den Vortrag des Klägers zu den Spaltenquartieren, im Hinblick auf das Braune Langohr und die Mückenfledermaus, eingegangen. Zusammengefasst hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorbringen des Klägers dahin gewürdigt, er habe nicht substantiiert darlegen können, dass die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehene, abschnittsbezogen im Vorfeld möglicher Eingriffe durchzuführende Überprüfung und der Verschluss festgestellter Baumhöhlen nicht geeignet sei, Gefährdungen von höhlenbewohnenden Tieren zu vermeiden. Aus dem Kontext der angegriffenen Entscheidung ergibt sich, dass das Berufungsgericht hiermit sowohl Höhlen- als auch Spaltenquartiere in den Blick genommen hat. Aufgrund der Ausgangssituation der Betroffenheit von möglichen Quartierbäumen sind sämtliche Strukturen abgedeckt, die an oder in einem Baum vorkommen und eine Quartierseignung für Fledermäuse aufweisen können. Die Maßnahme zielt auf die Vermeidung der Gefahr einer Tötung von Tieren bei Rodung der Quartierbäume ab und ist daraufhin konzipiert (vgl. 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 138). Dass Spaltenquartiere nicht kontrolliert und verschlossen werden können, um eine Wiederbesiedelung vor der Rodung zu vermeiden, ist nicht ersichtlich.

31Die Rüge des Klägers, dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss sei entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht zugrunde gelegt worden, dass mit einer Wochenstubenkolonie der Mückenfledermaus im Bereich der Südosterweiterung gerechnet werden müsse, ist zutreffend. In den Planunterlagen wird lediglich davon ausgegangen, dass potentielle Quartiere dieser Fledermausart in den Altholzbeständen bei der Rodung verloren gehen. Diese aktenwidrige Feststellung ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Die Vorinstanz hat eine weitere Aufklärung in diesem Punkt auch deshalb abgelehnt, weil vor jedem Rodungsabschnitt ohnehin eine aktuelle Bestandserfassung der Individuen zu erfolgen hat.

32bb) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die im Planfeststellungsbeschluss angeordneten CEF-Maßnahmen sowie die Baufeldfreimachung außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten seien auch geeignet, das Störungsverbot gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG weitgehend zu vermeiden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

33Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten, zu denen sämtliche hier betroffene Fledermausarten gehören, u. a. während der Fortpflanzungs-, Aufzucht- und Überwinterungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Die in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG zum Ausdruck kommende populationsbezogene Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle steht mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL 2013/17/EU des Rates vom (ABl. L 158 S. 193) - FFH-RL -, in Einklang, der einen art- bzw. populationsbezogenen Schutzansatz verfolgt. In Art. 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-RL ist anders als in Buchst. a und c im Hinblick auf das Störungsverbot nicht die Rede von "Exemplaren" oder "Eiern", sondern von Störung "dieser Arten". Nicht zuletzt darin wird die Rechtfertigung für die populationsbezogene Regelung in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG gesehen (stRspr, vgl. nur 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 BNatSchG 2010 Nr. 8 Rn. 62 m. w. N.). Dieser Populationsbezug ist auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom - C-473/19 u. a. [ECLI:EU:C:2021:166], Föreningen Skydda Skogen - aufrecht zu erhalten. Darin hält der Europäische Gerichtshof zwar fest, dass Art. 12 Abs. 1 Buchst. a bis c FFH-RL einer Regelung entgegensteht, die die Anwendung der Verbotstatbestände vom Erhaltungszustand "der betroffenen Arten" abhängig macht ( u. a. - Rn. 78). Dies lässt aber nicht den Schluss zu, dass die in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG tatbestandlich vorausgesetzten negativen Auswirkungen der Störungshandlung auf die lokale Population nicht mit der FFH-Richtlinie vereinbar wären (so auch Fellenberg, NVwZ 2021, 943 <945>; Lau, NuR 2021, 462; a. A. Gellermann/Schumacher, NuR 2021, 182 <184>). Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist zu einer schwedischen Regelung ergangen, die den Störungstatbestand nur dann als verwirklicht angesehen hat, wenn er sich negativ auf den Erhaltungszustand der betroffenen Art in ganz Schweden auswirkt (vgl. Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom - C-473/19 u. a. [ECLI:EU:C:2020:699], Föreningen Skydda Skogen - Rn. 112). Auch die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs beziehen sich ohne räumliche Einschränkungen auf den Erhaltungszustand der Art und damit auf das europäische Gebiet der Mitgliedstaaten insgesamt (Art. 2 Abs. 2 FFH-RL). Die Regelung in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG knüpft demgegenüber an eine räumlich-funktional deutlich niedrigere Ebene an, deren Bestimmung je nach Art weiter oder enger sein kann (vgl. Fellenberg, NVwZ 2021, 943 <945>). Damit folgt die Regelung des Störungstatbestandes dem Ansatz der Europäischen Kommission in ihrem aktuellen Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie vom . Danach liegt eine absichtliche Störung im Sinne des Verbotstatbestandes nur vor, wenn sie "eine Art absichtlich in dem Maße stört, dass sie deren Überlebenschancen, Fortpflanzungserfolg oder Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen könnte oder zu einer Verkleinerung des Siedlungsgebiets oder zu einer Umsiedlung oder Vertreibung der Art führt". Der Leitfaden erwähnt dabei beispielhaft Auswirkungen auf einzelne Exemplare einer Art, die negative Auswirkungen auf die lokale Population haben. Dieser an das Individuum anknüpfende, aber nicht allein auf das Individuum abstellende Ansatz kann sich auf den Wortlaut der Richtlinie stützen und ist nach deren Sinn und Zweck sowie Systematik geboten.

34Der Europäische Gerichtshof differenziert in seinem Urteil vom ausdrücklich zwischen dem Wortlaut der Tatbestände des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und c FFH-RL einerseits, die auf die "Exemplare" einer Art abstellen, und dem des Störungstatbestandes des Art. 12 Abs. 2 Buchst. b FFH-RL, der diesen Zusatz nicht enthält. Hiervon ausgehend führt er aus, der Wortlaut des Störungsverbots schließe es nicht aus, dass im Einzelfall auch Maßnahmen erfasst würden, die kein Risiko für den Erhaltungszustand einer Art enthielten. Mit dieser wiederum auf den Erhaltungszustand der Art im europäischen Verbreitungsgebiet abstellenden Formulierung stellt der Gerichtshof klar, dass auch populationsbezogene Störungen unterhalb der europäischen oder mitgliedstaatlichen Ebene vom Tatbestand des Art. 12 Abs. 2 Buchst. b FFH-RL erfasst sein können. Dem trägt die Bezugnahme auf die lokale Population in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG Rechnung. Nur ein solches Normverständnis wird auch dem Sinn und Zweck des Störungsverbots gerecht, der - wie die Erwähnung der besonders störungsempfindlichen Zeiten (Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten) verdeutlicht - insbesondere darin besteht, diejenigen Einwirkungen auf einzelne Exemplare einer Art zu erfassen, die sich negativ auf den Reproduktionserfolg und damit auf die Erhaltung der Art auswirken können (vgl. auch Fellenberg, NVwZ 2021, 943 <945 f.>). Belästigungen und geringfügige Störungen, die keine Auswirkungen von diesem Gewicht haben, werden daher schon tatbestandlich nicht erfasst. Auch systematische Gründe sprechen gegen ein allein auf die Störung eines einzelnen Exemplars abstellendes Verständnis. Wäre der Tatbestand des Störungsverbots ohne Rücksicht auf die lokalen populationsbezogenen Auswirkungen erfüllt, könnten Vorhaben jeglicher Art stets und ausschließlich nur noch im Wege einer Ausnahme nach Art. 16 FFH-RL zugelassen werden. Damit würden diese nach dem artenschutzrechtlichen Regelungsgefüge als Ausnahme konzipierten Vorschriften zum Regelfall. Ihren strengen Voraussetzungen würde eine Steuerungsfunktion zugewiesen, für die sie nach der Gesetzessystematik nicht gedacht sind und die sie nicht sachangemessen erfüllen können (vgl. 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91 zum Tötungsverbot). Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Richtlinienvorschriften selbst bedarf es der vom Kläger angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht.

35Soweit der Kläger rügt, die Vorinstanz gelange ganz allgemein - ohne Bezug zu einer bestimmten Fledermausart - zu diesem Ergebnis, trifft dies im Hinblick auf das Braune Langohr nicht zu. Das Berufungsgericht führt insoweit aus, für das Braune Langohr könne nicht festgestellt werden, dass die lokale Population in schwere Bedrängnis gebracht werde und ihr Fortbestand ungewiss sei. Auf andere im Vorhabenbereich siedelnde Fledermausarten musste der Verwaltungsgerichtshof daneben nicht noch ausdrücklich eingehen. Denn eine "Gildenbildung" ist zulässig, wenn auch für die anderen Fledermausarten vergleichbare Lebensbedingungen bestehen. Auch nach dem Vortrag des Klägers handelt es sich bei dem Braunen Langohr - neben der Mücken- und Zwergfledermaus - um die kleinste und mithin wohl empfindlichste Fledermausart im Vorhabengebiet. Liegt für das Braune Langohr kein Verstoß gegen das Störungsverbot vor, gilt dies angesichts derselben Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen auch für die anderen Fledermausarten.

36cc) Der Verwaltungsgerichtshof hat auch den artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewendet.

37§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verbietet es, Fortpflanzungs- und Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.

38Erfolgt der Zugriff - wie hier - im Zuge eines nach § 15 BNatSchG zulässigen Eingriffs in Natur und Landschaft, so scheidet ein Verstoß gegen das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen auch gegen das Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG aus, soweit die ökologische Funktion der von dem Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird (§ 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG). Um dies zu gewährleisten, können nach § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden. Im Anwendungsbereich des § 44 Abs. 5 Satz 1 BNatSchG hat die Verbotsprüfung demnach zweistufig zu erfolgen: Auf der ersten Stufe stellt sich die Frage, ob auf eine geschützte Lebensstätte mit einer der genannten Tathandlungen eingewirkt wird. Trifft dies zu, so sind auf der zweiten Stufe die Konsequenzen in den Blick zu nehmen, die damit für die von der betroffenen Lebensstätte für die sie nutzenden Tiere erfüllte Funktion verbunden sind (vgl. 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 65).

39Diesen Maßstab hat der Verwaltungsgerichtshof seiner Würdigung zugrunde gelegt, dass die Einschätzung im Planfeststellungsbeschluss, wonach durch die Ausweisung von Naturwaldzellen für den Quartiersverlust und die Aufhängung von zwei Fledermauskästen für den Verlust eines Höhlenbaums die ökologische Funktion der von der abschnittsweisen Rodung im Zuge des erweiterten Tagebaus betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang erfüllt bleibe, nicht zu beanstanden sei.

40Entgegen der Auffassung des Klägers steht die funktionsbezogene Regelung des § 44 Abs. 5 Satz 2 und 3 BNatSchG (§ 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 BNatSchG n. F.) mit Gemeinschaftsrecht in Einklang. Die Anwendung des § 44 Abs. 5 Satz 2 und 3 BNatSchG ist mit Art. 12 und 16 FFH-RL vereinbar, weil es bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen nicht zu einer Zerstörung oder Beschädigung von Ruhestätten im unionsrechtlichen Sinne kommt. Mit Urteil vom - 9 A 39.07 - (BVerwGE 133, 239 Rn. 69 f.) hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass bei einer den Sinn und Zweck der FFH-Richtlinie beachtenden, von der Europäischen Kommission ausdrücklich empfohlenen Auslegung die Gesamtheit mehrerer im Dienst einer Funktion stehenden Plätze, sofern diese im räumlichen Zusammenhang einen Verbund bilden, die durch Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL geschützte Lebensstätte darstellt. Dieses Verständnis ist dem Umstand geschuldet, dass es sich bei der Abgrenzung der Lebensstätte im konkreten Fall um eine in erster Linie naturschutzfachliche Frage handelt, die je nach den Verhaltensweisen der verschiedenen Arten unterschiedlich beantwortet werden kann. Zwar legt § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG einen engeren Lebensstättenbegriff zugrunde, der nicht den Verbund, sondern dessen einzelne Bestandteile als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte begreift. Durch die tatbestandliche Ergänzung in § 44 Abs. 5 Satz 2 und 3 BNatSchG, der auf den Erhalt der Funktion abstellt, wird aber für "Verbundfälle" die Kongruenz mit der unionsrechtlichen Regelung hergestellt. Unionsrechtliche Richtlinien lassen dem nationalen Gesetzgeber Spielräume für die Umsetzung; diese sind gewahrt, wenn - wie in den "Verbundfällen" - der unionsrechtlich verbürgte Schutzstandard durch die mitgliedstaatliche Regelung gesichert wird (vgl. 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 140).

41Dass eine funktionale Betrachtung, die den räumlichen Zusammenhang einbezieht, dem Verständnis des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL entspricht, zeigt auch die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Danach müsse das in Art. 12 FFH-RL vorgesehene Schutzsystem geeignet sein, insbesondere Eingriffe in den Lebensraum der geschützten Tierarten tatsächlich zu verhindern. Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL sei dahin auszulegen, dass unter dem Begriff "Ruhestätten" im Sinne dieser Bestimmung auch Ruhestätten zu verstehen seien, die nicht mehr von einer der in Anhang IVa der FFH-Richtlinie genannten geschützten Tierarten beansprucht würden, sofern eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass diese Art an diese Ruhestätten zurückkehre ( [ECLI:EU:C:2020:517], IE - Rn. 33 ff.; vgl. bereits 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 66).

42Nach allem bedarf es auch insoweit der vom Kläger angeregten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht.

43d) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, das Artenschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses sei hinsichtlich der Vogelarten Baumpieper und Waldlaubsänger nicht rechtsfehlerhaft, ist revisionsgerichtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht legt auch insoweit die zutreffenden rechtlichen Maßstäbe zugrunde. Die Feststellungen der Vorinstanz zu den Vogelarten werden vom Kläger nicht angegriffen.

44C. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Planfeststellungsbeschluss leide an einem Verfahrensfehler, weil in dem zugrunde gelegten hydrogeologischen Gutachten vom , das Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung war, weder der Ist-Zustand des gesamten betroffenen Grundwasserkörpers noch die Auswirkungen des Vorhabens auf diesen dargestellt gewesen seien, steht zwar nicht in Einklang mit Bundesrecht. Die Entscheidung selbst, die von der Unbeachtlichkeit des von ihr angenommenen Verfahrensfehlers ausgeht, stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO).

451. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziffer i und Buchst. b Ziffer i der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1) - Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) -, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2014/101/EU der Kommission vom (ABl. L 311 S. 32), enthält zwar nicht nur zwingende Vorgaben des materiellen Rechts, die bei der Zulassung eines Projekts - auch im Rahmen der Planfeststellung eines Gewässerausbaus nach § 68 Abs. 1 WHG strikt beachtet werden müssen (vgl. [ECLI:EU:C:2015:433], Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - Rn. 50 f. und vom - C-535/18 [ECLI:EU:C:2020:391], Land Nordrhein-Westfalen - Rn. 72; 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 160 und vom - 9 A 5.20 - BVerwGE 170, 378 Rn. 34 f.), sondern darüber hinaus auch Vorgaben für das behördliche Zulassungsverfahren ( 9 A 8.20 - Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 80 Rn. 22). Danach sind die zuständigen Behörden verpflichtet, im Laufe des Genehmigungsverfahrens, und somit vor dem Erlass einer Entscheidung zu prüfen, ob das Projekt negative Auswirkungen auf die Gewässer haben kann, die den Pflichten zuwiderliefen, die Verschlechterung des Zustands der Oberflächen- und Grundwasserkörper zu verhindern und diesen Zustand zu verbessern. Die diesbezüglichen Angaben hat der Vorhabenträger der Planfeststellungsbehörde vorzulegen; sie müssen so beschaffen sein, dass die Auswirkungen des Projekts auf die Gewässer anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 WRRL vorgesehenen Kriterien und Pflichten geprüft werden können. Die Informationen sind sodann der betroffenen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

46Wie die Zugänglichmachung der Informationen gegenüber der Öffentlichkeit zu erfolgen hat, hat der Europäische Gerichtshof jedoch nicht Art. 4 WRRL entnommen, sondern ausschließlich der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26 S. 1) - UVP-RL -. Er leitet die vom Projektträger aufgrund der in Anwendung der Wasserrahmenrichtlinie vorzunehmenden Prüfung der Genehmigungsbehörde in jedem Fall vorzulegenden Informationen aus Art. 3 Buchst. b und Art. 5 Abs. 3 Buchst. b und c UVP-RL und nicht aus dem verfahrensrechtlichen Gehalt des Art. 4 WRRL ab. Auch die Anforderungen, in welchem zeitlichen Rahmen und in welcher Art und Weise die nach Art. 3 und 5 UVP-RL vorzulegenden Informationen der betroffenen Öffentlichkeit zum Zweck der Anhörung vor der Genehmigung eines Projekts zugänglich gemacht werden müssen, entnimmt der Europäische Gerichtshof nicht der Wasserrahmenrichtlinie, sondern aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 3 UVP-RL. Der verfahrensrechtliche Gehalt des Verschlechterungsverbots der Wasserrahmenrichtlinie erschöpft sich nach der Entscheidung ersichtlich in der Verpflichtung der zuständigen Behörde, im Laufe des Projektgenehmigungsverfahrens und damit vor dem Erlass einer Entscheidung zu prüfen, ob das Projekt negative Auswirkungen auf das Gewässer haben kann, die den Pflichten zuwiderliefen, die Verschlechterung des Zustands der Oberflächen- und Grundwasserkörper zu verhindern und diesen Zustand zu verbessern (, Land Nordrhein-Westfalen - Rn. 76). Nichts anderes ergibt sich aus Randnummer 86 des genannten Urteils. Der Europäische Gerichtshof stellt insoweit lediglich klar, dass die Öffentlichkeit aus den ihr zugänglich zu machenden Aktenstücken einen genauen Überblick über die Auswirkungen des fraglichen Projekts auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper erlangen können muss, um die Einhaltung der sich aus Art. 4 WRRL folgenden Pflichten prüfen zu können. Damit betont der Europäische Gerichtshof den Zweck der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit, ohne hieraus Anforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung selbst zu entwickeln. Dies verdeutlicht die unmittelbar folgende Randnummer, in der die Anforderungen an die Vollständigkeit der Akten erneut ausschließlich aus Art. 6 UVP-RL abgeleitet werden (vgl. 7 B 16.21 - juris Rn. 9).

472. Diese Vorgaben wurden im Planfeststellungsverfahren beachtet.

48a) Die Öffentlichkeit konnte aus dem ihr im Planfeststellungsverfahren vorgelegten hydrogeologischen Gutachten einen hinreichend genauen Überblick über die Auswirkungen des Tagebauvorhabens der Beigeladenen auf den Zustand des betroffenen Grundwasserkörpers erlangen, um die Einhaltung der aus Art. 4 WRRL folgenden Pflichten prüfen zu können. Dies folgt aus dem vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Inhalt dieses Gutachtens. Es enthält Angaben zur hydrochemischen Ist-Situation, zum Grundwasserleiter und zu dem mengenmäßigen Zustand und den Auswirkungen des Tagebaus im Vorhabengebiet. Zudem zeigt der Kläger nicht auf, inwieweit eine Darstellung des Ist-Zustands des gesamten Grundwasserkörpers und der Auswirkungen des Vorhabens auf den gesamten Grundwasserkörper zu weiteren Einwänden in einer Öffentlichkeitsbeteiligung hätten führen können.

49b) Den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 4 WRRL ist nicht zu entnehmen, dass der gutachterliche Fachbeitrag selbst Angaben zum betroffenen Grundwasserkörper enthalten muss. Es reicht vielmehr aus, dass das Gutachten die Behörde in die Lage versetzt, eine Auswirkungsprognose vorzunehmen. Das war hier der Fall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur - nach seiner Auffassung - Unbeachtlichkeit des von ihm angenommenen Verfahrensfehlers hat der Beklagte vor der Zulassung des Rahmenbetriebsplanes geprüft, ob die Nassauskiesung negative Auswirkungen auf den betroffenen Grundwasserkörper 2398_3101 hat. Den chemischen und mengenmäßigen Ist-Zustand des betroffenen Grundwasserkörpers habe die Behörde, so das Berufungsgericht, ohne weiteres den öffentlich zugänglichen Angaben im Bewirtschaftungsplan Hessen 2009 (vgl. § 83 WHG) entnehmen und ihrer Prüfung zugrunde legen können. Aus dem Bewirtschaftungsplan Hessen 2009 ergebe sich ein guter chemischer Zustand des Grundwasserkörpers im Vorhabengebiet, ein schlechter chemischer Zustand sowie ein guter mengenmäßiger Zustand des gesamten Grundwasserkörpers. Hiervon ausgehend habe der Beklagte auf der Grundlage des hydrogeologischen Gutachtens die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens auf den betroffenen Grundwasserkörper prüfen können.

50Bei der Prüfung des von dem Vorhaben betroffenen Grundwasserkörpers bedürfen die vorhabenbedingten Auswirkungen auf den chemischen Zustand des Grundwassers einer messstellenbezogenen Betrachtung; eine allein auf den Grundwasserkörper insgesamt abstellende Beurteilung entspricht gerade nicht den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie (vgl. , Land Nordrhein-Westfalen - Rn. 119; 9 A 5.20 - BVerwGE 170, 378 Rn. 38 und vom - 9 A 8.20 - Buchholz 451.91 Europ.UmweltR Nr. 80 Rn. 25). Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die gutachterliche Untersuchung der hydrochemischen Ist-Situation sei mit im Vorhabengebiet vorhandenen Messstellen erfolgt und erschließe den Grundwasserleiter, der durch die geplante Abgrabung unmittelbar tangiert werde. Das Grundwassermodell für den Einwirkungsbereich des Vorhabens sei damit zutreffend ermittelt worden. Sämtliche gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Parameter seien eingehalten worden.

51Im Hinblick auf den mengenmäßigen Zustand ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs in dem hydrogeologischen Gutachten eine prognostische Abschätzung der Auswirkungen des Tagebaus im Vorhabengebiet vorgenommen worden. Danach seien die Auswirkungen auf das Grundwasserdargebot gering, weil das Volumen der durch die Auskiesung zu entfernenden Feststoffe durch das zuströmende Grundwasser ausgeglichen werde.

52Die Wertung des Berufungsgerichts, dass das vorliegende Gutachten die Planfeststellungsbehörde in den Stand versetzt hat, eine Auswirkungsprognose im Hinblick auf den Zustand des gesamten betroffenen Grundwasserkörpers zu treffen und eine Betrachtung bezogen auf den gesamten Grundwasserkörper zu keinem anderen Ergebnis geführt haben könnte, ist auf der Grundlage der den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen nicht zu beanstanden. Allein durch die Einbeziehung weiterer, in größerer Entfernung liegender Bereiche - namentlich des gesamten Grundwasserkörpers - können sich keine zusätzlichen Hinweise auf eine schädliche Veränderung des chemischen und mengenmäßigen Zustands durch die Nassauskiesung in der Südosterweiterung ergeben. Wenn bei einem - wie hier - unmittelbaren Eingriff in den Grundwasserkörper im Vorhabengebiet keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind, gilt dies denklogisch erst recht für weiter entfernte Bereiche.

53Die Ausführungen des Klägers, wonach der nach seiner Auffassung vorliegende Verfahrensfehler zur Aufhebung oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen müsse, sind nach allem nicht entscheidungserheblich.

54D. Soweit der Kläger rügt, das angefochtene Urteil verstoße im Hinblick auf die Annahme, dass die Aufhebung der Bannwalderklärung im Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig war, gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3 VwGO, hat die Revision ebenfalls keinen Erfolg. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt schon deshalb nicht vor, weil die abweichende Entscheidungspraxis des 4. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, auf die sich der Kläger beruft, nicht besteht. Für den Fall, dass die Rodung nur eine vorübergehende Nutzung darstellt, sehen sowohl der 2. als auch der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs eine Aufhebung der Bannwalderklärung als entbehrlich an (vgl. 7 B 43.15 - ZfB 2016, 205 Rn. 8; - NuR 2015, 781 <782 f.> und Beschluss vom - 4 C 2108/15.N - NuR 2021, 344 <351>). Für den hier nach der Feststellung des Berufungsgerichts vorliegenden Fall, dass die Bannwaldaufhebung nicht nur diejenigen Flächen betrifft, die nach der Rekultivierungsplanung wieder aufgeforstet werden sollen, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom - 4 C 2108/15.N - nicht abweichend entschieden.

55Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:061022U7C4.21.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-34265