Strafbare Marktmanipulation im Altfall: Umfang des Verfalls von Wertersatz bei Aktienverkauf
Gesetze: § 73 Abs 1 S 1 StGB vom , § 38 Abs 2 Nr 1 WpHG vom , § 39 Abs 1 Nr 1 WpHG vom , § 39 Abs 1 Nr 2 WpHG vom , § 20a Abs 1 S 1 Nr 2 WpHG vom , § 20a Abs 1 S 1 Nr 3 WpHG vom , § 24 Abs 1 BörsG, § 4 Abs 3 Nr 2 MaKonV vom
Instanzenzug: LG Kleve Az: 118 KLs 1/16
Gründe
I.
1Das Landgericht hat den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen Marktmanipulation in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 3.500.000 € angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom (3 StR 142/15) das Urteil im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision hat er verworfen.
2Nunmehr hat das Landgericht gegen den Angeklagten Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.900.000 € in gesamtschuldnerischer Haftung mit dem "anderweitig Verfolgten Sa. , geboren am in /Türkei" angeordnet. Des Weiteren hat die Strafkammer festgestellt, dass das Verfahren für die Dauer von insgesamt vier Jahren und vier Monaten rechtsstaatswidrig verzögert worden ist. Die dagegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
II.
3Die Revision ist teilweise begründet.
41. Nach den im ersten Rechtsgang getroffenen, bindenden Feststellungen bewarb der Angeklagte in der Zeit von Dezember 2006 bis Juni 2008 zusammen mit dem rechtskräftig Verurteilten Sa. die im Freiverkehr unter anderem der Frankfurter Börse gehandelten Aktien von drei Gesellschaften in der Absicht, Kurssteigerungen hervorzurufen, um bei einem späteren Verkauf möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Ein ausreichender Hinweis darauf, dass die Werbenden selbst Aktien an den jeweiligen Unternehmen hielten, wurde nicht erteilt. Die dem Angeklagten und dem anderweitig Verfolgten von den Unternehmensinhabern als Gegenleistung unter anderem für die Werbetätigkeit übertragenen Aktien brachten diese auf Schweizer Konten verschiedener, durch den anderweitig Verfolgten gegründeter bzw. erworbener Offshore-Firmen ein. Die Anpreisung der Aktien wirkte sich in einem erhöhten Handelsvolumen und damit einhergehend einem Anstieg der Börsenkurse aus. Dies nutzte der anderweitig Verfolgte und veräußerte die auf den Konten der Offshore-Firmen "geparkten" Aktien. Durch die Verkäufe wurden insgesamt 24 Millionen Euro erlöst. Die Strafkammer hat den Angeklagten deshalb wegen drei Fällen der informationsgestützten Marktmanipulation nach § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 2, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG, § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV jeweils in der zur Tatzeit geltenden Fassung (im Folgenden: aF) verurteilt.
5Nach den ergänzenden vom Landgericht im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen war der Angeklagte hinsichtlich zweier der genannten Konten alleinverfügungsbefugt, wirtschaftlich Berechtigter war der rechtskräftig Verurteilte. 2.152.000 und weitere 929.000 Aktien der S. AG wurden ab dem bzw. , 1.700.000 Aktien der M. AG ab dem auf den beiden Konten verwahrt, über die der Angeklagte alleine verfügen konnte. Die Aktien der S. AG hatten am - mithin zu Beginn des Tatzeitraums - als ersten festgelegten Börsenkurs einen Preis von 1,25 €, die Aktien der M. AG einen solchen von 2,01 €. 2.152.000 Aktien der S. AG wurden in der Zeit vom bis in verschiedenen Tranchen verkauft. Dabei wurden insgesamt Kursgewinne in Höhe von 923.131,60 € erzielt. Weitere 744.000 Aktien der S. AG wurden am mit einem Kursgewinn von 401.090,40 € veräußert. Verkäufe von insgesamt 930.000 Aktien der M. AG in der Zeit von bis erbrachten Kursgewinne in Höhe von 124.770,01 €.
6Bei der Bestimmung des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF hat das Landgericht über die genannten Kursgewinne hinaus auch die Differenz zwischen dem jeweils festgelegten ersten Börsenkurs und dem tatsächlichen Wert der Aktien in Ansatz gebracht. Es hat deshalb angenommen, der Angeklagte habe durch die verfahrensgegenständlichen Taten 4.560.292 € erlangt. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten hat das Landgericht in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise den Wertersatzverfall auf 2.900.000 € begrenzt (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aF).
72. Der Ausspruch über die Anordnung des Verfalls von Wertersatz hält in Höhe von 1.451.008 € rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Bemessung des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF erweist sich als rechtsfehlerhaft.
8Zu Recht hat das Landgericht die Bestimmungen zum Abschöpfungsrecht des Strafgesetzbuchs in der Fassung bis zum angewendet, nachdem die erstinstanzliche Entscheidung im ersten Rechtsgang vor dem ergangen war (Art. 316h Sätze 1 und 2 EGStGB; vgl. , juris Rn. 4).
9Im Ansatz zutreffend ist die Strafkammer auch davon ausgegangen, dass bei einer - wie vorliegend - informationsgestützten Marktmanipulation nach § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 2, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG, § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV aF hinsichtlich des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF nicht auf den Verkaufserlös abzustellen ist. Denn der Verkauf der Aktien ist - anders als bei der handelsgestützten Marktmanipulation nach § 38 Abs. 2 Nr. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF - nicht Teil der Tatbestandsverwirklichung. Maßgeblich für die Bestimmung des Erlangten ist vielmehr ausschließlich die infolge der strafbaren Einwirkung auf den Aktienpreis eingetretene Wertsteigerung der gehaltenen Aktien. Dabei kann die Höhe der Wertsteigerung und damit des Einziehungsumfangs regelmäßig nach dem Veräußerungsgewinn bestimmt werden (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 423/20, NJW 2021, 1829 Rn. 3; vom - 5 StR 229/19, NJW 2021, 1252 Rn. 5; vom - 3 StR 142/15, BGHR StGB § 73 Erlangtes 20 Rn. 33 jeweils mwN).
10Zur Berechnung der Wertsteigerung hat die Strafkammer indes nicht auf den ersten festgelegten Börsenkurs im Sinne des § 24 Abs. 1 BörsG, der auch dem Aktienpreis zu Beginn der Tathandlungen entsprach, sondern eine nach sachverständiger Beratung selbst ermittelte Größe abgestellt, weil die Festlegung des ersten Börsenkurses willkürlich und nicht anhand des Unternehmenswertes erfolgt sei. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft, da Vorteile aus einem gegebenenfalls willkürlich oder täuschungsbedingt festgelegten ersten Börsenkurs nicht ursächlich auf die verfahrensgegenständlichen Manipulationshandlungen zurückzuführen sind und es daher an einem Kausalzusammenhang mit der rechtswidrigen Tat fehlt (vgl. , BGHSt 59, 80 Rn. 18 ff.; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 423/20, NJW 2021, 1829 Rn. 3; vom - 5 StR 229/19, NJW 2021, 1252 Rn. 5; vom - 3 StR 142/15, BGHR StGB § 73 Erlangtes 20 Rn. 33 jeweils mwN). Soweit die Strafkammer ergänzend erwogen hat, erlangt sei der gesamte Verkaufserlös der Aktien, weil (überdies) eine handelsgestützte Marktmanipulation vorliege, da sich auch die Aktienverkäufe des Angeklagten und rechtskräftig Verurteilten auf den Börsenkurs ausgewirkt hätten, hat sie nicht bedacht, dass die Verurteilung des Angeklagten im ersten Rechtsgang ausschließlich wegen informationsgestützter Marktmanipulation nach § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 2, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG, § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV aF in Rechtskraft erwachsen war und die Feststellungen die Annahme einer handelsgestützten Marktmanipulation gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 1, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aF nicht tragen.
11Im Übrigen erweist sich die Anordnung des Wertersatzverfalls als rechtsfehlerfrei.
12Der Senat ändert die Höhe des Wertersatzverfalls in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst ab.
133. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts des nicht unerheblichen Teilerfolgs der Revisionen wäre es unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels und den gesamten ihm im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen eigenen Auslagen zu belasten.
14Bei der Frage, ob ein Teilerfolg dazu führt, die Rechtsmittelkosten ganz oder zum Teil der Staatskasse aufzuerlegen, kommt es im Wesentlichen auf das Maß des erreichten Erfolgs sowie darauf an, ob der Angeklagte die angefochtene Entscheidung hingenommen hätte, wenn sie entsprechend der neuen Entscheidung gelautet hätte (, juris Rn. 22 ff. mwN). Im zweiten Rechtsgang ist ausschließlich Wertersatzverfall gegen den Angeklagten angeordnet worden. Allein hiergegen richtet sich demnach seine Revision, die insoweit Erfolg hat, als der durch das Landgericht festgesetzte Wertersatzverfall um circa die Hälfte zu reduzieren ist. Es entspricht daher der Billigkeit, die Rechtsmittelkosten in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. , juris Rn. 23 f.).
15Eine Änderung der Kostengrundentscheidung des erstinstanzlichen Urteils wegen der Reduktion der Einziehungsbeträge in entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO (vgl. , juris Rn. 25 mwN) ist jedenfalls unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht veranlasst. Dies gilt auch für das durch die Strafkammer eingeholte Sachverständigengutachten, denn der Sachverständige ist auch zu den verfahrensrelevanten Kurswerten der Aktien an den jeweiligen Handelstagen gehört worden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:290622B3STR130.22.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-33997