BGH Beschluss v. - VII ZR 278/20

Instanzenzug: Az: 12 U 91/20vorgehend Az: 3 O 387/19

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

2Der Kläger erwarb am einen von der Beklagten hergestellten Pkw VW Golf als Neuwagen zum Preis von 24.654,27 €. Das Fahrzeug ist mit einem ebenfalls von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die das Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verpflichtete die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten Software und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das der Kläger auf sein Fahrzeug aufspielen ließ.

3Mit der im Jahr 2019 erhobenen Klage hat der Kläger erstinstanzlich beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Schadensersatz zu leisten "für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Golf [...] resultieren". Zudem hat er Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.195,95 € begehrt. Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Beklagte Schäden "aus der Manipulation (Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung zur Reduktion des NOx-Emissionswertes in den Motor, Typ EA 189) des Fahrzeugs VW Golf [...]" zu ersetzen habe, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

4Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte ergänzend verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € freizustellen. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung aus den Vorinstanzen weiter. Der Kläger hat mit der Revisionserwiderung durch seinen Prozessbevollmächtigten erklären lassen, dass sich sein Feststellungsantrag allein auf den sogenannten großen Schadensersatz beziehe.

II.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

6Die Feststellungsklage sei zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse des Klägers an der Feststellung des Schadensersatzanspruchs sei gegeben. Der Kläger habe eingehend, substantiiert und teilweise unter Verweis auf außergerichtlich erstattete Gutachten dargelegt, dass seit dem Software-Update, das ein Thermofenster enthalte, ein erhöhter Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß vorliege und er befürchte, dass Steuernachforderungen und die behördliche Stilllegung des Fahrzeugs drohen könnten. Auch dies wären, so das Berufungsgericht, Folgen der sittenwidrigen und vorsätzlichen Herbeiführung des "ungewollten" Kaufvertragsschlusses. Im Hinblick auf eine drohende Verjährung könne dem Kläger die Feststellungsklage nicht verwehrt werden. Zudem habe er sich noch nicht für eine bestimmte Form der Schadensabwicklung entschieden.

7Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 826, 31 BGB zu, da die Beklagte den Motor EA 189 bewusst mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet habe. Neben der Erstattung des Kaufpreises abzüglich erlangter Vorteile Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs könne der Kläger weitere Schäden geltend machen, soweit diese durch den unzulässigen Einbau der Abschalteinrichtung bedingt seien. Aus § 826 BGB ergebe sich auch ein Anspruch des Klägers auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 €. Der Kläger habe ausreichend zur Beauftragung und Tätigkeit seiner Vertreter vorgetragen, wobei die maßgeblichen Tat-sachen unstreitig seien. Erstattungsfähig sei eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus einem Gegenstandswert von bis 10.000 € zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer.

8Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Eine positive Kenntnis des Klägers bereits im Jahr 2015 sei nicht festzustellen. Es begründe auch keine grobe Fahrlässigkeit, wenn der Besitzer eines Fahrzeugs der Beklagten im Jahr 2015 - ohne von der Beklagten informiert worden zu sein - noch keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht habe, die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs vom sogenannten Dieselskandal auf der Internetplattform der Beklagten festzustellen. Das Bestehen von Schadensersatzansprüchen habe sich dem Kläger zu diesem Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung der Medienberichterstattung nicht aufdrängen müssen. Die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB habe damit frühestens am begonnen und sei durch die Klageerhebung rechtzeitig gehemmt worden.

III.

9Die Revision ist durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht (mehr) vorliegen und sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

101. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der revisionsgerichtlichen Entscheidung ( Rn. 3 m.w.N., juris).

11Die Voraussetzungen der Haftung eines Kraftfahrzeugherstellers gemäß § 826 BGB und der Verjährung entsprechender Schadensersatzansprüche des Fahrzeugerwerbers sind höchstrichterlich geklärt ( Rn. 14 ff., VersR 2022, 899; Urteil vom - VI ZR 739/20, NJW 2021, 918; Urteil vom - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316). Gleiches gilt für die abstrakten Voraussetzungen, unter denen ein Feststellungsinteresse des Erwerbers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO besteht ( Rn. 11 ff., juris; Urteil vom - VI ZR 136/20 Rn. 15 ff., NJW-RR 2022, 23). Ob die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann nicht Gegenstand einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof sein (vgl. VIa ZR 334/21 Rn. 13 m.w.N., juris). Weitere Zulassungsgründe zeigt die Revision nicht auf und liegen nicht vor.

122. Die Revision hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

13a) Die Feststellungsklage ist zulässig. Der Kläger hat, wie von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzt, ein Interesse an der begehrten Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten.

14aa) Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde. Ein solches Interesse ist gegeben, wenn dem konkreten vom Feststellungsantrag betroffenen Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und der erstrebte Feststellungsausspruch geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Allerdings fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Ist dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar und erschöpft sie das Rechtsschutzziel, fehlt ihm das Feststellungsinteresse, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem einzigen Prozess klären kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt ( Rn. 11, juris; Urteil vom - VI ZR 136/20 Rn. 15, WM 2021, 2208; jeweils m.w.N.). Wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen, ein Teil des Schadens bei Klageerhebung also schon entstanden, die Entstehung weiterer Schäden aber noch zu erwarten ist, kann der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren. Der Kläger kann in einem solchen Falle nicht hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens auf eine Leistungsklage verwiesen werden. Er ist also nicht gehalten, sein Klagebegehren in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag aufzuspalten. Der Kläger muss dann auch nicht nachträglich seinen Feststellungsantrag in einen Leistungsantrag abändern, wenn dies aufgrund der Schadensentwicklung im Laufe des Rechtsstreits möglich würde, weil sich der Anspruch beziffern ließe ( Rn. 11, juris; Urteil vom - VI ZR 136/20 Rn. 25 m.w.N., WM 2021, 2208).

15Ist ein (Teil-)Schaden - wie vorliegend in Form des "ungewollten" Vertragsschlusses - bereits entstanden, hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage grundsätzlich nicht von der Wahrscheinlichkeit des Eintritts weiterer Schäden ab. Vielmehr genügt insoweit die Möglichkeit eines künftigen weiteren Schadenseintritts. An dieser Möglichkeit fehlt es, wenn aus Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt weiterer Schäden wenigstens zu rechnen. Dann ist der Kläger wegen des bereits eingetretenen Schadens auf die vorrangige Leistungsklage beschränkt. Welche weiteren Schäden zu befürchten sind, hat der Kläger darzulegen (vgl. Rn. 12, juris; Urteil vom - VIa ZR 122/21 Rn. 15, WM 2022, 1077; Urteil vom - VI ZR 136/20 Rn. 28 m.w.N., WM 2021, 2208).

16bb) Der Zulässigkeit der Feststellungsklage stand in den Vorinstanzen noch der Umstand entgegen, dass sich der Kläger die Möglichkeit offenhalten wollte, von der Beklagten den sogenannten kleinen Schadensersatz zu verlangen. Diese Art des Schadensersatzes könnte er abschließend im Wege der Leistungsklage geltend machen, und das Interesse an einer späteren Wahl zwischen "großem" und "kleinem" Schadensersatz ist kein berechtigtes im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. Rn. 16 ff., 33, WM 2021, 2208). Dieses vom Berufungsgericht verkannte Hindernis ist indes durch die mit der Revisionserwiderung erfolgte Erklärung des Klägers, der Feststellungsantrag beziehe sich allein auf den "großen" Schadensersatz, entfallen (vgl. Rn. 16, juris; VII ZR 340/20 Rn. 14, juris; VII ZR 160/21 Rn. 14, juris). Die Erklärung ist prozessual beachtlich, da ihre Notwendigkeit dem Kläger ersichtlich erst in der Revisionsinstanz bewusst geworden ist und zuvor auch nicht bekannt sein musste (vgl. Rn. 26, GRUR 2021, 758; Urteil vom - I ZR 217/12 Rn. 26, BGHZ 201, 129; Urteil vom - V ZR 5/07 Rn. 10 f., BGHZ 173, 71; Urteil vom - VI ZR 79/80, NJW 1984, 1556, juris Rn. 18). Die insoweit maßgebende Entscheidung des - ist erst nach Erlass des Berufungsurteils ergangen.

17cc) Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich hinreichend aus der Möglichkeit eines künftigen weiteren Schadenseintritts.

18Das auf das Fahrzeug des Klägers aufgespielte, von der Beklagten zur Beseitigung der ursprünglichen Manipulationssoftware entwickelte Software-Update enthält ein sogenanntes Thermofenster. Dem Vortrag des Klägers zufolge wird die Abgasrückführung außerhalb eines Temperaturbereichs von 15 °C bis 33 °C und oberhalb von 1.000 Höhenmetern reduziert.

19Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom ausgeführt, dass eine Einrichtung, mit der die Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur innerhalb eines Bereichs sichergestellt ist, der zwar die Bedingungen des Zulassungstests abdeckt, aber nicht den im Unionsgebiet üblichen Fahrbedingungen entspricht, eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstellt. Der Gerichtshof hat dies für eine Einrichtung bejaht, die die Einhaltung der Grenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 °C bis 33 °C liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1.000 Höhenmetern erfolgt ( Rn. 27 ff., 47, juris). Er hat weiter entschieden, dass eine Abschalteinrichtung nicht schon deshalb nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausnahmsweise zulässig ist, weil sie zur Schonung von Bauteilen beiträgt, und eine Zulässigkeit nach dieser Vorschrift jedenfalls dann ausscheidet, wenn die Abschalteinrichtung unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist ( Rn. 48 ff., 70, juris).

20Im Lichte dieser Rechtsprechung erscheinen weitere Schäden, die kausal und zurechenbar auf dem haftungsbegründenden ursprünglichen Einbau der Manipulationssoftware beruhen und im Rahmen des vom Kläger gewählten "großen" Schadensersatzes ersatzfähig wären, möglich. Ein behördliches Einschreiten wegen des Thermofensters im Software-Update mit der Folge eines weiteren Vermögensschadens des Klägers, etwa in Form von Stilllegungskosten, ist nicht auszuschließen (vgl. Rn. 20 f., BGHZ 225, 316). Ob der Beklagten im Zusammenhang mit dem Software-Update eine erneute Täuschung des KBA vorzuwerfen ist, ist insoweit nicht maßgeblich.

21b) Die Feststellungsklage ist begründet.

22aa) Das Berufungsgericht hat zutreffend und unangefochten entschieden, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte zusteht, der auf Beseitigung der Folgen des "ungewollten" Fahrzeugerwerbs gerichtet ist (vgl. Rn. 13 ff., BGHZ 225, 316).

23bb) Eine Verjährung des Anspruchs hat das Berufungsgericht, ausgehend von seiner mit der Revision nicht angegriffenen Feststellung, dass die Klage im Jahre 2019 erhoben worden ist, rechtsfehlerfrei verneint. Soweit die Revision die Annahme des Berufungsgerichts beanstandet, eine positive Kenntnis des Klägers von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom "Dieselskandal" bereits im Jahr 2015 sei nicht festzustellen, setzt sie lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision, der Kläger sei seiner prozessualen Pflicht nicht nachgekommen, an der Aufklärung der Voraussetzungen des Verjährungsbeginns mitzuwirken (vgl. Rn. 17 m.w.N., BGHZ 231, 1), verfängt schon deshalb nicht, weil der Kläger sich vor dem Landgericht konkret zur Frage der Kenntniserlangung geäußert hat (vgl. auch Rn. 8, 13 ff., juris). Entgegen der Ansicht der Revision ist es schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB für das Jahr 2015 verneint hat (vgl. Rn. 21 ff., VersR 2022, 899).

24c) Die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.

25aa) Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang ein dem Geschädigten zustehender Schadensersatzanspruch gemäß § 249 Abs. 1 BGB auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (st. Rspr.; VIa ZR 100/21 Rn. 12, WM 2022, 543; Urteil vom - VI ZR 353/20 Rn. 6, NJW-RR 2021, 1070; jeweils m.w.N.).

26bb) Die Revision rügt ohne Erfolg, es sei schon unklar, mit welchen vorgerichtlichen Tätigkeiten der Kläger seine Prozessbevollmächtigten überhaupt beauftragt habe. Aus dem Berufungsurteil in Verbindung mit dem dort in Bezug genommenen Klägervortrag folgt, dass der Kläger seine Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Verfolgung seiner Ansprüche beauftragt hat und die Ansprüche dementsprechend gegenüber der Beklagten geltend gemacht wurden.

27cc) Entgegen der Ansicht der Revision war die vorgerichtliche Anwaltstätigkeit im Außenverhältnis des Klägers zur Beklagten erforderlich und zweckmäßig. Maßgeblich ist an dieser Stelle die ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person in der Situation des Geschädigten, wobei keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Rn. 18 m.w.N., NJW-RR 2022, 707; Urteil vom - VI ZR 45/19 Rn. 21, NJW 2020, 144).

28(1) Da es sich vorliegend nicht um einen einfach gelagerten Schadensfall handelte, bei dem die Haftung der Beklagten nach Grund und Höhe von vornherein unzweifelhaft gewesen wäre, durfte sich der Kläger schon für die erstmalige Geltendmachung seines Schadens gegenüber der Beklagten anwaltlicher Hilfe bedienen (vgl. Rn. 21 m.w.N., NJW 2020, 144).

29(2) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Beklagte habe die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der außergerichtlichen Anwaltstätigkeit in der Berufungsinstanz mit der Begründung in Abrede gestellt, die Bevollmächtigten des Klägers hätten seinerzeit gewusst, dass die Beklagte nicht zu einem außergerichtlichen Anerkenntnis oder Vergleich bereit gewesen sei.

30(a) Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur außergerichtlichen Vertretung im Sinne der Nr. 2300 VV RVG soll schnelle und einverständliche Regelungen ohne Einschaltung der Gerichte ermöglichen. Sie ist zweckmäßig und regelmäßig erforderlich, wenn der Versuch einer - vom Gesetzgeber gewünschten (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 2 u., 147 f.) - außergerichtlichen Streiterledigung nicht von vornherein ausscheidet, wie etwa im Falle einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung (vgl. Rn. 16 f. m.w.N., NJW 2015, 3793). Ist der Schädiger bekanntermaßen zahlungsunwillig und erscheint der Versuch einer außergerichtlichen Forderungsdurchsetzung auch nicht aus sonstigen Gründen erfolgversprechend, sind die dadurch verursachten Kosten nicht zweckmäßig (vgl. Rn. 11 m.w.N., NJW 2015, 3793; Urteil vom - XI ZR 345/10 Rn. 38, JurBüro 2013, 418). Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der konkreten Rechtsverfolgung stellen dabei zwar vom Geschädigten darzulegende und im Streitfall zu beweisende Anspruchsvoraussetzungen dar (vgl. VIa ZR 100/21 Rn. 12 m.w.N., WM 2022, 543). Die Darlegung einer dem Geschädigten bekannten Zahlungsunwilligkeit obliegt jedoch nach allgemeinen Grundsätzen dem Schädiger.

31(b) Der von der Revision aufgezeigte Instanzvortrag der Beklagten genügt den Darlegungsanforderungen nicht. Entgegen der Darstellung der Revision erschöpfte er sich in tatsächlicher Hinsicht letztlich in der Behauptung, die "Rechtsansicht" der Beklagten sei zur Zeit der außergerichtlichen Anspruchsverfolgung allgemein bekannt gewesen. Abgesehen davon, dass damit schon nicht hinreichend dargelegt worden ist, um welche "Rechtsansicht" es sich konkret handeln soll, beinhaltete der Vortrag nicht, dass die Beklagte zur fraglichen Zeit unter keinen Umständen außergerichtliche Zahlungen geleistet hätte, etwa im Vergleichswege, und dass auch dies allgemein oder jedenfalls den Bevollmächtigten des Klägers bekannt gewesen wäre. Die Rechtsauffassung, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, schließt eine Vergleichsbereitschaft nicht ohne Weiteres aus.

32dd) Die erstattungsfähige Höhe der Anwaltskosten hat das Berufungsgericht unangefochten mit 887,03 € festgestellt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:011222BVIIZR278.20.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-33601