Rheinland-Pfalz Landesamt für Steuern - S 3104 A-St 32 4

Bewertung eines Nießbrauch- oder Wohnrechts an einem Grundstück für Zwecke Erbschaft- und Schenkungsteuer

hier: Anwendung von §§ 14 und 16 BewG in Fällen, in denen der Grundbesitzwert mittels Verkehrswertgutachten nachgewiesen wurde

Bezug:

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Diese Verfügung richtet sich an die Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen, die Bewertungsstellen und die Bausachverständigen

1. Begrenzung des Jahreswerts eines Nießbrauch- oder Wohnrechts an einem Grundstück gemäß § 16 BewG

Ein zugewendetes Nießbrauch- oder Wohnrecht an einem Grundstück ist grundsätzlich mit seinem Kapitalwert der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. §§ 13 ff BewG).

Bei der Ermittlung des Kapitalwerts darf der Jahreswert des Nießbrauch- oder Wohnrechts nach § 16 BewG höchstens mit dem Wert angesetzt werden, der sich ergibt, wenn der für das mit dem Recht belastete Grundstück anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. Maßgebend ist dabei der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende Wert. Dies ist der nach §§ 176 bis 197 BewG typisiert festzustellende Grundbesitzwert, und zwar vor Abzug von Schulden und Lasten (, BStBl II S. 748).

Ein niedrigerer gemeiner Wert i. S. d. § 198 BewG findet im Rahmen des § 16 BewG keine Berücksichtigung (vgl. Rn. 42 des gleich lautenden Ländererlasses vom zur Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen nach dem für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, BStBl I 2022, 1351). Fordert das Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt eine Grundbesitzwertfeststellung lediglich für Zwecke des § 16 BewG vom Lagefinanzamt an, soll es daher in seiner Anforderung auch auf diesen Umstand hinweisen.

Beispiel

M wendet V ein dinglich gesichertes lebenslängliches Wohnrecht an einem Grundstück zu und verschenkt unmittelbar im Anschluss (selbe Notarurkunde) das mit dem Wohnrecht belastete Grundstück an T. Im Rahmen der gesonderten Grundbesitzbewertung reicht T ein den Vorschriften des § 198 BewG entsprechendes Verkehrswertgutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts ein.

Lösung

  1. Besteuerung der Zuwendung von M an V

    Das zugewendete Wohnrecht ist mit seinem Kapitalwert der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. §§ 13 ff BewG). Der Jahreswert des Wohnrechts ist nach § 16 BewG auf den 18,6ten Teil des nach §§ 176 bis 197 BewG typisiert zu ermittelnden Grundbesitzwerts zu begrenzen. Zu diesem Zweck ist eine gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts vom Lagefinanzamt anzufordern. In der Anforderung ist darauf hinzuweisen, dass der Wert lediglich für Zwecke des § 16 BewG benötigt wird. Ein niedrigerer gemeiner Wert findet in diesem Verfahren keine Berücksichtigung und ist daher auch nicht festzustellen.

    Verfahrensbeteiligte und Inhaltsadressat des Feststellungsbescheids sind M und V, da sie Gesamtschuldner der Schenkungsteuer sind (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG) und M im Zeitpunkt der Schenkung (noch) Grundstückseigentümer gewesen ist (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG). Der Bescheid ist grundsätzlich beiden Beteiligten bekannt zu geben (§ 153 Abs. 5 BewG i. V. m. § 181 Abs. 1 AO und § 122 Abs. 1 Satz 1 AO).

  2. Besteuerung der Zuwendung von M an T

    Das zugewendete Grundstück ist mit seinem gesondert festzustellenden Grundbesitzwert der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 12 Abs. 3 ErbStG i. V. m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG). Festzustellen ist der nach § 198 BewG mittels Gutachten nachgewiesene niedrigere gemeine Wert. Darin ist das dinglich gesicherte Wohnrecht bereits wertmindernd zu berücksichtigen. In Folge dessen ist die Verpflichtung aus dem Wohnrecht gemäß § 10 Absatz 6 Satz 11 ErbStG bei der Besteuerung des Erwerbs des Grundstücks nicht mehr abzugsfähig. Einer eigenständigen Bewertung des Wohnrechts im Rahmen des Erwerbs des Grundstücks bedarf es deshalb nicht (vgl. Rn. 38 des gleich lautenden Ländererlasses vom zur Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden sowie von Ansprüchen/Lasten bei wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen nach dem für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, a.a.O.).

    Das Lagefinanzamt hat in dem Grundbesitzwertbescheid nachrichtlich die Art und Höhe des im Verkehrswertgutachten abgezogenen Wohnrechts anzugeben (H B 151.2 „Nachrichtliche Angaben“ ErbStH 2019). Dadurch soll eine Doppelberücksichtigung der Last bei der Steuerfestsetzung vermieden werden (§ 10 Abs. 6 Satz 11 ErbStG).

    Verfahrensbeteiligte sind M und T, da sie Gesamtschuldner der Schenkungsteuer sind (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG) und das Grundstück T als Grundstückseigentümer zuzurechnen ist (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG). Der Bescheid ist grundsätzlich beiden bekannt zu geben (§ 153 Abs. 5 BewG i. V. m. § 181 Abs. 1 AO und § 122 Abs. 1 Satz 1 AO).

2. Vorzeitiger Wegfall eines lebenslänglichen Nießbrauch- oder Wohnrechts an einem Grundstück aufgrund Tod des Berechtigten, § 14 BewG

Der Kapitalwert eines lebenslänglichen Nießbrauch- oder Wohnrechts an einem Grundstück bestimmt sich grundsätzlich nach § 14 Abs. 1 BewG. Hat das Recht aufgrund Tod des Berechtigten nicht länger als die in § 14 Abs. 2 BewG angegebene Zeit bestanden, ist die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern nach der wirklichen Dauer des Rechts zu berechnen, § 14 Abs. 2 BewG.

Hiervon ausgenommen sind Fälle, in denen der Wert des erworbenen Grundstücks, auf dem das Recht lastete, seinerzeit mittels Verkehrswertgutachten nachgewiesen wurde. Darin zu berücksichtigen ist auch die wertmindernde Grundstückslast, deren Wertermittlung sich nach den Vorschriften der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 BewG i. V. m. § 199 Abs. 1 Baugesetzbuch); § 14 Abs. 1 BewG findet hier keine Anwendung. Folglich ist im Fall eines vorzeitigen Wegfalls der Belastung auch § 14 Abs. 2 BewG, der sich auf § 14 Abs. 1 BewG bezieht, nicht anwendbar.

Fortsetzung des vorhergehenden Beispiels

V, dem M das Wohnrecht zugewandt hatte, verstirbt zwei Jahre nach dem Erwerb im Alter von 59 Jahren.

Lösung

  1. Besteuerung der Zuwendung von M an V Der Schenkungsteuer lag der Wert des nach den Vorschriften des § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. §§ 13 bis 16 BewG ermittelten Wohnrechts zugrunde. Die Schenkungsteuer ist daher auf Antrag nach der wirklichen Dauer des zugewendeten Wohnrechts zu berichtigen, § 14 Abs. 2 Satz 1 BewG.

  2. Besteuerung der Zuwendung von M an T

    Der Schenkungsteuer lag der nach § 198 BewG mittels Wertgutachten nachgewiesene Verkehrswert des Grundstücks zugrunde. Darin berücksichtigt ist auch der nach den Regeln der ImmoWertV ermittelte Wert des Wohnrechts. § 14 Abs. 1 BewG findet beim Verkehrswertnachweis keine Anwendung, so dass auch eine Berichtigung nach § 14 Abs. 2 BewG ausscheidet. Der vorzeitige Tod von V ist daher für das Besteuerungsverfahren von M und T unbeachtlich.

Die Kurzinformation ST 3_2009K036 der St 35 5 zur Berücksichtigung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts wird hiermit aufgehoben.

Rheinland-Pfalz Landesamt für Steuern v. - S 3104 A-St 32 4

Fundstelle(n):
EStB 2023 S. 106 Nr. 3
ErbStB 2023 S. 111 Nr. 4
FAAAJ-33434