BGH Beschluss v. - 4 StR 265/22

Wohnungseinbruchsdiebstahl in Wohnung nach Tod des Bewohners

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 52 StGB, § 244 Abs 1 Nr 3 StGB, § 244 Abs 4 StGB

Instanzenzug: LG Arnsberg Az: II-4 KLs 19/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls, Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit versuchtem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl, wegen Diebstahls, versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahls und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den Feststellungen hebelte der Angeklagte am 15. oder die Oberlichtfenster eines Ladenlokals in M.      auf, gelangte auf diese Weise in die Geschäftsräume und entwendete Brillen im Gesamtwert von mindestens 1.500 €, um sie gewinnbringend zu veräußern (Fall II. 1) der Urteilsgründe). Am öffnete er die Terrassentür eines Einfamilienhauses in M.      mit einem unbekannten Werkzeug und verschaffte sich dadurch Zutritt zu den Wohnräumen. Dort entwendete er eine Spardose mit 120 € Bargeld und Armbanduhren im Wert von mindestens 400 € (Fall II. 2) der Urteilsgründe). Am 8. oder drang er in ein weiteres Einfamilienhaus in M.      ein, indem er das Küchenfenster mit einem Schraubenzieher aufhebelte, und entwendete verschiedene Gegenstände im Wert von insgesamt mindestens 8.000 €. Er hatte dabei die Vorstellung, das – noch vollständig möblierte und ausgestattete – Haus sei aktuell bewohnt. Tatsächlich war der einzige Bewohner bereits im Juni 2020 verstorben (Fall II. 3) der Urteilsgründe). Am hebelte der Angeklagte die Terrassentür eines leerstehenden Einfamilienhauses in M.      auf, fand jedoch in den Wohnräumen nichts Stehlenswertes und entfernte sich daher vom Tatort, ohne etwas mitzunehmen (Fall II. 4) der Urteilsgründe). Am öffnete er mit einem Schraubendreher oder einem Meißel ein Fenster auf der Rückseite eines Zweifamilienhauses in M.       , verschaffte sich so Zutritt zu den Wohnräumen und durchsuchte sie nach Wertgegenständen. Währenddessen trafen zwei Polizeibeamte, die von einem Nachbarn verständigt worden waren, am Tatort ein. Der Angeklagte erkannte, dass er die Tat nicht vollenden konnte, und flüchtete, wurde aber noch vor dem Haus festgenommen (Fall II. 5) der Urteilsgründe).

II.

3Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft.

41. Der Angeklagte hat lediglich die ihm vorgeworfene Tat vom eingeräumt (Fall II. 5) der Urteilsgründe). Im Übrigen hat er eine Tatbeteiligung abgestritten. Insoweit hat sich die Strafkammer von der Täterschaft des Angeklagten aufgrund von an den Tatorten gesicherten DNA-Spuren und weiteren Indizien überzeugt.

52. Zwar genügt die Darstellung der Auswertung der molekulargenetischen Untersuchungen zu den Fällen II. 2) und 4) der Urteilsgründe nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Darstellung einer DNA-Vergleichsuntersuchung. Da in diesen Fällen lediglich Mischspuren gesichert werden konnten, wäre in den Urteilsgründen auch mitzuteilen gewesen, inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben (vgl. Rn. 10; Beschluss vom ‒ 4 StR 408/20 Rn. 4; Urteil vom − 1 StR 499/18, NStZ 2019, 42; Beschluss vom – 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118).

6Der Senat vermag aber das Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler auszuschließen. Denn das Landgericht hat darüber hinaus maßgeblich auf die zeitliche und örtliche Nähe zu der unter Ziffer II. 5) der Urteilsgründe festgestellten Tat abgestellt, die der Angeklagte selbst eingeräumt hat. Außerdem hat es dem Umstand gewichtige Bedeutung beigemessen, dass es sich bei den Taten um eine Serie von sich in der Art und Weise der Tatbegehung durch einen Einzeltäter gleichenden Einbruchdiebstählen handelte, die nach der Festnahme des Angeklagten nach der letzten Tat vom abrupt endete.

III.

7Auch der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Dies gilt auch insoweit, als das Landgericht in Fall II. 3) der Urteilsgründe die tateinheitliche Verwirklichung eines (vollendeten) Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB mit einem versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahl gemäß § 244 Abs. 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB angenommen hat.

81. Da eine als Wohnstätte voll funktionsfähige Unterkunft ihre Eigenschaft als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch nach dem Tod des Bewohners behält, sofern sie nicht entwidmet wird (, NStZ 2020, 484 f.), hat sich der Angeklagte insoweit wegen vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahls strafbar gemacht. Hinsichtlich des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß § 244 Abs. 4 StGB fällt ihm hingegen nur ein (untauglicher) Versuch zur Last, da das Haus nach dem Tod des Bewohners nicht mehr tatsächlich bewohnt wurde und damit keine dauerhaft genutzte Privatwohnung im Sinne der Vorschrift mehr war (vgl. , NJW 2020, 2816, 2817; offengelassen in ).

92. Die konkurrenzrechtliche Wertung, die beiden Delikte seien tateinheitlich im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verwirklicht, ist ebenfalls rechtsfehlerfrei.

10a) Die Rechtsprechung hat bereits entschieden, dass der versuchte Einbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung gemäß § 244 Abs. 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB konkurrenzrechtlich nicht hinter einem vollendeten Einbruchdiebstahl gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB zurücktritt, der handlungseinheitlich an einem anderen Tatobjekt verübt wird. Vielmehr ist zwischen beiden Tatbeständen Idealkonkurrenz i.S.d. § 52 Abs. 1 StGB anzunehmen, um den Schutz der Privatwohnung durch den Qualifikationstatbestand zum Ausdruck zu bringen (, NStZ 2019, 674 Rn. 4).

11b) Dies gilt auch in der vorliegenden Fallgestaltung, in der beide Delikte am selben Objekt begangen werden und in Bezug auf die dauerhafte genutzte Privatwohnung ein untauglicher Versuch vorliegt.

12aa) Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen (, BGHSt 63, 253 Rn. 18). Auf diese Weise erfüllt der Schuldspruch seine Klarstellungsfunktion, indem er sämtliche verwirklichten Strafvorschriften ausdrücklich benennt (vgl. , BGHSt 39, 100, 109; Urteil vom – 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 116). Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit. Diese ist gegeben, wenn ein Verhalten zwar mehrere Strafvorschriften erfüllt, zur Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat aber die Anwendung bereits eines Tatbestands ausreicht, hinter dem die übrigen Tatbestände zurücktreten (vgl. Rissing-van Saan in LK-StGB, 13. Aufl., vor § 52 Rn. 107 mwN).

13Ob Tateinheit oder Gesetzeseinheit gegeben ist, ist durch eine wertende Auslegung der in Betracht kommenden Strafvorschriften zu ermitteln (vgl. Rissing-van Saan aaO, Rn. 108). Von maßgeblicher Bedeutung für die Abgrenzung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet, und die Straftatbestände, die zu ihrem Schutz normiert sind. Kennzeichen der Gesetzeseinheit ist es, dass die Verletzung des durch den einen Tatbestand geschützten Rechtsguts eine notwendige oder zumindest regelmäßige Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestands ist (vgl. , BGHSt 39, 100, 108; Beschluss vom – 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253 Rn. 18, jeweils mwN). In diesem Sinne liegt Gesetzeseinheit in Form der hier in Betracht kommenden Spezialität vor, wenn ein Tatbestand alle Tatbestandsmerkmale eines anderen Tatbestands sowie mindestens ein weiteres Merkmal enthält, so dass die Erfüllung des einen – spezielleren – Tatbestands notwendig die Verwirklichung des anderen Tatbestands voraussetzt (vgl. ; Urteil vom – 3 StR 120/03, BGHSt 49, 34; Jäger in SK-StGB, 9. Aufl., vor § 52 Rn. 86; Eschelbach in SSW-StGB, 5. Aufl., § 52 Rn. 8; anders von Heintschel-Heinegg in MüKo-StGB, 4. Aufl., vor § 52 Rn. 35).

14bb) Nach diesen Maßstäben stehen in einem Fall wie dem vorliegenden der (vollendete) Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB und der versuchte schwere Wohnungseinbruchdiebstahl gemäß § 244 Abs. 4, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB zueinander im Verhältnis der Tateinheit (Idealkonkurrenz).

15Zwar gilt im Ausgangspunkt, dass der schwere Wohnungseinbruchdiebstahl das gegenüber dem Wohnungseinbruchdiebstahl speziellere Delikt ist, da der Tatbestand des § 244 Abs. 4 StGB – wie die in Abs. 4 enthaltene Verweisung zeigt – alle Tatbestandsmerkmale des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB umfasst und als weiteres Merkmal hinzutritt, dass die Wohnung, auf die sich die Tat bezieht, eine dauerhaft genutzte Privatwohnung sein muss (vgl. Kudlich in SSW-StGB, 5. Aufl., § 244 Rn. 51). Dies hat zur Folge, dass § 244 Abs. 4 StGB als speziellerer Tatbestand die lex generalis des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verdrängt, wenn beide Tatbestände aufgrund desselben Sachverhalts vollständig verwirklicht werden. In diesem Fall lautet der Schuldspruch somit lediglich auf schweren Wohnungseinbruchdiebstahl. Entsprechend ist, wenn beide Tatbestände lediglich versucht sind, allein wegen versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahls zu verurteilen (vgl. Puppe, NK-StGB, 5. Aufl., vor § 52 Rn. 14).

16Wird der Grundtatbestand vollendet, während der Qualifikationstatbestand nur ins Versuchsstadium gelangt, ist aus Gründen der Klarstellung regelmäßig nicht Gesetzes-, sondern Idealkonkurrenz anzunehmen. Andernfalls bliebe die Vollendung des Grunddelikts allein deshalb unberücksichtigt, weil der Täter mit dem Qualifikationstatbestand noch schwereres Unrecht verwirklichen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat (vgl. Jäger in SK-StGB, 9. Aufl., vor § 52 Rn. 91; Puppe, aaO; Eschelbach in SSW-StGB, 5. Aufl., § 52 Rn. 8). Durch die Annahme von Tateinheit wird dagegen bereits im Schuldspruch zum Ausdruck gebracht, dass der Täter einerseits den durch das Einbrechen in eine Wohnung qualifizierten Angriff auf das Rechtsgut des Eigentums vollendet und somit den Tatbestand des Wohnungseinbruchdiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vollständig verwirklicht, darüber hinaus aber nach seiner Vorstellung von der Tat auch noch unmittelbar dazu angesetzt hat (§ 22 StGB), aus einer dauerhaft genutzten Privatwohnung im Sinne von § 244 Abs. 4 StGB zu stehlen und damit noch schwereres Unrecht zu verwirklichen, das in dem Eingriff in den persönlichen Lebensbereich des Betroffenen liegt (vgl. BT-Drucks. 18/12359, S. 7).

17Die Gegenmeinung, die in derartigen Fällen nur wegen des versuchten spezielleren Tatbestands verurteilen und dem vollendeten Grunddelikt allenfalls Strafzumessungsrelevanz zubilligen will (Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., 31. Abschnitt Rn. 40; Gössel, JR 2005, 159, 160), berücksichtigt nicht hinreichend, dass gerade die Urteilsformel den Unwert der Tat kennzeichnet und ihn daher ausschöpfen muss. Soweit gegen die Annahme von Tateinheit weiter geltend gemacht wird, dem Täter würden durch die tateinheitliche Verurteilung zwei Diebstahlstaten hinsichtlich eines Objekts angelastet (Schmitz in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 244 Rn. 84), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Urteilsformel bildet nicht mehrere Taten, sondern die nach der gesetzgebundenen Wertung (vgl. BT-Drucks. 18/12359, 7) unterschiedlichen Rechtsgutsangriffe ab, die sich aus einer (einzigen) Tat ergeben.

183. Auch im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:251022B4STR265.22.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-33200