Eigentumsdelikt: fehlerhafte Beweiswürdigung sowie fehlerhafte Bildung der Gesamtstrafe
Gesetze: § 54 Abs 2 StGB, § 55 StGB, § 242 Abs 1 StGB
Instanzenzug: Az: 2630 Js 46093/20 - 5 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Nötigung und Hausfriedensbruchs“ unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wiesbaden vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die „Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 735,00 €“ angeordnet. Die vom Generalbundesanwalt vertretene, zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zudem gemäß § 301 StPO zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zugunsten des Angeklagten.
I.
2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3Am frühen Abend des begab sich der Angeklagte gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester G. , deren Freund B. und dem Zeugen K. zum Zeugen R. , der ihm noch 50 € schuldete. Der Angeklagte und seine drei Begleiter, die Mund-Nasen-Bedeckungen trugen, betraten ohne Einverständnis des R. dessen Wohnung durch die nicht abgeschlossene Hintertür des Hauses. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich R. mit seiner Freundin, der Zeugin H. , im sog. Gaming-Zimmer auf. Der Zeuge K. führte einen Teleskopschlagstock mit sich, stellte sich unter Vorhalten des Stockes in den Türrahmen und fragte den Zeugen R. , wo das Geld sei. Die vier Personen betraten das Zimmer und B. schlug den Zeugen R. mit der Faust auf die linke Gesichtshälfte. Sodann forderte B. den R. auf, seine Schulden an den Angeklagten zu bezahlen. Als R. erklärte, kein Geld zu haben, schlug ihm K. mit der Faust ins Gesicht. Durch die Schläge erlitt R. eine Platzwunde an der Lippe und ein Hämatom am rechten Auge. Die Zeugin H. reagierte auf die Situation hysterisch und wurde von der Zeugin G. ins Badezimmer geführt, wo beide in der Folge verblieben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem Angeklagten zum Zeitpunkt des Betretens der Wohnung bekannt war, dass K. den Teleskopschlagstock mit sich führte und die Faustschläge gegen den Zeugen R. sowie das Verbringen der Zeugin H. in das Badezimmer vorher mit ihm abgesprochen waren.
4Der Zeuge R. fragte nun den Angeklagten, was das für eine „feige Aktion“ sei. Der Angeklagte erwiderte, R. hätte ihm einfach das Geld geben sollen, jetzt nehme er dessen Computer mit. „Spätestens jetzt hatte sich der Angeklagte entschlossen, den Computer des Zeugen R. nebst Zubehör ohne dessen Einverständnis mitzunehmen, wobei nicht hat ausgeschlossen werden können, daß der Angeklagte dabei die Vorstellung hatte, Computer und Zubehör nur als Druckmittel und Pfand mitzunehmen, um den Zeugen R. so zu veranlassen, seine Schulden bei ihm – dem Angeklagten – zu bezahlen. Insbesondere hat nicht festgestellt werden können, daß der Angeklagte beabsichtigte, den Computer nebst Zubehör auf Dauer zu behalten bzw. für eigene Zwecke zu verwerten.“ Als R. zu widersprechen ansetzte, zog K. den Schlagstock, woraufhin R. verstummte.
5Der Angeklagte nahm nun den PC, die Tastatur, den Monitor, das Headset und die Maus im Gesamtwert von 735 € an sich. „Dabei war ihm bewusst, dass der Zeuge R. die Wegnahme nur aufgrund der vorherigen Gewalteinwirkung durch die Zeugen B. und K. , die Drohung mit dem Schlagstock und der personellen Übermacht sowie der damit verbundenen stillschweigenden Inaussichtstellung weiterer Gewaltanwendung duldete und war damit einverstanden.“
6Die Zeugen K. und B. suchten in dem Zimmer nach mitnehmenswerten Gegenständen des Zeugen R. und nahmen eine Spielkonsole und drei Controller an sich. Dass dies mit dem Angeklagten abgesprochen war, konnte nicht festgestellt werden. Der Angeklagte forderte die Zeugin G. auf, mit H. aus dem Badezimmer zu kommen. Dann wurden R. und H. die Mobiltelefone abgenommen, wobei nicht festgestellt werden konnte, durch wen und zu welchem Zweck dies erfolgte.
7Beim Hinausgehen drohte K. dem Zeugen R. durch Aufschnappen des Teleskopschlagstocks für den Fall, dieser „die Bullen rufe“ und verursachte dabei ein Loch in der Wand des Gamingzimmers. Er äußerte schließlich gegenüber R. , dass dieser seine Sachen wiederbekomme, wenn er das Geld bringe.
8Der Angeklagte brachte den PC samt Zubehör zunächst zu seinem Onkel, einen Tag später in die Wohnung seines Bruders in Ki. . Spätestens am Folgetag nahm der Zeuge R. Kontakt zum Angeklagten auf, nachdem er sich Geld geliehen hatte. Er forderte den Angeklagten auf, ihm seine Sachen zurückzubringen, dann bekäme dieser sein Geld. Der Angeklagte erklärte, nunmehr 100 € haben zu wollen, und erschien in der Folgezeit nicht mehr beim Zeugen R. .
9Der PC nebst Zubehör verschwand aus nicht näher aufklärbaren Umständen aus der Wohnung des Bruders des Angeklagten und konnte nicht mehr aufgefunden werden.
10Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Wegnahme von PC nebst Zubehör mit Zueignungsabsicht handelte und hat deren Mitnahme als Inpfandnahme angesehen. Auch ließen sich, so die Strafkammer, die seitens der Zeugen B. und K. gegen den Geschädigten R. ausgeführten Faustschläge nicht dem Angeklagten zurechnen, da es mangels „vorheriger Absprache“ an einem gemeinsamen Tatplan fehle.
II.
11Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
121. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom – 2 StR 337/20 Rn. 6) rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zu der Frage, ob der Angeklagte den Computer des Zeugen R. nebst Zubehör mit Zueignungsabsicht weggenommen hat, begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13a) Die Beweiswürdigung ist zum einen lückenhaft, weil den Urteilsgründen nicht entnommen werden kann, dass das Landgericht alle entscheidungsrelevanten Umstände erkannt und in seiner Würdigung bedacht hat.
14Es hat die von ihm für glaubhaft erachteten Aussagen der Zeuginnen Kr. und A. bei der Beweiswürdigung zur Zueignungsabsicht des Angeklagten übergangen. Die Zeuginnen haben übereinstimmend bekundet, der Angeklagte habe ihnen gegenüber in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Tat „mit einem Diebstahlsdelikt bezogen auf einen Computer (…) geprahlt“. Die von den Zeuginnen beschriebenen Äußerungen des Angeklagten („eingebrochen“, „Diebesgut mitgenommen“, „geklaut“) drängten zu der Schlussfolgerung, dass der Angeklagte den Computer nebst Zubehör seinem Vermögen einverleiben wollte. Dagegen ergeben sie keinen Sinn, wenn der Angeklagte den Computer nebst Zubehör nur vorübergehend als Druckmittel und Pfand in Besitz nehmen wollte, um den Zeugen R. zur Zahlung der geschuldeten 50 € zu bewegen. Auch eine laienhafte Bewertung der vom Angeklagten gegenüber den Zeuginnen geäußerten Begriffe impliziert, dass die betroffenen Gegenstände unter Ausschließung des Eigentümers in das eigene Vermögen überführt werden sollten.
15b) Darüber hinaus ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht gegen die Annahme von Zueignungsabsicht bezüglich der Gegenstände anführt, der Angeklagte selbst habe „schon in Abrede gestellt, dass es sich dabei um fremdes Eigentum gehandelt hat, da er behauptet hat, diese Gegenstände hätten ihm gehört“. Soweit das Landgericht damit zum Ausdruck bringen wollte, die irrige Annahme des Angeklagten, er sei Eigentümer gewesen, sei Indiz für eine fehlende Zueignungsabsicht, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung, wie der Angeklagte zu dieser, der materiellen Eigentumslage widersprechenden Einschätzung gelangt sein sollte.
16c) Schließlich fehlt es an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Zueignungsabsicht sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl. ; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; , NStZ-RR 2015, 83, 85).
18d) Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schweren Raubes gelangt wäre.
192. Einen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten (§ 301 StPO) enthält das Urteil im Hinblick auf die Bildung der Gesamtstrafe.
20a) Das Landgericht hat für die von ihm erkannte Tat (zur Tenorierung bei Tateinheit vgl. etwa , NJW 1986, 1116, 1117) – eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet. Durch Einbeziehung der Verurteilung aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wiesbaden vom hat es – unter Auflösung der dortigen Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen, gebildet aus Einzelstrafen von zweimal 20 Tagessätzen – auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr erkannt.
21b) Zwar stand entgegen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung mit den beiden Einzelgeldstrafen aus dem vorbezeichneten Strafbefehl keine Zäsurwirkung des entgegen, da es sich insoweit um eine Jugendstrafe handelte (vgl. , NStZ-RR 2017, 199). Jedoch hat die Strafkammer bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe gegen § 54 Abs. 2 StGB verstoßen, weil die gebildete Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen übersteigt.
223. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
23a) Im Hinblick auf eine gegebenenfalls mittäterschaftliche Zurechnung des Verhaltens der Zeugen H. , B. und K. gemäß § 25 Abs. 2 StGB kann die erforderliche Willensübereinstimmung der Beteiligten nicht nur ausdrücklich durch „Absprache“ oder „Kundgabe“, sondern auch – noch während der Tatbegehung – stillschweigend oder durch schlüssiges Handeln hergestellt werden (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 656/86, BGHR § 25 Abs. 2 StGB Willensübereinstimmung 2; Murmann in SSW-StGB, 5. Aufl., § 25 Rn. 38 mwN).
24b) Der neue Tatrichter wird bei erneuter Verurteilung des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung in den Blick zu nehmen haben, dass dem Angeklagten der Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem droht (vgl. , juris Rn. 24).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:280922U2STR133.22.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-33197