BGH Urteil v. - VIa ZR 227/21

Instanzenzug: Az: 7 U 187/20 Urteilvorgehend Az: 17 O 124/20 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger erwarb aufgrund Bestellung vom von einem Händler ein Neufahrzeug vom Typ VW Tiguan Track & Style 4MOTION 2,0 l TDI mit Tageszulassung zum Kaufpreis von 33.200 €. Die Erstzulassung erfolgte im Februar 2012. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist mit einem ebenfalls von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser enthielt eine Motorsteuerungssoftware, die das Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.

3Mit seiner im Mai 2020 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung in erster Instanz zunächst erhoben, später aber wieder fallen gelassen. Das Landgericht hat die Beklagte auf Zahlung in Höhe von 21.615,63 € (Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung) nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten, die in der Berufungsinstanz erneut die Einrede der Verjährung erhoben hat, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Verurteilung der Beklagten in Höhe von 12.710,88 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs aufrechterhalten. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung aus den Vorinstanzen weiter. Der Kläger begehrt mit seiner Revision und Anschlussrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils mit der Maßgabe einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von noch 21.397,73 €.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dagegen ist die Anschlussrevision des Klägers unbegründet.

A. Revision der Beklagten

4Die Revision der Beklagten ist begründet.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (, juris), soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung, wie folgt begründet:

6Dem Kläger stehe gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 31 BGB nach Abzug einer Nutzungsentschädigung ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 12.710,88 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu. Der Anspruch sei nicht verjährt. Die Beklagte könne sich in der Berufungsinstanz nicht mehr auf die Einrede der Verjährung berufen, da ihre Erklärung aus dem Schriftsatz vom , sie "lasse die Einrede der Verjährung fallen", als Verzicht auszulegen sei. Im Übrigen stelle die erneute Erhebung der Verjährungseinrede eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar. Im Ergebnis komme es jedoch auf diese Frage nicht an, weil der Kläger für den Fall der Verjährung gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB Restschadensersatz in gleicher Höhe verlangen könne. Dem Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB stehe nicht entgegen, dass der Kläger das Neufahrzeug mit Tageszulassung nicht unmittelbar von der Beklagten, sondern bei einem Händler erworben habe. Die Beklagte habe den Händlereinkaufspreis (Kaufpreis abzüglich Händlermarge) nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise dennoch auf Kosten des Klägers erlangt. Nachdem der Restschadensersatzanspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB der Höhe nach durch den der Vorteilsausgleichung unterworfenen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB beschränkt sei, könne die genaue Höhe der Händlermarge, für die es am konkreten Vortrag der Beklagten fehle, offenbleiben. Ihr käme nur dann Bedeutung zu, wenn sie über 60 % des Kaufpreises betragen würde, was wirtschaftlich nicht plausibel sei.

II.

7Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

81. Noch rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (vgl. , BGHZ 225, 316 Rn. 12 ff.; Urteil vom - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 24 ff.).

92. Rechtsfehlerhaft hat es das Berufungsgericht dann allerdings letztendlich dahinstehenlassen, ob der Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB verjährt sei. Dies konnte entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht offenbleiben, weil sich Ansprüche aus §§ 826, 31 BGB und §§ 826, 852 Satz 1 BGB in Fällen wie dem vorliegenden - dazu unter 4. - der Höhe nach unterscheiden. Der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB, der in gleicher Weise wie der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB der Vorteilsausgleichung unterliegt ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16), ist auf den von der Beklagten aus dem von ihr getätigten Verkauf erlangten Händlereinkaufspreis beschränkt und führt damit schon im Ausgangspunkt regelmäßig zu einem geringeren Anspruch gegen den Schädiger.

103. Mit Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten überdies gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich nicht auf § 214 Abs. 1 BGB berufen, weil sie auf die Verjährungseinrede verzichtet habe. Mit der Begründung des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich nicht mehr auf die Einrede der Verjährung im Berufungsverfahren berufen, weil ihre Erklärung, sie "lasse die Einrede der Verjährung fallen", als Verzicht auszulegen sei, kann die Anwendung des § 214 Abs. 1 BGB nicht verneint werden.

11a) Das bloße Fallenlassen der Verjährungseinrede im Prozess kann grundsätzlich nicht ohne Weiteres als ein materiell-rechtlicher Verzicht auf die Einrede angesehen werden, der ihrer erneuten Erhebung dauerhaft entgegenstünde (vgl. , BGHZ 22, 267, 269; Urteil vom - VII ZR 692/21, VersR 2022, 1039 Rn. 17). Es hat nach seinem durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermittelnden Erklärungsgehalt in der Regel nur die Bedeutung, dass aus dem Verteidigungsvorbringen der beklagten Partei derjenige Teil, der sich auf die betreffende Einrede stützt, entfallen soll. Die Rechtslage entspricht damit nach Abgabe der Erklärung der Situation, die besteht, wenn ein Beklagter sich auf dieses Gegenrecht in dem Rechtsstreit noch überhaupt nicht berufen hat. Sofern keine sonstigen, für einen materiell-rechtlichen Verzicht auf die Verjährungseinrede sprechenden Umstände ersichtlich sind, kann ihr Fallenlassen deshalb grundsätzlich nur dahin verstanden werden, dass die Partei hierdurch den prozessualen Zustand wiederherstellen will, der vor der Erhebung der Einrede bestanden hat (, VersR 2022, 1039 Rn. 18; Urteil vom - VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 31).

12b) Besondere Anhaltspunkte, die hier für einen über diesen regelmäßigen Bedeutungsgehalt hinausgehenden Verzichtswillen der Beklagten sprechen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt der Umstand keine abweichende Bewertung, dass die Beklagte das Fallenlassen der Verjährungseinrede im Zusammenhang mit dem vorangegangen rechtlichen Hinweis des Landgerichts auf §§ 826, 852 Satz 1 BGB erklärt hat. Selbst wenn die Erklärung der Beklagten ausschließlich dem Zweck gedient haben sollte, eine Entscheidung des Landgerichts über einen - an den Eintritt der Verjährung anknüpfenden - Anspruch des Klägers aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu verhindern, gestattete ein solches, prozesstaktisch motiviertes Verhalten keinen Rückschluss auf einen Verzichtswillen der Beklagten (, VersR 2022, 1039 Rn. 19; Urteil vom - VII ZR 679/21, juris Rn. 18).

13c) In der erneuten Erhebung der Verjährungseinrede in der Berufungsinstanz liegt auch keine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB; vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 49 mwN). Das bloße Fallenlassen der Verjährungseinrede und deren erneute Geltendmachung zu einem späteren Zeitpunkt aus prozesstaktischen Erwägungen reicht für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht aus, da die Geltendmachung einer Einrede grundsätzlich im Belieben des Schuldners liegt und das Berufungsgericht auch insoweit keine besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt hat, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten.

144. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe im Fall der Verjährung gegen die Beklagte ein Restschadensersatzanspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB in gleicher Höhe zu.

15a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte aus dem Fahrzeugkauf des Klägers den Händlereinkaufspreis, also den um die Händlermarge reduzierten Kaufpreis auf Kosten des Klägers erlangt hat (vgl. im Einzelnen VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 14; Urteil vom - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 27). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts liegt die insoweit erforderliche Absatzkette vor (vgl. aaO, Rn. 13 f.; Urteil vom , aaO, Rn. 27 f.). Aus der vom Berufungsgericht konkret in Bezug genommenen und als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Abschrift der "Verbindliche[n] Volkswagen-Bestellung" vom , die zahlreiche Sonderausstattungen auflistet, ergibt sich, dass das Fahrzeug auf die Bestellung des Klägers hin an den Händler geliefert wurde. Als unverbindlicher Liefertermin wurde Mai 2012 vereinbart, wobei das "bestellte Fahrzeug vor der Auslieferung auf die FA. K.    (Händler) zugelassen und als Tageszulassung berechnet" werden sollte. Danach hatte der Händler das Fahrzeug nicht schon vor dem Verkauf an den Kläger auf eigene Kosten und eigenes (Absatz-)Risiko erworben, vielmehr war es noch von der Beklagten zu liefern. Der Umstand, dass im Streitfall der Kauf eines Neufahrzeugs mit Tageszulassung in Rede steht, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Maßgeblich ist, dass die Bestellung des Fahrzeugs durch den Händler beim Fahrzeughersteller - wie hier - durch eine vorherige Bestellung des Geschädigten ausgelöst wurde.

16b) Durchgreifenden Bedenken begegnen allerdings die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Restschadensersatzanspruchs des Klägers. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat, ist bei dessen Ermittlung der von der Beklagten erlangte Händlereinkaufspreis nicht lediglich im Wege einer Vergleichsbetrachtung zu berücksichtigen, sondern Ausgangspunkt für die Berechnung der Anspruchshöhe ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16). Dementsprechend hätte das Berufungsgericht zunächst den - vom Kläger darzulegenden (vgl. VIa ZR 122/22, WM 2022, 2237 Rn. 27; Urteil vom - VIa ZR 716/21, juris Rn. 20) - Händlereinkaufspreis feststellen und anschließend hiervon die Nutzungsvorteile im Wege der Vorteilsausgleichung abziehen müssen.

B. Anschlussrevision des Klägers

17Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.

I.

18Das Rechtsmittel des Klägers ist als Anschlussrevision zu behandeln und als solche zulässig.

191. Die vom Kläger eingelegte selbständige Revision, die sich gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe der auf den Zahlungsanspruch anzurechnenden Nutzungsentschädigung richtet, ist unstatthaft und damit unzulässig, weil sie nicht zugelassen ist (§ 543 Abs. 1 ZPO).

20a) Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einzelne Prozessparteien kann sich nicht nur aus der Entscheidungsformel, sondern auch bei gebotener Auslegung der Urteilsgründe ergeben, sofern Grund der Zulassung eine bestimmte Rechtsfrage war, die das Berufungsgericht zum Nachteil nur einer Prozesspartei entschieden hat. Die Zulassung wirkt in diesem Fall nicht zugunsten der gegnerischen Partei, die das Urteil aus einem anderen Grund angreift (, NJW 2018, 1683 Rn. 22; Urteil vom - IV ZR 8/19, NJW 2020, 982 Rn. 33; Beschluss vom - XI ZR 362/17, WM 2019, 538 Rn. 2).

21b) So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat die Revision in den Urteilsgründen ausdrücklich zugelassen, "weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO" gegeben seien. Es hat "eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich" gehalten, da "inzwischen divergierende Entscheidungen von Oberlandesgerichten zur Frage eines möglichen Verzichts auf die Verjährungseinrede" vorlägen. Damit hat das Berufungsgericht lediglich der Beklagten, die die Verjährung des deliktischen Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB behauptet und einen Verzicht auf die Verjährungseinrede in Abrede gestellt hat, den Weg in die Revisionsinstanz eröffnet. Die Zulassung wirkt nicht zugunsten des Klägers, der das Urteil aus einem anderen, von dieser Frage nicht erfassten Grund angreift.

222. Die unstatthafte Revision des Klägers bildet jedoch mit der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Anschlussrevision ein einheitliches Rechtsmittel, über das einheitlich zu erkennen ist (vgl. , NJW 2020, 982 Rn. 25 ff.). Die Anschlussrevision ist form- und fristgerecht eingelegt worden und steht mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang (vgl. VIa ZR 652/21, juris Rn. 17 mwN). Im Übrigen kann bei - wie hier - beschränkter Zulassung der Revision eine Anschlussrevision auch dann eingelegt werden, wenn sie nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. , juris Rn. 36 mwN).

II.

23Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für die Anschlussrevision des Klägers von Bedeutung, wie folgt begründet:

24Der deliktische Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB bestehe in Höhe von 12.710,88 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Von dem Kaufpreis von 33.200 € sei eine Nutzungsentschädigung von 20.489,12 € abzuziehen. Im Grundsatz seien die Gebrauchsvorteile bei der Eigennutzung von Kraftfahrzeugen nach der Methode der zeitanteiligen linearen Wertminderung zu berechnen, wobei bei Dieselfahrzeugen mit Motoren der Baureihe EA 189 bis zu 2.0 l Hubraum der entscheidende Senat als "Fachsenat für das Straßenverkehrsrecht […] aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen und Kenntnisse im KfZ-Bereich" eine durchschnittliche Gesamtfahrleistung von 250.000 km zugrunde lege. Allerdings sei eine Anpassung vorzunehmen, wenn der "Korridor durchschnittlicher jährlicher Fahrleistungen" - wie vorliegend bei einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von circa 11.500 km anstatt der typischen jährlichen Fahrleistung von Dieselfahrzeugen im Bereich zwischen 15.000 und 25.000 km - "deutlich verlassen" werde. Realitätsnah sei unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Maximallebensdauer von Dieselfahrzeugen von 15 Jahren lediglich eine Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von 172.500 km (15 Jahre x 11.500 km) zu veranschlagen, so dass sich eine Nutzungsentschädigung von 20.489,12 € errechne. Für den Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB gelte Entsprechendes.

III.

25Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung im konkreten Fall stand.

261. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs - und damit des auf den Schaden anzurechnenden Vorteils - ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Hingegen ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben (, BGHZ 225, 316 Rn. 79; Urteil vom - VII ZR 192/20, NJW 2022, 321 Rn. 39; Urteil vom - VI ZR 291/20, VersR 2022, 324 Rn. 12; Urteil vom - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 24).

272. Mit Blick auf den eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts ist die mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingehend erörterte Bemessung des Werts der Nutzungsvorteile durch das Berufungsgericht, wovon sich der Senat aufgrund der von der Beklagten vorgetragenen Argumente überzeugt hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei bei seiner Bewertung von einer linearen Bewertungsmethode ausgegangen (vgl. nur , BGHZ 226, 322 Rn. 12 f.). Es hat alle wesentlichen Bemessungsfaktoren berücksichtigt (anderer Sachverhalt VIa ZR 505/21, juris Rn. 10). Soweit es die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs mit auf die besonderen Umstände des Einzelfalls bezogenen und eingehend gerechtfertigten Erwägungen auf lediglich 172.500 km geschätzt hat, hat es in den Urteilsgründen dargelegt, worauf es die eigene Sachkunde stütze. Auf die maßgeblichen Gesichtspunkte für seine von der des Landgerichts abweichende Schätzung hat es - wie dem von der Anschlussrevision selbst angeführten Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu entnehmen - vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz unter Bezugnahme auf eine eigene frühere Entscheidung (vgl. , BeckRS 2020, 17081 Rn. 52) ausdrücklich hingewiesen. Zugleich hat es seiner Schätzung eine immer noch erhebliche Gesamtlaufleistung von über 170.000 km zugrunde gelegt, die nicht mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hing (, BGHZ 88, 28, 33; Urteil vom - VI ZR 3/20, NJW-RR 2021, 1534 Rn. 11 mwN). Die von der Anschlussrevision gerügten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

C.

28Das Berufungsurteil unterliegt danach auf die Revision der Beklagten der Aufhebung (§ 562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO), während die Anschlussrevision zurückzuweisen ist. Der Senat kann, soweit das Berufungsurteil aufzuheben ist, auch nicht teilweise in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang keine Feststellungen zur Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen zur Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB und - soweit erforderlich - zu einem Restschadensersatzanspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:191222UVIAZR227.21.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-32825