Online-Nachricht - Donnerstag, 02.02.2023

Umsatzsteuer / Verfahrensrecht | Zweckbetriebsvoraussetzungen beim Verkauf von Hilfsmitteln für Blinde (BFH)

Der Verkauf von Waren ist grundsätzlich eine typische Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i. S. von § 68 Nr. 4 AO erfüllt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann aber ein Zweckbetrieb sein, wenn über eine im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere - fürsorgeorientierte - Hilfestellungen gegeben werden (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin, die Waren für blinde und sehbehinderte Menschen verkauft, hatte sich mit einer Konkurrentenklage gegen die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf die durch den Beigeladenen erbrachten Leistungen gewandt. Der Beigeladene ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden und stark sehbehinderten Menschen vertritt. In diesem Zusammenhang verkaufte der Beigeladene - ebenso wie die Klägerin - Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft, auf Messen und über das Internet. Das Finanzamt und ihm folgend das FG hatten die Umsätze des Beigeladenen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG als Leistungen einer Körperschaft, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Rahmen eines Zweckbetriebs verfolgt, mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert. Zu den steuerlich begünstigten Zweckbetrieben gehören gemäß § 68 AO u.a. Einrichtungen, die zur Durchführung der Fürsorge für blinde Menschen unterhalten werden.

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:

  • Das FG hat die Anforderungen an einen begünstigten Zweckbetrieb verkannt und deshalb die Leistungen des Beigeladenen zu Unrecht als umsatzsteuerbegünstigt beurteilt. Der bloße Verkauf von Blindenhilfsmitteln ist nicht begünstigt, wenn er lediglich mit einer allgemein im Fachhandel üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergeht.

  • Eine Blindenfürsorge i. S. von § 68 Nr. 4 AO kann dagegen vorliegen, wenn z. B. neu erblindeten Personen neben einer reinen Produktberatung weitere – fürsorgeorientierte – Hilfestellungen gegeben werden oder wenn Verkaufstätigkeiten im Zusammenhang mit einem unentgeltlichen Kursangebot zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit stehen. Ob das der Fall ist, muss das FG nun im zweiten Rechtsgang klären.

Quelle: BFH Pressemitteilung 8/2023 v. , ; NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
BAAAJ-32501