Auf hohe Durchfallquote und besonderen Schwierigkeitsgrad gestützte Anfechtung des Ergebnisses der schriftlichen Steuerberaterprüfung
Beurteilungsspielraum der Prüfer
Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Prüfungsentscheidung
Verwendung von Musterlösungen und Notentabellen
Anforderungen an Begründung der Prüfungsentscheidung
Leitsatz
1. Die Feststellung einer hohen Durchfallquote bei der Steuerberaterprüfung ist für sich genommen ungeeignet, einen überzogenen
Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe oder eine Unangemessenheit der angewandten Bewertungsmaßstäbe zu begründen und daraus die
Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung abzuleiten. Zudem schreiben weder das StBerG noch das Verfassungsrecht eine bestimmte
Mindestbestehensquote bei der Steuerberaterprüfung vor; eine Orientierung der Bewertung an einer solchen Quote könnte sogar
dem Zweck der Prüfung entgegenstehen (Anschluss an , BFH/NV 2000 S. 755).
2. Eine hohe Schwierigkeit der den Zugang zum Beruf des Steuerberaters ermöglichenden und begrenzenden Prüfung ist nicht grundsätzlich
zu beanstanden. Dennoch kann eine hohe Misserfolgsquote ein Indiz für eine besonders schwierige Aufgabenstellung sein. Es
bleibt in diesem Fall aber Sache des Prüflings, anzugeben, welche Fragestellung er für unangemessen schwer hält oder welche
Bewertungsentscheidung seiner Meinung nach auf einer Überspannung der Prüfungsanforderungen beruht, mit der Folge, dass die
Grenzen des Bewertungsspielraums als überschritten anzusehen sind.
3. Die Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung fällt grundsätzlich in den der gerichtlichen Überprüfung entzogenen
Bewertungsspielraum der Prüfer:innen. Gerichte können nur darüber befinden, ob die äußersten Grenzen dieses Bewertungsspielraums
überschritten worden sind. Das Gericht darf das Urteil der Prüfer:innen über den angemessenen Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe
bzw. die angemessene Strenge der Maßstäbe bei der Bewertung ihrer Lösung demnach nur dann verwerfen, wenn dieses schlechterdings
unverständlich erscheint, weil es die durchschnittlichen Anforderungen an einen angehenden Steuerberater erkennbar überspannt
(, BFH/NV 2000 S. 755).
4. Darüber hinaus liegt eine Verletzung der Bewertungsmaßstäbe nur dann vor, wenn sich im Rahmen der Überprüfung der bei der
Prüfungsbewertung angelegten Bewertungsmaßstäbe feststellen lässt, dass die Prüfungsanforderungen nicht an dem Ziel und Zweck
der Prüfung (§ 37 Abs. 1 StBerG in Verbindung mit § 33 StBerG), sondern an sachfremden Erwägungen orientiert waren, insbesondere
wenn die Absicht verfolgt wurde, den Zugang zum Beruf des Steuerberaters zahlenmäßig zu beschränken.
5. Wurden den Prüfern Musterlösungen und Notentabellen zur Verfügung gestellt und haben die Prüfer Punkte anhand eines eigenen
Beurteilungsspielraums vergeben und die Note anhand der Notentabelle gebildet, so ist dieses Vorgehen prüfungsrechtlich nicht
zu beanstanden.
6. Es gibt keinen (verfahrensrechtlichen) Anspruch des Prüflings dahin, dass die Prüfer:innen ihre prüfungsspezifischen Erwägungen
erschöpfend oder jedenfalls nachvollziehbar darlegen. Auch die Gesamtbewertung einer Klausur müssen die Prüfer:innen nicht
mit sämtlichen tragenden Gründen im Rahmen der Erstbewertung dokumentieren. Allerdings folgt aus dem in Art. 19 Abs. 4 GG
verankerten Recht auf effektiven Rechtsschutz, dass Prüfungsentscheidungen soweit zu begründen sind, dass der Prüfling in
die Lage versetzt wird, seine Rechte sachgemäß zu verfolgen. Aus der – auch im Überdenkungsverfahren nachholbaren – Begründung
muss zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein, welchen Sachverhalt
sowie welche allgemeinen oder besonderen Bewertungsmaßstäbe die Prüfer:innen zugrunde gelegt haben und auf welcher wissenschaftlich-fachlichen
Annahme der Prüfer:innen die Benotung beruht.
7. Nachvollziehbare und substantiierte Einwendungen des Prüflings gegen die Prüfungsentscheidung sind zudem im Überdenkungsverfahren
hinreichend zu würdigen, was auch eine entsprechende Begründung der Überdenkungsentscheidung erforderlich macht.
Fundstelle(n): DStRE 2023 S. 1532 Nr. 24 FAAAJ-32180
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