BSG Beschluss v. - B 2 U 194/21 B

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage gem § 160 Abs 2 Nr 1 SGG - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit - höchstrichterlicher Klärung - ausreichende Anhaltspunkte aus mehreren höchstrichterlichen Entscheidungen)

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: SG Stralsund Az: S 14 U 36/14 Urteilvorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: L 5 U 90/14 Urteil

Gründe

1I. Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit über diverse Geld- und Sachleistungsansprüche des Klägers aufgrund eines Unfalls, den er in Schweden als Arbeitnehmer einer schwedischen Firma erlitten hat.

2Die nach erfolglos durchgeführtem Verwaltungsverfahren erhobene Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ).

3Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG rügt der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wegen der Gewährung von Verletztenrente und von Leistungen des persönlichen Budgets.

4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Der Kläger konnte die Beschwerde zwar wirksam auf die Streitgegenstände der Gewährung einer Verletztenrente und von Leistungen aus dem persönlichen Budget beschränken (vgl zB - SozR 4-1500 § 160a Nr 19 RdNr 3 mwN; Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2. Aufl 2021, § 160 RdNr 24 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13g). Die Begründung genügt aber nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) für keinen der Streitgegenstände formgerecht dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

51. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit, also Entscheidungserheblichkeit, sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, sog Breitenwirkung, darlegen (stRspr; zB - juris RdNr 3; - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5; - juris RdNr 5; jeweils mwN).

6Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung. Sie versäumt es bereits, den vom LSG festgestellten Sachverhalt (§ 163 SGG) und die maßgebliche Verfahrensgeschichte ausreichend darzustellen, obwohl eine verständliche Sachverhaltsschilderung zu den Mindestanforderungen einer Grundsatzrüge gehört (stRspr; zB - juris RdNr 7 mwN; - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21, juris RdNr 3; zur Verfassungskonformität dieser Anforderungen vgl zB BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 1412/99 - SozR 3-1500 § 160a Nr 31 S 61, juris RdNr 9 mwN). Hierfür genügt der Vortrag des Klägers schon deshalb nicht, weil die Wiedergabe von Auszügen des Urteils des LSG die verfahrensrechtliche Einbettung des Streitgegenstandes offenlässt. Deshalb kann der Senat zB nicht prüfen, ob die zur Beantwortung gestellte Frage im beabsichtigten Revisionsverfahren überhaupt entscheidungserheblich (klärungsfähig) wäre.

8Der Kläger hat indes die Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Letzteres bestimmt sich nach dem Gesetzeswortlaut, der Rechtssystematik sowie den Gesetzesmaterialien (zB - juris RdNr 9; - juris RdNr 9 mwN; - juris RdNr 10; s auch - BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4 S 5, juris RdNr 7). Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht sie zwar in der konkreten Fallgestaltung noch nicht ausdrücklich entschieden hat, aber bereits eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl zB - juris RdNr 6; - juris RdNr 6 mwN; - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 8; - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17, juris RdNr 7). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG sowie ggf der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Entscheidungen die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei (stRspr; zB - juris RdNr 6; - juris RdNr 6 mwN; - juris RdNr 13; - juris RdNr 10; - juris RdNr 7 mwN).

9Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlt an substanzieller Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen für eine Analogie. Der Kläger hätte darlegen müssen, welche Rechtsgrundsätze es für die Feststellung einer Regelungslücke gibt und inwieweit diese angesichts des vorliegenden Verfahrens einer weiteren Ausgestaltung und Fortentwicklung bedürfen. Ebenso hätte es der Auseinandersetzung mit dem Anwendungsbereich der nationalen Regelung des § 14 Abs 2 SGB IX und seiner Übertragbarkeit auf einen grenzüberschreitenden Sachverhalt vor dem Hintergrund des koordinierenden Sozialrechts und insbesondere der VO (EG) Nr 883/2004 und VO (EG) Nr 987/2009 bedurft. Auch hierzu enthält der Beschwerdevortrag nichts.

10Darüber hinaus fehlt es an hinreichenden Ausführungen zur Klärungsfähigkeit. Nach seinem Vortrag in der Beschwerdebegründung hat der Kläger von Anfang an Leistungen von der Beklagten und gerade nicht vom schwedischen Versicherungsträger begehrt. Insoweit hätte sich die Beschwerdebegründung näher mit den Voraussetzungen einer Zuständigkeit der Beklagten durch pflichtwidriges Unterlassen einer Weiterleitung an den zuständigen Träger auseinandersetzen müssen. Unabhängig davon hätte der Kläger konkret darlegen müssen, dass ihm im Fall der Bejahung einer Analogie die begehrten Leistungen auch zu gewähren, mithin deren Voraussetzungen erfüllt wären. Die bloße Behauptung, der Kläger habe den geltend gemachten Anspruch, wenn die Frage bejaht werde, reicht hierfür nicht aus.

112. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

123. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).

134. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.Roos                Karmanski                Karl

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:011222BB2U19421B0

Fundstelle(n):
NAAAJ-32147