BGH Beschluss v. - X ZR 58/20

Instanzenzug: Az: X ZR 58/20 Urteilvorgehend Az: 1 Ni 6/18

Gründe

1I. Die Anhörungsrüge ist unzulässig, weil es an der erforderlichen Darlegung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung fehlt.

21. Die Beklagte rügt, der Senat habe eigene Sachkunde in Anspruch genommen, indem er die Merkmalsgruppe 3 des Patentanspruchs ausgelegt habe, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen; zudem habe der Senat nicht darauf hingewiesen, dass er ohne Sachverständigen entscheiden wolle.

3Damit ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargelegt.

4Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Auslegung eines Patentanspruchs eine Rechtsfrage. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt in diesem Zusammenhang nur in Betracht, soweit es um tatsächliche Umstände geht, die für die Auslegung von Bedeutung sind, etwa bestimmte Kenntnisse des Fachmanns am Prioritätstag.

5Solche Umstände zeigt die Beklagte nicht auf.

62. Die Beklagte macht geltend, der Senat hätte seine Entscheidung nicht treffen dürfen, ohne gemäß § 132 GVG den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen.

7Damit ist eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ebenfalls nicht aufgezeigt. Die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte darf im Verfahren gemäß § 122a PatG und § 321a ZPO nicht gerügt werden (, NJW 2016, 3035 Rn. 22).

8Unabhängig davon weicht das angefochtene Urteil nicht von der Rechtsprechung anderer Senate ab.

93. Die Beklagte macht geltend, der Senat habe seiner Entscheidung zu Unrecht Feststellungen des Patentgerichts zugrunde gelegt und dessen Urteil allein auf Rechtsfehler untersucht und damit die Berufung der Beklagten, die eine (weitere) Tatsacheninstanz eröffne, in der die von den Parteien vorgebrachten Argumente fachlich bewertet werden müssten, zu Unrecht wie eine Revision behandelt.

10Damit ist ebenfalls keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dargelegt.

11Nach § 117 Satz 1 PatG in Verbindung mit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind der Verhandlung und der Entscheidung im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren die vom Patentgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

12Die Beklage verweist in diesem Zusammenhang lediglich pauschal darauf, dass in der mündlichen Verhandlung und im angefochtenen Urteil des Senats mehrfach auf die Feststellungen des Patentgerichts Bezug genommen worden sei. Sie hat indessen weder im Berufungsverfahren noch in ihrer Anhörungsrüge aufgezeigt, in Bezug auf welche Tatsachen ihrer Ansicht nach eine erneute Feststellung geboten gewesen wäre.

134. Soweit sich die Beklagte gegen die Erwägungen des Senats zu den Anregungen wendet, die sich für den Fachmann aus D4 ergeben haben, greift sie ihren Vortrag in ihrer Berufungsbegründung auf.

14Der Senat ist dieser Argumentation im angefochtenen Urteil nicht beigetreten. Darin liegt keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG.

155. Die Beklagte macht geltend, der Senat habe ihren Vortrag übergangen, dass der als "IP Attorney" unterzeichnende weitere Vertreter der Beklagten gemäß § 14 EuPAG als dienstleistender europäischer Patentanwalt vertretungsbefugt sei.

16Damit ist ebenfalls keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG aufgezeigt.

17Der Senat hat im Einzelnen dargelegt, warum der Vertreter nicht als dienstleistender europäischer Patentanwalt vertretungsbefugt ist. Auf die von der Beklagten angeführte Regelung in § 14 EuPAG brauchte er hierbei nicht einzugehen, weil es schon an den - kumulativ erforderlichen - Voraussetzungen nach § 13 EuPAG fehlt.

18Ebenfalls unerheblich ist der Vortrag, der Vertreter sei seit vielen Jahren im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 RDG stimmen mit denjenigen von § 13 EuPAG nicht überein. Die Vertretungsbefugnis in Patentnichtigkeitsverfahren richtet sich allein nach der zuletzt genannten Vorschrift.

19II. Soweit die Beklagte eine zu niedrige Festsetzung des Streitwerts rügt, ist ihr Rechtsbehelf nicht zulässig. Die Parteien sind durch einen zu niedrigen Streitwert nicht beschwert.

20III. Die als Gegenvorstellung zu berücksichtigenden Ausführungen der Beklagten geben keine Veranlassung zu einer höheren Bemessung des Streitwerts.

21Die von der Beklagten angestellten Berechnungen zur Zahl der von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge und der damit erzielten Umsätze bilden keine hinreichende Grundlage für eine höhere Bemessung des Streitwerts. Die Beklagte hat keine konkreten Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Behauptung aufgezeigt, die erfindungsgemäße Vorrichtung werde in fast jedes neue Fahrzeug eingebaut.

22IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:201222BXZR58.20.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-31915