Berücksichtigung von aufschiebend bedingten Lasten für Zwecke der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer; Konsequenzen aus dem -
Bezug:
Bezug: BStBl 1977 II S. 211
1Wenn ein Erwerb von Todes wegen oder eine freigebige Zuwendung mit einer aufschiebend bedingten Last belastet ist, dann wird diese Last bis zum Eintritt der Bedingung nicht bei der Besteuerung berücksichtigt (§ 6 Absatz 1 des Bewertungsgesetzes - BewG). Tritt die Bedingung ein, so ist die Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert der Last zu berichtigen (§ 6 Absatz 2 i. V. m. § 5 Absatz 2 BewG). In dem Sachverhalt, der dem , BStBl 2022 II S. 66) zugrunde liegt, wurde Vermögen übertragen, welches mit einer aufschiebend bedingten Rentenverbindlichkeit belastet war. Streitig war, mit welchem Wert die Rentenlast nach dem Eintritt der Bedingung bei der Besteuerung des Beschenkten bereicherungsmindernd zu berücksichtigen war.
2Der BFH hat in dem Urteil entschieden, dass die Rentenlast auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten ist. Bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Rentenlast ist der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger zugrunde zu legen. Eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung für den Erwerb des belasteten Beschenkten lehnte der BFH ab.
Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt bei der Anwendung des Urteils Folgendes:
1. Maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung einer zuvor aufschiebend bedingten Last
3Grundsätzlich kommen für die Bewertung einer zuvor aufschiebend bedingten Last zwei Zeitpunkte in Betracht:
der Zeitpunkt der Steuerentstehung und
der Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung.
Wenn es sich bei der Last um ein Recht handelt (wie z. B. in dem vom BFH entschiedenen Sachverhalt um ein Rentenrecht), das erst durch den Eintritt einer Bedingung entsteht, dann ist dieses Recht mit seinem Wert im Zeitpunkt des-Eintritts der Bedingung zu berücksichtigen. Bei Nutzungsrechten, deren Dauer vom Leben einer oder mehrerer Personen abhängt, ist bei der Ermittlung des Kapitalwerts der sich auf den Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung ergebende Vervielfältiger zugrunde zu legen.
4Handelt es sich bei dem Vermögensgegenstand, auf den sich die Last bezieht, um einen Vermögensgegenstand, der nicht Teil des belasteten Erwerbs war, sondern dem Erwerber bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung gehörte, so ist der Wert dieses Vermögensgegenstandes ebenfalls auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung zu ermitteln. Das Gleiche gilt in Fällen, in denen der Erwerber den Vermögensgegenstand, auf den sich die Last bezieht, erst nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung erwirbt.
5Handelt es sich bei dem Vermögensgegenstand, auf den sich die Last bezieht, hingegen um einen Vermögensgegenstand, der Teil des belasteten Erwerbs war, so erfolgt die Bewertung dieses Vermögensgegenstandes auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung für dessen Erwerb (vgl. , BStBl 1977 II S. 211). Die Korrespondenz zum Wertansatz des Vermögensgegenstands in demselben Erwerb ist insoweit vorrangig gegenüber der Korrespondenz der Last mit dem Wertansatz für den Erwerb des Begünstigten auf einen anderen Stichtag.
A schenkt B am ihren Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG, behält sich aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Kommanditanteil vor. B ist verpflichtet, nach dem Tod der A zu Lasten des Kommanditanteils einen monatlichen, wertgesicherten Betrag in Höhe von 4 000 EUR an den C (geboren am ) bis zu dessen Tod zu zahlen. Nach dem Tod der A am beantragt B die Korrektur der Schenkungsteuerfestsetzung. Die nunmehr unbedingt gewordene Rentenlast ist von dem Erwerb der B abzuziehen.
Da es sich bei der Last um ein Recht handelt, das erst durch den Eintritt der Bedingung entsteht, erfolgt die Bewertung der Rentenlast auf den Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung (vgl. Rz. 3). Der Wert der Rentenlast wird wie folgt ermittelt:
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Zeitpunkt des Bedingungseintritts (Tod der
A) | |
Lebenslänglich laufende monatliche Rente an
C | 4
000 EUR |
Geschlecht des Rentenempfängers C | männlich |
Geburtsdatum des Rentenempfängers C | |
Berechnung: | |
Alter des Rentenempfängers C am
| 73
Jahre |
Vervielfältiger | 9,059 |
Jahreswert der Rente (12 x 4 000 EUR) | 48
000 EUR |
Gegenwartswert der Rente im Jahr 2022 (9,059 x 48 000
EUR) | 434 832 EUR |
Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs der B ist - vorbehaltlich einer Abzinsung (vgl. Rz. 10) - ein Wert der Last in Höhe von 434 832 EUR zu berücksichtigen.
A schenkt B am Geschäftsanteile i.H.v. 100 % an der Z-GmbH mit der Auflage, bei Eintritt einer aufschiebenden Bedingung die Hälfte der Geschäftsanteile an C herauszugeben, wobei zwischenzeitlich gezogene Nutzungen bei B verbleiben sollen. Der Wert der Z-GmbH beträgt am 2 000 000 EUR. Die aufschiebende Bedingung tritt am ein, woraufhin B 50 % der Geschäftsanteile an der Z-GmbH auf C überträgt. Der Wert der Z-GmbH beträgt zu diesem Zeitpunkt 5 000 000 EUR. Der Zeitraum zwischen der Schenkung und dem Bedingungseintritt beträgt vier Jahre.
Da die an C herauszugebenden Geschäftsanteile Teil des belasteten Erwerbs des B waren, ist der Bewertung der nunmehr unbedingt gewordenen Last des B der Wert der Z- GmbH zum Zeitpunkt der Schenkung im Jahr 01 zugrunde zu legen (vgl. Rz. 5). Es ergibt sich – vorbehaltlich einer Abzinsung (vgl. Rz. 10) – ein Wert der Last in Höhe von 1 000 000 EUR. Somit verbleibt bei B ein Erwerb in Höhe 1 000 000 EUR. Dies entspricht dem Wert der im Jahr 01 bei B verbliebenen Geschäftsanteile.
Würde man die beim Erwerb des B zu berücksichtigende Last dagegen auf Basis des Werts der Z-GmbH im Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung bewerten (Jahr 05), so hätte die Last – vorbehaltlich einer Abzinsung – einen Wert von 2 500 000 EUR. I3ei B verbliebe somit nach Abzug der Last kein positiver Erwerb mehr, obwohl B weiterhin die Hälfte der Geschäftsanteile verbleiben.
Auch in dem Fall, dass der Wert der Z-GmbH gesunken ist, wäre eine Bewertung auf Basis des Werts im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung zu verwerfen: Angenommen die Z-GmbH hätte im Jahr 05 nur noch einen Wert von 500 000 EUR, dann hätte die Last auf Basis des Werts der Z-GmbH im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung – vorbehaltlich einer Abzinsung – einen Wert von 250 000 EUR. B müsste dann einen Erwerb von 1 750 000 EUR versteuern, obwohl bei ihm auf Basis der Wertverhältnisse im Jahr 01 (100 % Z-GmbH = 2 000 000 EUR) tatsächlich nur ein Erwerb von 1 000 000 EUR (= 50 % Z-GmbH) verblieben ist.
2. Abzinsung einer aufschiebend bedingten Last für die Schwebezeit zwischen Rechtsgeschäft und Bedingungseintritt
6Der BFH hat in dem entschiedenen Sachverhalt die Abzinsung der zuvor aufschiebend bedingten Last abgelehnt. Danach habe es im Zeitpunkt der gemischten Schenkung für die Abzinsung der Last an einem bestimmten Fälligkeitszeitpunkt gefehlt und im Zeitpunkt des Bedingungseintritts hätten die Voraussetzungen des § 12 Absatz 3 BewG (mehr als einjährige Laufzeit einer zinslos gestundeten Forderung) nicht mehr Vorgelegen.
7In dem Urteilssachverhalt war die Last im Zeitpunkt der Schenkung auf Grund der aufschiebenden Bedingung steuerlich nicht zu berücksichtigen. Die Frage nach einer Abzinsung stellte sich daher zunächst nicht. Mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung war die Festsetzung der Schenkungsteuer nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen (§ 6 Absatz 2 i. V. m. § 5 Absatz 2 BewG). Bei der Berichtigung ist zu berücksichtigen, dass nunmehr bekannt ist, für welchen Zeitraum die Fälligkeit der Last unverzinslich hinausgeschoben wurde. Entgegen der Auffassung des BFH ist dieser Umstand nicht bereits durch die Kapitalisierung mit dem geringeren Vervielfältiger im Zeitpunkt des Bedingungseintritts gegenüber dem Vervielfältiger im Zeitpunkt der Steuerentstehung berücksichtigt.
8Mit dem Kapitalwert der Rentenlast wird lediglich der Wert der Rentenverbindlichkeit ausgehend vom Zeitpunkt des Bedingungseintritts abgebildet. Der Zeitraum zwischen der Ausführung der Schenkung bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung wurde damit noch nicht berücksichtigt.
9Auch nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung liegt eine hinausgeschobene Fälligkeit vor. Geht man vom Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung aus, so ist die Last sofort fällig. Maßgebend ist aber der Besteuerungszeitpunkt des Erwerbs. Davon ausgehend ist die Fälligkeit zumindest bis zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts hinausgeschoben.
10Ist die Fälligkeit einer Last, sei es auf Grund einer festen zeitlichen Bestimmung oder auf Grund einer aufschiebenden Bedingung, unverzinslich hinausgeschoben, so ist der (Kapital-)Wert der Last für diesen Zeitraum im Wege der Abzinsung zu mindern, um die für den Erwerber geringere Belastung zu berücksichtigen. Hierdurch wird auch der Umstand berücksichtigt, dass der Erwerber die Möglichkeit hat, das Kapital bzw. die herauszugebende Sache in der Zwischenzeit zu nutzen. Bei Kapitalforderungen ergibt sich die Grundlage für die Abzinsung ausdrücklich aus § 12 Absatz 3 BewG. Der Rechtsgedanke der Vorschrift ist jedoch darüber hinaus auch bei der Bewertung von aufschiebend bedingten Lasten, die sich nicht auf Kapitalforderungen beziehen, zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich um einen Ausfluss aus dem Grundsatz der Bewertung mit dem gemeinen Wert (§ 6 Absatz 2 i. V. m. § 5 Absatz 2 und § 9 BewG).
11Wenn die Bewertung der Last mit dem (Kapital-)Wert zum Zeitpunkt der Steuerentstehung für den Erwerb des Belasteten vorgenommen wird (vgl. Rz. 5), dann erfolgt ebenso eine Abzinsung, da die Fälligkeit der Last hinausgeschoben ist. In diesen Fällen wird durch die Abzinsung die geringere Belastung des Herausgebenden berücksichtigt, welche sich daraus ergibt, dass die Herausgabe erst geraume Zeit nach dem Erwerb erfolgt und die Nutzungen für die Zwischenzeit bei dem Herausgebenden verbleiben.
12Muss der zur Herausgabe Verpflichtete neben dem Vermögensgegenstand auch die zwischenzeitlichen Nutzungen herausgeben, so scheidet eine Abzinsung aus, da die Fälligkeit dann nicht unverzinslich hinausgeschoben ist.
Der Wert der Rentenlast ist auf den Stichtag der Steuerentstehung für den Erwerb der Beschenkten abzuzinsen.
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Besteuerungszeitpunkt | |
Gegenwartswert der Rentenlast | 434 832 EUR |
Zeitpunkt des Bedingungseintritts | |
Laufzeit der aufgeschobenen Bedingung | |
–
= 11 Jahre, 1
Monat | |
Berechnung: | |
Abzinsungsfaktor für 12 Jahre | 0,526 |
Abzinsungsfaktor für 11 Jahre | 0,555 |
Differenz | -0,029 |
davon 1/12 | -0,002 |
interpoliert (0,555 - 0,002) | 0,553 |
Abgezinster Wert (0,553 x 434 832 EUR) | 240 462 EUR |
Der Wert der Last ist auf den Stichtag der Steuerentstehung für den Erwerb des Beschenkten abzuzinsen. Der abgezinste Wert (Abzinsungsfaktor für 4 Jahre 0,807 x 1 000 000 EUR) beträgt 807 000 EUR.
Inhaltlich gleichlautend
Oberste Finanzbehörden der
Länder v. - S 3103
Ministerium für Finanzen
Baden-Württemberg - FM3–S
3810–1/56
Bayerisches Staatsministerium der Finanzen
und für Heimat - 34–S 3100
–1/2
Senatsverwaltung für Finanzen
Berlin - S
3100–4/2022–1
Ministerium der Finanzen und für Europa des
Landes Brandenburg - 36 – S
3103 –2019#01#01
Der Senator für Finanzen der Freien
Hansestadt Bremen - S
3101–1/2017–2/2022 13–5
Finanzbehörde der Freien und Hansestadt
Hamburg - S 3103– 2022/002
– 53
Hessisches Ministerium der
Finanzen - S 3851
A–008–II6a
Finanzministerium
Mecklenburg-Vorpommern - S
3834–00000–2021/001
Niedersächsisches
Finanzministerium - S
3103–24 – 351
Ministerium der Finanzen des Landes
Nordrhein-Westfalen - S
3103–5/2022–020097–VA 6
Ministerium der Finanzen
Rheinland-Pfalz - S
3811#2021/0008–0401 448
Saarland Ministerium der Finanzen und für
Wissenschaft - S
3103-1#002
Sächsisches Staatsministerium der
Finanzen - 35–S
3812a/14/3–2022/79688
Ministerium der Finanzen des Landes
Sachsen-Anhalt - 43– S
3811 –37
Finanzministerium des Landes
Schleswig-Holstein - VI 353 – S
3812– 014
Thüringer
Finanzministerium - –22–S
3103/2
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2023 I Seite 172
VAAAJ-31813