BGH Beschluss v. - XII ZB 100/22

Ehewohnung: Zulässigkeit der Teilungsversteigerung in der Trennungszeit; Wahrung der schutzwürdigen Belange des teilungsunwilligen Ehegatten

Leitsatz

1. Der Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe und der grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Scheidung fortbestehende Charakter der ehelichen Immobilie als Ehewohnung gebieten es nicht, eine Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie in der Trennungszeit ohne eine Abwägung der beiderseitigen Interessen generell als unzulässig anzusehen (Fortführung von , BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244).

2. Die schutzwürdigen Belange des teilungsunwilligen Ehegatten werden durch ein Schrankensystem aus materiell-rechtlichen Einwendungen nach §§ 1365, 1353 Abs. 1 Satz 2, 242 BGB, die im Drittwiderspruchsverfahren geltend zu machen sind, und vollstreckungsschützenden Vorschriften im Teilungsversteigerungsverfahren nach § 180 Abs. 2 und 3 ZVG, § 765a ZPO gewahrt.

Gesetze: § 242 BGB, § 749 Abs 1 BGB, § 753 Abs 1 BGB, § 1353 Abs 1 S 2 BGB, § 1361b BGB, § 1365 Abs 1 BGB, § 765a ZPO, § 771 ZPO, § 180 Abs 2 ZVG, § 180 Abs 3 ZVG

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 6 UF 135/21 Beschlussvorgehend AG Fürth (Odenwald) Az: 4 F 168/20 RI

Gründe

A.

1Die Beteiligten sind getrenntlebende Ehegatten und streiten um die Zulässigkeit der Teilungsversteigerung einer in ihrem jeweils hälftigen Miteigentum stehenden Immobilie.

2Der 1972 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) ist türkischer Staatsangehöriger. Die 1980 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) besitzt seit der Geburt die türkische und seit 1998 auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Aus ihrer im Jahr 2000 geschlossenen Ehe sind zwei in den Jahren 2004 und 2008 geborene Töchter hervorgegangen. Die Eheleute erwarben im Jahr 2017 ein in zwei Wohnungseigentumseinheiten aufgeteiltes Mehrfamilienhaus für einen Kaufpreis von 305.000 €. Eine der beiden Wohnungseigentumseinheiten wurde als Ehewohnung genutzt. Die andere Wohnungseigentumseinheit wurde baulich in zwei Mietwohnungen unterteilt und danach fremdvermietet. Zur Finanzierung des Immobilienerwerbs nahmen die Eheleute einen Kredit in Höhe von 250.000 € auf, dessen monatliche Zins- und Tilgungsraten durch die Mieteinnahmen nicht vollständig gedeckt werden. Den Ehegatten gehört daneben gemeinsam ein Ferienhaus in Marmaris/Türkei.

3Die Beteiligten trennten sich im Juni 2018. Der Ehemann leitete im September 2018 in der Türkei das Scheidungsverfahren ein. Die Ehefrau hat in dem türkischen Verfahren zwischenzeitlich einen eigenen Scheidungsantrag gestellt.

4Die Ehefrau ist nach dem Auszug des Ehemanns mit den gemeinsamen Töchtern in der Ehewohnung geblieben. Sie bezieht eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 1.085 €, vereinnahmt die Mieten aus den beiden Mietwohnungen im Haus und trägt die Kreditraten. Der Ehemann leistet weder Kindes- noch Trennungsunterhalt und bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Er betreibt die Teilungsversteigerung in beide Wohnungseigentumseinheiten.

5Im vorliegenden Verfahren hat sich die Ehefrau mit einem Drittwiderspruchsantrag gegen die Teilungsversteigerung der als Ehewohnung genutzten Wohnungseigentumseinheit gewendet. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Ehefrau ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Ehefrau ihr Begehren weiter, die Teilungsversteigerung in den als Ehewohnung genutzten Wohnungseigentumsanteil für unzulässig erklären zu lassen.

B.

6Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

I.

7Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in juris (OLG Frankfurt Beschluss vom - 6 UF 135/21) veröffentlicht ist, ist davon ausgegangen, dass der Ehefrau kein die Teilungsversteigerung hinderndes Recht zustehe, und hat dies wie folgt begründet:

8Die Vorschrift des § 1365 Abs. 1 BGB entfalte zu Gunsten der Ehefrau keine Rechtswirkungen, weil den Beteiligten neben der zur Teilungsversteigerung anstehenden Ehewohnung und dem weiteren im gleichen Haus befindlichen Wohnungseigentum noch eine offensichtlich werthaltige Ferienimmobilie in der Türkei gehöre.

9Der sich aus § 749 Abs. 1 BGB ergebende Anspruch auf Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft sei hinsichtlich der Ehewohnung nicht durch einen spezialgesetzlichen Vorrang nach § 1361 b BGB bis zur Rechtskraft der Scheidung ausgeschlossen. § 1361 b BGB betreffe die Nutzung der Ehewohnung bei Getrenntleben der Ehegatten. Zur Auflösung von Miteigentum, die allenfalls mittelbaren Einfluss auf die Nutzungsmöglichkeit habe, verhalte sich die Vorschrift aber nicht. Die Belange des die Ehewohnung nutzenden Ehegatten und der Kinder seien durch § 180 Abs. 2 und 3 ZVG geschützt. Zudem würde sich ein Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung über den unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Wohnvorteil ergeben. Diese knüpfe die unterhaltsrechtliche Zurechnung des vollen objektiven Mietwerts gerade daran an, dass dem nutzenden Ehegatten ein Auszug aus der Ehewohnung bereits nach dem endgültigen Scheitern der Ehe und schon vor der Scheidung zumutbar sei. Dies würde mit einem generellen Ausschluss der wirtschaftlichen Verwertung einer im Miteigentum stehenden Ehewohnung vor Rechtskraft der Scheidung nicht in Einklang zu bringen sein.

10Die sich aus § 1353 Abs. 1 BGB ergebende Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft und das daraus abgeleitete Rücksichtnahmegebot begründeten kein allgemeines Verbot der Auflösung des Miteigentums an der Ehewohnung, sondern verlangten nur die umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen. Dabei sei die von der Ehefrau behauptete und von dem Ehemann bestrittene gesundheitliche Situation mangels Beweisangebots nicht zu berücksichtigen. Zu Gunsten der Ehefrau sei zu berücksichtigen, dass die Ehewohnung auch von den gemeinsamen Kindern genutzt werde und dass der Ehemann für die Kinder keinen Unterhalt zahle, wobei der letztgenannte Umstand im Hinblick auf die Eigeneinkünfte der in einem Ausbildungsverhältnis stehenden älteren Tochter und die Unterhaltsvorschussleistungen für die jüngere Tochter nicht von allzu großer Bedeutung sei. Auf der anderen Seite sei aber die schwierige wirtschaftliche Situation des Ehemanns in den Blick zu nehmen, der wegen der für das ganze Haus aufgenommenen Finanzierung nicht darauf verwiesen werden könne, zunächst nur die fremdvermietete Wohnungseigentumseinheit zu verwerten. Dabei sei zwar infolge der hohen Belastung des Hauses und der voraussichtlich anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung kein allzu großer Versteigerungserlös zu erwarten, was aber angesichts der derzeit bestehenden Sozialleistungsbedürftigkeit des Ehemanns kein ausschlaggebendes Gewicht erlangen könne. Schließlich seien das schon über drei Jahre andauernde Getrenntleben und die beiderseitige Stellung des Scheidungsantrags zu berücksichtigen, so dass die Gesamtbetrachtung aller Umstände nahelege, dem Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der offensichtlich gescheiterten Ehe und der „nachehelichen“ Solidarität keine durchgreifende Bedeutung mehr beizumessen.

II.

11Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

121. Zutreffend sind die rechtlichen Ausgangspunkte des Beschwerdegerichts.

13a) Mit Recht hat das Beschwerdegericht den Drittwiderspruchsantrag der Ehefrau als zulässig angesehen. Der Ehemann betreibt die Teilungsversteigerung zur Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft, welche die Beteiligten hinsichtlich des als Ehewohnung genutzten Wohnungseigentumsanteils bilden. Nach § 749 Abs. 1 BGB kann jeder Teilhaber einer Gemeinschaft nach Bruchteilen jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen, die bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten gemäß § 753 Abs. 1 BGB durch Zwangsversteigerung gemäß §§ 180 f. ZVG und durch Teilung des Erlöses bewirkt wird. Da im Rahmen des vollstreckungsrechtlichen Verfahrens grundsätzlich nicht überprüft wird, ob aus dem Grundbuch nicht ersichtliche materielle Rechte oder Einwendungen der Teilungsversteigerung entgegenstehen könnten, kann der Miteigentümer-Ehegatte, der mit der Versteigerung nicht einverstanden ist, diese Rechte oder Einwendungen in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 771 ZPO im Wege eines („unechten“) Drittwiderspruchsantrags geltend machen, obwohl die Teilungsversteigerung im engeren Sinn keine Zwangsvollstreckung und der widersprechende Miteigentümer-Ehegatte nicht Dritter im Sinne des § 771 ZPO ist (vgl. Senatsurteil vom - IVb ZR 34/84 - FamRZ 1985, 903 f. mwN; - FamRZ 1984, 563, 564 mwN).

14b) Zu den Gegenrechten, die auf diese Weise geltend zu machen sind und das Verlangen eines Miteigentümer-Ehegatten nach Aufhebung der Gemeinschaft beschränken, gehören neben dem - allenfalls in Ausnahmefällen denkbaren - Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) sowohl der Einwand, dass der Miteigentumsanteil an einem Grundstück das ganze Vermögen eines im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten darstelle und der Antrag auf Anordnung der Teilungsversteigerung daher entsprechend § 1365 Abs. 1 BGB der Zustimmung des anderen Miteigentümer-Ehegatten bedurft hätte (vgl. - FamRZ 2007, 1634 Rn. 9 ff. mwN), als auch die Einwendung, dass der die Aufhebung der Gemeinschaft betreibende Ehegatte mit dem Antrag auf Anordnung der Teilungsversteigerung über die noch von dem anderen Miteigentümer-Ehegatten genutzte Ehewohnung gegen seine aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB hergeleiteten ehelichen Fürsorge- und Rücksichtnahmepflichten verstoße (vgl. Senatsurteil vom - IVb ZR 83/86 - FamRZ 1988, 143 mwN).

15c) Die Anwendbarkeit der genannten familienrechtlichen Vorschriften auf den zur Beurteilung stehenden Sachverhalt wird durch den internationalen Bezug der Ehe der Beteiligten nicht in Frage gestellt. Die sich aus der Ehe und der Verpflichtung zum Erhalt der Grundlagen der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Verfügungsbeschränkungen über die Ehewohnung werden kollisionsrechtlich - jedenfalls für die zeitlich vor dem Geltungsbeginn der Verordnung (EU) Nr. 2016/1103 des Rates vom zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands (EuGüVO) am (vgl. Art. 69 Abs. 3 EuGüVO) geschlossenen Ehen - grundsätzlich zu den allgemeinen Ehewirkungen im Sinne des Art. 14 EGBGB gerechnet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn diese Beschränkungen - wie bei § 1365 BGB - Ausfluss eines bestimmten ehelichen Güterstands sind; in diesem Fall sind sie güterrechtlich zu qualifizieren (vgl. NK-BGB/Andrae 4. Aufl. Art. 14 EGBGB Rn. 59; Staudinger/Mankowski BGB [2010] Art. 14 EGBGB Rn. 302 f.; MünchKommBGB/Looschelders 8. Aufl. Art. 14 EGBGB Rn. 74).

16Die allgemeinen Ehewirkungen unterliegen im vorliegenden Fall dem deutschen Recht. Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB aF für eine Anknüpfung an die gemeinsame türkische Staatsangehörigkeit der Ehegatten liegen nicht vor, weil die Ehefrau auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und diese schon gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB auch bei der Bestimmung des auf die allgemeinen Ehewirkungen anwendbaren Rechts vorgeht (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 188/99 - FamRZ 2003, 1737, 1738; Staudinger/Mankowski BGB [2010] Art. 14 EGBGB Rn. 35 mwN). Abzustellen ist daher gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB aF auf das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts und damit auf deutsches Sachrecht, weil die Beteiligten in Deutschland leben. Da die gemäß Art. 229 § 47 Abs. 1 EGBGB für die allgemeinen Ehewirkungen seit dem grundsätzlich maßgebliche Neufassung des Art. 14 EGBGB beim Fehlen einer Rechtswahl nunmehr sogar vorrangig an den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten anknüpft (Art. 14 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB), ist es bei der Ehe der Beteiligten seit dem hinsichtlich der allgemeinen Ehewirkungen nicht zu einem Statutenwechsel gekommen.

17Auch das Güterrechtsstatut richtet sich nach deutschem Recht. Die maßgeblichen Vorschriften für die güterrechtliche Anknüpfung sind mangels intertemporaler Anwendbarkeit der Europäischen Güterrechtsverordnung noch dem früheren Kollisionsrecht zu entnehmen (vgl. Art. 229 § 47 Abs. 2 EGBGB). Weil insoweit keine Anhaltspunkte für eine Rechtswahl der Beteiligten (Art. 15 Abs. 2 EGBGB aF) bestehen, werden die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe gemäß Art. 15 Abs. 1 EGBGB aF von dem bei der Eheschließung im Jahr 2000 für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebenden Recht beherrscht. Die Ehefrau besaß bereits zu diesem Zeitpunkt die (auch) deutsche Staatsangehörigkeit, so dass eine Anknüpfung nach Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB aF an das gemeinsame türkische Heimatrecht der Beteiligten nicht in Betracht kommt. Weil im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Ehegatten während ihrer Ehe einen anderen gewöhnlichen Aufenthaltsort als Deutschland gehabt haben könnten, ist deutsches Sachrecht gemäß Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB aF auch als Güterrechtsstatut berufen.

182. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass dem sich aus § 749 Abs. 1 BGB ergebenden Recht des Ehemanns, die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft an dem Wohnungseigentumsanteil jederzeit verlangen zu können, auf Seiten der Ehefrau kein „die Veräußerung hinderndes Recht“ im Sinne von § 771 ZPO entgegensteht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

19a) Zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass die Ehefrau dem Begehren des Ehemanns auf Aufhebung der Gemeinschaft keine Einwendung entsprechend § 1365 BGB entgegenhalten kann, weil es sich bei dem Miteigentumsanteil an der als Ehewohnung genutzten Wohnungseigentumseinheit nicht um das ganze Vermögen des Ehemanns im Sinne der genannten Vorschrift handelt. Dies gilt zwar nicht in Ansehung seines Miteigentumsanteils an der fremdvermieteten Wohnungseigentumseinheit, weil der Ehemann auch bezüglich dieses Anteils die Aufhebung der Gemeinschaft im Wege der Teilungsversteigerung betreibt und daher wegen des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs von einem einheitlichen Lebensvorgang auszugehen ist, der die Anwendung von § 1365 BGB auf jedes der beiden Teilgeschäfte eröffnen würde (vgl. Staudinger/Thiele BGB [2017] § 1365 Rn. 33). Das Beschwerdegericht hat aber festgestellt, dass daneben im Vermögen des Ehemanns mit dem Miteigentumsanteil an dem Ferienhaus in der Türkei ein weiterer hinreichend werthaltiger Vermögensgegenstand vorhanden ist, so dass im Hinblick auf die von den Anträgen auf Teilungsversteigerung betroffenen Wohnungseigentumseinheiten nicht von einem Gesamtvermögensgeschäft im Sinne von § 1365 Abs. 1 BGB ausgegangen werden kann. Hiergegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

20b) Auch die Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass die Verpflichtung des Ehemanns zur ehelichen Fürsorge und Rücksichtnahme (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) im konkreten Fall seinem Verlangen nach Aufhebung der Gemeinschaft hinsichtlich des als Ehewohnung genutzten Wohnungseigentumsanteils und seinem Antrag auf Teilungsversteigerung nicht entgegenstehe, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

21aa) Wie der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 1962 entschieden hat, muss ein Ehegatte, der gegen den anderen Ehepartner vermögensrechtliche Ansprüche durchsetzen will, auf die für ihn durch die Ehe gebotenen Pflichten Rücksicht nehmen. Diese Pflicht ist mit Blick auf § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Rechtspflicht. Das ist insbesondere dann zu beachten, wenn die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche den rechtlich geschützten räumlich-gegenständlichen Lebensbereich des in Anspruch genommenen Ehegatten zu beeinträchtigen droht. Dies ist der Fall, wenn die von dem einen Miteigentümer-Ehegatten betriebene Aufhebung der Gemeinschaft hinsichtlich eines Grundstücks dazu führen müsste, dass der andere Miteigentümer-Ehegatte die dort befindliche und von ihm genutzte Ehewohnung verlieren würde. Daraus folgt nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung aber noch nicht, dass das Verlangen eines Ehegatten auf Aufhebung der Gemeinschaft hinsichtlich der Ehewohnung bis zur Scheidung stets unzulässig ist. Der nicht teilungswillige Ehegatte hat kein Recht darauf, dass der äußere gegenständliche Bereich der Ehe für ihn unter allen Umständen und zu allen Zeiten im selben Umfang und in derselben Art erhalten bleibt, denn auch er ist seinerseits dazu verpflichtet, auf die Belange seines Ehepartners Rücksicht zu nehmen. Die Interessen des einen Ehegatten daran, dass er sich im äußeren gegenständlichen Lebensbereich seiner Ehe ungestört entfalten kann, sind daher nach den konkreten Umständen des Einzelfalls abzuwägen gegen die Interessen des anderen Ehegatten, die er als Gläubiger an der Verwirklichung seines vermögensrechtlichen Anspruchs hat (vgl. BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244 f.; vgl. auch - FamRZ 1972, 363, 364).

22bb) An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

23(1) Die Rechtsbeschwerde meint, dass der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe bis zur Rechtskraft der Scheidung unbedingten Schutz genieße und aus diesem Grund eine Teilungsversteigerung gegen den Willen des teilungsunwilligen Miteigentümer-Ehegatten - von den wenigen Ausnahmefällen einer einvernehmlichen Entwidmung der Ehewohnung abgesehen - in der Trennungszeit stets ausgeschlossen sei.

24(a) Die Rechtsbeschwerde bezieht sich für diese Ansicht - im Anschluss an vereinzelte Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. OLG Hamburg FamRZ 2017, 1829 f.; BeckOGK/Erbarth BGB [Stand: ] § 1353 Rn. 459) - auf die Senatsentscheidung XII ZB 487/15 vom (Senatsbeschluss BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22), in welcher der Senat ausgesprochen hat, dass eine Ehewohnung diesen Charakter während der gesamten Trennungszeit behalte. Sie leitet daraus her, dass schon der Charakter als Ehewohnung ein Verbot der Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie in der Trennungszeit nach sich ziehen müsse. Die ganz überwiegende Meinung hält demgegenüber auch nach der Senatsentscheidung vom eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der getrennt lebenden Ehegatten für erforderlich. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Möglichkeiten der Aufhebung von Miteigentum an der Ehewohnung in der Trennungszeit und das auf der Grundlage dieser Rechtsprechung entwickelte Schrankensystem - materiell-rechtliche Einwendungen nach §§ 1365, 1353 Abs. 1 Satz 2, 242 BGB im Drittwiderspruchsverfahren, Vollstreckungsschutz nach § 180 Abs. 2 und 3 ZVG, § 765 a ZPO im Teilungsversteigerungsverfahren - seien unverändert maßgebend (vgl. OLG Dresden FF 2022, 367, 370 ff.; OLG Stuttgart FamRZ 2021, 663 f.; OLG Jena FamRZ 2019, 515, 517; Staudinger/Eickelberg BGB [2021] § 749 Rn. 71; Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg Familienrecht 7. Aufl. § 1353 BGB Rn. 12; Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck Familienrecht 7. Aufl. § 1361 b BGB Rn. 42; jurisPK-BGB/Grandel/Breuers [Stand: ] § 1353 Rn. 52 ff.; Büte/Volker Zugewinnausgleich bei Ehescheidung 6. Aufl. Rn. 673; Wellenhofer FS Hopt [2020] S. 1433, 1443 f.; Wever FamRZ 2021, 664, 665 und 2019, 504, 505 f.; Kogel FamRZ 2022, 1661, 1667 ff. und FamRZ 2017, 1830 f.; Scharl/Schmid FamRB 2020, 336, 338; Götsche FuR 2018, 503, 513; Lenz NJW-Spezial 2018, 452, 453; Engels RPfleger 2017, 727 f.; Giers AnwZert FamR 14/2021 Anm. 1).

25(b) Die letztgenannte Ansicht trifft zu.

26(aa) In seiner Entscheidung vom hat der Senat ausgesprochen, dass während der Trennungszeit ein auf § 985 BGB gestützter Antrag eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig ist. Denn wäre es zulässig, die Herausgabe einer Ehewohnung nach § 985 BGB als Familienstreitsache nach Regeln des allgemeinen Zivilprozessrechts zu betreiben, ginge der besondere Schutz verloren, den das Gesetz für Ehewohnungen sowohl materiell-rechtlich durch § 1361 b BGB als auch verfahrensrechtlich durch die Besonderheiten des Familienverfahrensrechts - etwa durch den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) und durch die Wahrnehmung von Kindesinteressen durch das Jugendamt in Ehewohnungssachen (§§ 204 Abs. 2, 205 Abs. 1 FamFG) - gewährleistet. Diese Vorschriften entfalten deshalb unter den getrenntlebenden Ehegatten sowohl materiell-rechtlich als auch verfahrensrechtlich eine Sperrwirkung gegenüber dem Anspruch auf Herausgabe der Ehewohnung aus anderem Rechtsgrund (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22 Rn. 11).

27Bereits diese rechtlichen Erwägungen können auf die hier vorliegende Fallgestaltung nicht übertragen werden. Was die Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft an der Ehegattenimmobilie betrifft, stellt das Gesetz dem daran interessierten Ehegatten keinen anderen Weg zur Verfügung, als seinen Aufhebungsanspruch nach §§ 749 Abs. 1, 753 Abs. 1 BGB durch Teilungsversteigerung nach §§ 180 f. ZVG durchzusetzen. Anders als für das Herausgabeverlangen bestehen für das Begehren nach Teilungsversteigerung weder in materiell-rechtlicher noch in verfahrensrechtlicher Hinsicht familienrechtliche Spezialvorschriften, denen der Vorrang eingeräumt werden müsste und die eine Sperrwirkung gegenüber dem Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft entfalten könnten (vgl. Wever FamRZ 2019, 504, 506; Wellenhofer FS Hopt [2020] S. 1433, 1443).

28(bb) Die Erkenntnis, dass die eheliche Immobilie grundsätzlich während der gesamten Trennungszeit als Ehewohnung zu qualifizieren ist, hat der Senat in seiner Entscheidung vom zwar auch auf die Überlegung gestützt, dass es der Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs von Ehe und Familie gebiete, dem gewichenen Ehegatten selbst nach längerer Abwesenheit noch die Möglichkeit zu eröffnen, wieder in die Ehewohnung zurückzukehren, falls beispielsweise Belange des Kindeswohls dies erforderlich machten (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 212, 133 = FamRZ 2017, 22 Rn. 13). Dieser Hinweis auf den Schutz des räumlich-gegenständlichen Ehebereichs steht aber allein im Zusammenhang mit der seinerzeit veranlassten Erörterung der Streitfrage, ob eine Ehewohnung diesen Charakter durch den streitlosen und längerfristigen Auszug eines Ehegatten aus der Immobilie verlieren kann, was der Senat - unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZR 143/11 - FamRZ 2013, 1280 Rn. 8) - nunmehr verneint hat. Aus diesen Ausführungen lässt sich indessen nicht herleiten, dass die als Ehewohnung genutzte eheliche Immobilie im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung in jedem Fall noch vorhanden sein muss und das Begehren auf Teilungsversteigerung dieser Immobilie durch einen Miteigentümer-Ehegatten deshalb zum Schutz des räumlich-gegenständlichen Ehebereichs in jedem Falle und unabhängig von einer Abwägung der beiderseitigen Interessen stets ausgeschlossen ist. Eine solche Wertung ergibt sich auch nicht aus § 1568 a BGB, der das (weitere) Vorhandensein der als Ehewohnung genutzten ehelichen Immobilie bei Rechtskraft der Scheidung zwar tatbestandlich voraussetzt, aber keineswegs gebietet (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2021, 663, 664).

29Eine abweichende Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus, dass der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießt (vgl. bereits BGHZ 6, 360 = NJW 1952, 975 f.). Denn der teilungswillige Ehegatte ist seinerseits in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrecht betroffen. Das auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung entwickelte Schrankensystem gewährleistet durch eine am Einzelfall orientierte Interessenabwägung, dass die widerstreitenden Grundrechtspositionen der Ehegatten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Schutz des räumlich-gegenständlichen Ehebereichs in solchen Fallkonstellationen ohnehin nicht umfassend gewährleistet werden kann. Denn wenn der teilungswillige Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an einen Dritten veräußern würde, könnte der andere Ehegatte dem Verlangen des Erwerbers nach Aufhebung der Gemeinschaft keine in der Ehe und der ehelichen Solidarität wurzelnden Einwendungen mehr entgegenhalten (vgl. BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244, 1245; vgl. auch Staudinger/Eickelberg BGB [2021] § 749 Rn. 71; Brudermüller FamRZ 1996, 1516, 1520).

30(cc) Gegen die Annahme, dass der Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe einer Teilungsversteigerung der Ehewohnung in der Trennungszeit stets entgegenstehe, spricht schließlich auch, dass eine solche Sichtweise den Grundprinzipien der Teilung einer Bruchteilsgemeinschaft an einem Grundstück nach §§ 749, 753 BGB zuwiderlaufen würde und darüber hinaus sogar ehefeindliche Wirkungen erzeugen könnte. Dem Ehegatten, der sich der Zwangsversteigerung widersetzt, würde ein Druckmittel in die Hand gegeben, um die Mitwirkung des anderen Ehegatten an einer freihändigen Veräußerung der Immobilie an einen Dritten zu erzwingen, auf die er bei streitiger Aufhebung der Gemeinschaft grundsätzlich keinen Anspruch hat. Für den teilungswilligen Ehegatten, der auf den Erlös aus der Zwangsversteigerung angewiesen ist, würden wiederum Anreize zur frühzeitigen Stellung eines Scheidungsantrages gesetzt (vgl. Wever FamRZ 2019, 504, 506; Kogel FamRZ 2017, 1830, 1831).

31(2) Die Rechtsbeschwerdeerwiderung ist demgegenüber der Auffassung, dass angesichts der Spezialität von § 1361 b BGB ein Rückgriff auf materiell-rechtliche Einwendungen, die den Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe gewährleisten sollen, im Drittwiderspruchsverfahren nicht mehr zulässig sei. Sie meint, dass ein die „Veräußerung hinderndes Recht“ im Sinne von § 771 ZPO nur dann vorliegen könne, wenn - was hier nicht der Fall sei - der mit der Teilungsversteigerung nicht einverstandene Ehegatte in einem Ehewohnungsverfahren ein Veräußerungsverbot bzw. Verbot der Teilungsversteigerung bezüglich der Ehewohnung erwirkt habe. Auch diese Ansicht trifft nicht zu.

32(a) Es ist schon im rechtlichen Ausgangspunkt zweifelhaft, ob in einem auf § 1361 b BGB gestützten Ehewohnungsverfahren gegenüber dem Eigentümer-Ehegatten ein gerichtliches Veräußerungsverbot bzw. ein Verbot der Teilungsversteigerung in Bezug auf die Ehewohnung ausgesprochen werden könnte. Dies dürfte zwar durchaus den in den Gesetzesmaterialien zu Tage getretenen Intentionen des Gesetzgebers entsprechen (vgl. BT-Drucks. 14/5429 S. 21, 33; zustimmend MünchKommFamFG/Erbarth 3. Aufl. § 209 Rn. 18 ff.; Kohler NZFam 2017, 825 f.; Schumacher FamRZ 2002, 645, 652, 656), wird allerdings von einer weit verbreiteten Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum abgelehnt, weil das Wohlverhaltensgebot in § 1361 b Abs. 3 Satz 1 BGB keine ausreichend bestimmte Rechtsgrundlage für den Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsrecht des Eigentümer-Ehegatten biete (vgl. OLG Celle FamRZ 2012, 32, 33; Grüneberg/Götz BGB 81. Aufl. § 1361 b Rn. 17; MünchKommBGB/Weber-Monecke 9. Aufl. § 1361 b Rn. 16; Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck Familienrecht 7. Aufl. § 209 FamFG Rn. 8 f.; Schulz/Hauß Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 7. Aufl. 5. Kap. Rn. 57 f.; Wever FamRZ 2019, 504, 506; Finger FuR 2006, 241, 244).

33Einer weitergehenden Erörterung bedarf dies jedoch nicht. Selbst wenn man ein gerichtliches Verbot der Teilungsversteigerung in einem Wohnungszuweisungsverfahren grundsätzlich für zulässig erachten wollte, dürfte mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schon aus verfassungsrechtlichen Gründen grundsätzlich die Begründung eines - gegebenenfalls bis zur Rechtskraft der Scheidung befristeten - Mietverhältnisses als milderes Mittel in Betracht zu ziehen sein, welches die überschießende Wirkung eines Verfügungsverbots vermeidet und dem anderen Ehegatten die Nutzung der Ehewohnung zumindest vorläufig auch gegenüber dem Ersteher in der Zwangsversteigerung sichert (vgl. Kohler NZFam 2017, 825, 826 ff.).

34(b) Im Übrigen kann § 1361 b BGB schon deshalb keine Sperrwirkung gegenüber den auf §§ 1365, 1353 Abs. 1 Satz 2, 242 BGB gestützten materiell-rechtlichen Einwendungen des nicht teilungswilligen Ehegatten gegen die Teilungsversteigerung entfalten, weil ein auf § 1361 b BGB gestütztes Ehewohnungsverfahren die Überlassung der Ehewohnung zur Benutzung, nicht aber die Verhinderung einer Veräußerung oder Teilungsversteigerung zum Gegenstand hat. Gerichtliche Verfügungsverbote betreffend die eheliche Immobilie könnten - sofern man diese für zulässig hält - gegebenenfalls als flankierende Maßnahmen nach § 209 Abs. 1 FamFG zur Sicherung der Wohnungszuweisung angeordnet werden; sie sind aber selbst nicht der eigentliche Zweck des Ehewohnungsverfahrens. Soweit das Ehewohnungsverfahren mit dem Amtsermittlungsgrundsatz und den speziellen Vorschriften über die Geltendmachung der Kindesinteressen durch das Jugendamt (§§ 204 f. FamFG) einen besonderen verfahrensrechtlichen Schutz gewährt, muss es dem mit der Teilungsversteigerung nicht einverstandenen Ehegatten überlassen bleiben, ob er diesen Schutz in Anspruch nehmen möchte oder ob er in einem - durch den Beibringungsgrundsatz beherrschten - Drittwiderspruchsverfahren umfassend zu den eigenen Interessen und den Interessen der im Haushalt lebenden Kinder vortragen will, die einen weiteren Verbleib in der ehelichen Wohnung erforderlich machen. Grundsätzlich kann der nicht teilungswillige Ehegatte auch beide Wege beschreiten (vgl. auch OLG Stuttgart FamRZ 2021, 663).

35cc) Die danach erforderliche Interessenabwägung fällt nach Ansicht des Beschwerdegerichts unter den hier obwaltenden Umständen zu Ungunsten der Ehefrau aus. Dies hält sich - jedenfalls auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen - im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung.

36(1) Wird der räumlich-gegenständliche Lebensbereich eines Ehegatten dadurch berührt, dass der andere Ehegatte den Anspruch auf Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft an der ehelichen Immobilie geltend macht, kommt es wesentlich darauf an, welche Beweggründe den teilungswilligen Ehegatten dazu veranlassen, seinen Anspruch gegenüber seinem Ehepartner durchzusetzen, und welche Ziele er mit seinem Begehren verfolgt (vgl. BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244, 1245). Die Interessen des teilungswilligen Ehegatten müssen regelmäßig zurücktreten, wenn dieser mit der Teilungsversteigerung primär ehefeindliche Absichten verfolgt (vgl. BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244, 1245) oder die Androhung der Zwangsversteigerung als Druckmittel verwendet wird, um den anderen Ehegatten zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen (vgl. Wellenhofer FS Hopt [2020] S. 1433, 1444). Es ist ebenfalls zu bedenken, ob der teilungswillige Ehegatte triftige Gründe dafür anführen kann, die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft bereits in der Trennungszeit zu betreiben. Sofern bei seinem Verlangen nach Teilungsversteigerung ökonomische Interessen im Vordergrund stehen, ist zu berücksichtigen, wie dringend der teilungswillige Ehegatte auf die Erlöse aus der Zwangsversteigerung angewiesen ist (vgl. Brudermüller FamRZ 1996, 1516, 1521; Wever FamRZ 2019, 504, 505).

37Aufseiten des an der Weiternutzung der ehelichen Immobilie interessierten Ehegatten ist dessen physische und psychische Gesundheit und im Übrigen in den Blick zu nehmen, wie lange er bereits in der Ehewohnung lebt und ob - auch unter Berücksichtigung des aus der Teilungsversteigerung zu erwartenden Veräußerungserlöses - für ihn zumutbarer Ersatzwohnraum beschafft werden kann. In besonderem Maße sind die Belange der im Haushalt lebenden Kinder zu berücksichtigen. Bei der Interessenabwägung ist deshalb nach dem Maßstab des § 1361 b Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2021, 663, 664; vgl. auch Brudermüller FamRZ 1996, 1516, 1521 unter Hinweis auf § 2 HausratsVO) vor allem darauf Bedacht zu nehmen, ob und inwieweit das Wohl der Kinder durch einen Auszug aus der Ehewohnung beeinträchtigt werden würde.

38Das Gericht hat seine Abwägung der beiderseitigen Interessen auch vor den Hintergrund der Zeitdauer des Getrenntlebens der beiden Ehegatten zu stellen. Je länger die Trennung bereits andauert, desto mehr Zeit stand dem nicht teilungswilligen Ehegatten zur Verfügung, sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen. Mit zunehmender Dauer der Trennungszeit werden deshalb an das Versteigerungsinteresse des teilungswilligen Ehegatten geringere und an das Nutzungsinteresse des anderen Ehegatten höhere Anforderungen zu stellen sein. Bei langer Trennungszeit ist zudem zu erwägen, ob der nicht teilungswillige Ehegatte darauf verwiesen werden kann, im Ehewohnungsverfahren ein Mietverhältnis an der Ehegattenimmobilie begründen zu lassen (vgl. Wever FamRZ 2019, 504, 505). Von Bedeutung kann schließlich auch sein, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen die Miteigentümergemeinschaft begründet wurde (vgl. BGHZ 37, 38 = NJW 1962, 1244, 1245).

39(2) Interessenabwägungen dieser Art sind eine Frage der tatrichterlichen Würdigung. Der tatrichterliche Beurteilungsspielraum bei der Würdigung und Gewichtung der einzelnen berücksichtigungsfähigen Umstände und Interessen ist der rechtlichen Nachprüfung entzogen. Auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts kann die vom Tatrichter vorgenommene Interessenabwägung rechtsbeschwerderechtlich nur darauf überprüft werden, ob er auf der Grundlage seiner Feststellungen wesentliche Umstände oder Interessen übersehen, nicht vollständig gewürdigt oder Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt hat (vgl. - NJW-RR 2022, 808 Rn. 19 und BGHZ 206, 1 = NJW 2015, 3087 Rn. 59).

40Eine Überprüfung der Feststellungen des Beschwerdegerichts zu den für die Interessenabwägung relevanten Tatsachen ist dagegen nur aufgrund einer ordnungsgemäßen und innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist (§ 71 Abs. 2 FamFG) angebrachten Verfahrensrüge möglich. Wenn gerügt werden soll, das Beschwerdegericht habe relevanten Sachvortrag des Beteiligten in den Tatsacheninstanzen übergangen, muss dieser unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Tatsacheninstanzen genau bezeichnet werden (vgl. - NJW 2016, 3233 Rn. 17). Soll geltend gemacht werden, dass der Tatrichter seine Aufklärungs- und Hinweispflichten (§ 139 Abs. 1 ZPO) verletzt hat, muss die Rechtsbeschwerde darlegen, welche Veranlassung zu einem gerichtlichen Hinweis bestanden hat und was auf einen entsprechenden Hinweis hin vorgebracht worden wäre (vgl. - NJW-RR 1988, 208, 209).

41(3) Nach diesen eingeschränkten Prüfungsmaßstäben hält die Entscheidung des Beschwerdegerichts, den Versteigerungsinteressen des Ehemanns den Vorzug gegenüber den Nutzungsinteressen der Ehefrau und der gemeinsamen Kinder zu geben, einer rechtlichen Überprüfung noch stand.

42Das Beschwerdegericht hat die von der Ehefrau behaupteten gesundheitlichen Gefährdungen, die mit einer Veränderung ihrer Wohnsituation verbunden sein sollen, nicht als bewiesen angesehen; dagegen erinnert die Rechtsbeschwerde nichts. Das Beschwerdegericht hat weiterhin die beengten wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehefrau bei der Interessenabwägung berücksichtigt. Es hat aber nicht festgestellt, dass es der Ehefrau - gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung eines ihr zufließenden Versteigerungserlöses - aus finanziellen Gründen nicht möglich sein könnte, sich einen zumutbaren Ersatzwohnraum zu beschaffen; dies greift die Rechtsbeschwerde nicht mit einer Verfahrensrüge an.

43Das Beschwerdegericht hat auch in den Blick genommen, dass im Haushalt der Ehefrau zwei gemeinsame Töchter leben, wobei die jüngere Tochter noch minderjährig ist. Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, dass Feststellungen zu der Frage fehlen, welche konkreten Belastungen in der Lebensführung der Kinder durch einen zwangsweisen Wohnungswechsel verbunden wären, erhebt sie damit keine zulässige Verfahrensrüge. Denn sie zeigt keinen in den Tatsacheninstanzen gehaltenen Vortrag - etwa zu einer besonderen psychosozialen Belastung der Kinder durch den Auszug aus der Ehewohnung oder zum Erfordernis eines Schulwechsels - auf, den das Beschwerdegericht übergangen haben könnte. Nach den getroffenen Feststellungen können deshalb im Rahmen der Interessenabwägung keine Belastungen der Kinder berücksichtigt werden, die über die typischerweise mit einem Wohnungswechsel einhergehenden Unannehmlichkeiten hinausgehen.

44Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist gegen die Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass im Hinblick auf die mehr als dreijährige Dauer des Getrenntlebens der Ehegatten dem Interesse des - seinerseits in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden - Ehemanns an der Erzielung eines Versteigerungserlöses der Vorzug zu geben sei, in rechtlicher Hinsicht nichts zu erinnern. Die Einschätzung des Beschwerdegerichts wird zusätzlich auch dadurch gestützt, dass die Ehefrau die streitgegenständliche Immobilie erst seit 2017 bewohnt und das gemeinsame Zusammenleben der Eheleute in der Familienwohnung bis zur räumlichen Trennung kaum ein Jahr gewährt hat.

45c) Schließlich steht auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Durchsetzung des Anspruchs des Ehemanns auf Aufhebung der Gemeinschaft nicht entgegen. Umstände, die bereits bei der Bestimmung der ehelichen Rücksichtnahmepflicht nach § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB berücksichtigt worden sind, können keinen Einwand aus § 242 BGB mehr begründen (vgl. OLG Jena FamRZ 2019, 515, 518; Wellenhofer FS Hopt [2020] S. 1433, 1445 f.; Kogel NZFam 2018, 788, 791). Sonstige Aspekte, die das Verlangen des Ehemanns als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:161122BXIIZB100.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 515 Nr. 8
NJW 2023 S. 521 Nr. 8
NJW 2023 S. 8 Nr. 6
MAAAJ-31226