BGH Urteil v. - VII ZR 523/21

Instanzenzug: Az: 9 U 17/21 Urteilvorgehend LG Rottweil Az: 3 O 213/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch.

2Der Kläger erwarb im Mai 2014 von einem Autohaus einen von der Beklagten hergestellten Pkw VW Tiguan Sport & Style 2.0 TDI als Neuwagen zu einem Preis von 32.232,41 €.

3Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus durchlief, und in diesem Fall eine höhere Abgasrückführungsrate und einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.

4Die Beklagte gab mehrfach öffentliche Erklärungen über einen Verzicht auf die Verjährungseinrede bis zum ab.

5Ein von der Beklagten angebotenes Software-Update wurde 2017 auf das Fahrzeug aufgespielt.

6Der Kläger hat die Beklagte mit seiner im Jahr 2020 erhobenen Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.100,78 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (Klageantrag zu 1), die Feststellung des Annahmeverzugs (Klageantrag zu 2) sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3) in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und zusätzlich mit dem Hilfsantrag zu 1 die Entfernung aller unzulässigen Abschalteinrichtungen und mit dem Hilfsantrag zu 2 im Wege einer Stufenklage Auskunft über das aus dem Verkauf des Fahrzeugs Erlangte verlangt hat, hatte nur in Höhe von 2.650 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger mit Ausnahme des Hilfsantrags zu 1 die zuletzt gestellten Anträge weiter, wobei er sich auf den Zahlungsbetrag im Rahmen des Zug um Zug gestellten Klageantrags zu 1 die vom Berufungsgericht mit 8.833,22 € bemessene Nutzungsentschädigung anrechnen lässt. Die Beklagte hat die Revision zurückgenommen.

Gründe

7Die Revision des Klägers hat überwiegend Erfolg.

I.

8Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in juris und BeckRS 2021, 12662 veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

9Dem Kläger habe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB wegen des vom sogenannten Abgasskandal betroffenen und von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs zugestanden. Der Anspruch sei indes verjährt, da die Verjährungsfrist bereits am geendet habe. Unbestritten habe die Beklagte die Halter der betroffenen Fahrzeuge im Februar 2016 über die in ihrem Fahrzeug installierte Abschalteinrichtung sowie das erforderliche Update informiert. Dies habe dem Kläger bereits im Jahr 2016 die notwendige Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen verschafft; die Klageerhebung noch in 2016 sei zumutbar gewesen. Entgegen der Ansicht des Klägers hinderten öffentliche Erklärungen der Beklagten über einen Verzicht auf die Verjährungseinrede bis zum die Verjährung nicht. Die Beklagte habe damit lediglich auf die Erhebung der Einrede bis zu diesem Zeitpunkt verzichtet; auf den Lauf der Verjährungsfrist habe der Verzicht hingegen keinen Einfluss gehabt und er stehe der Erhebung der Einrede im Jahr 2020 auch nicht gemäß § 242 BGB entgegen.

10Dem Kläger stehe gemäß § 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 2.650 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers habe die Beklagte den vom Händler gezahlten Einkaufspreis erlangt. Die für den Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB erforderliche Vermögensverschiebung zwischen dem Schädiger und dem Verletzten könne auch über einen Vertragspartner des Schädigers vermittelt werden. So sei es hier: Die Verkäuferin des Fahrzeugs habe von dem in bar vom Kläger erlangten Kaufpreis den mit der Beklagten vereinbarten Händlereinkaufspreis an diese weitergeleitet. Der Umfang der Herausgabepflicht richte sich nach §§ 818 f. BGB. Die Beklagte dürfe gemäß § 818 Abs. 3 BGB alle Material-, Produktions- und sonstigen bei Herstellung und Anmeldung sowie gegebenenfalls Überführung entstandenen Kosten abziehen. § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB stünden nicht entgegen. Nicht in Abzug zu bringen seien hingegen die Kosten für die notwendige Umrüstung durch das Software-Update sowie sonstige Aufklärungskosten, denn diese seien durch die Schädigung selbst entstanden. Den von der Beklagten mit dem Verkauf an den Kläger erzielten Gewinn schätze das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 2.650 €. Der Schadensersatz sei Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu leisten, da der Restschadensersatzanspruch die Rechtsnatur des verjährten Schadensersatzanspruchs behalte. Annahmeverzug scheide aus, da der Kläger die Herausgabe des Fahrzeugs nur für mehr als das Zehnfache des geschuldeten Betrags angeboten habe. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten scheide wegen Verjährung aus; diese Schadensposition werde vom Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB nicht erfasst. Die zweitinstanzlich klageerweiternd gestellten Hilfsanträge blieben erfolglos. Die mit dem Hilfsantrag zu 2 erhobene Stufenklage sei bei sachgerechter Auslegung zwar zulässig als Antrag auf Auskunft über und Herausgabe des von der Beklagten vereinnahmten Händlereinkaufspreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Sie sei indes unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Herausgabe des Händlereinkaufspreises habe, sondern nur auf Herausgabe des bereits nach § 287 ZPO zu schätzenden Verletzergewinns.

II.

11Die Revision ist aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Die vom Kläger vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenstandslos (vgl. VIa ZR 57/21 Rn. 5, WM 2022, 742). Die Zulassung erfolgte ausweislich der Begründung des Berufungsgerichts wegen der Frage, ob § 852 Satz 1 BGB für Ansprüche aufgrund normativer Schäden anwendbar ist und welche Positionen bei der Schadensermittlung zu berücksichtigen sind. Sie betrifft damit Grund und Höhe des vom Kläger erhobenen Anspruchs. Eine Beschränkung der Zulassung auf bestimmte Ansprüche des Klägers unter Ausklammerung des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs gemäß §§ 826, 31 BGB ist schon deswegen nicht anzunehmen, weil die Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB Voraussetzung des vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehenen Anspruchs aus § 852 Satz 1 BGB ist.

III.

12Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Höhe des Restschadensersatzanspruchs des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 852 Satz 1 BGB bemisst sich nicht nach dem Herstellergewinn; entsprechend kann mit der gegebenen Begründung die Feststellung des Annahmeverzugs nicht verneint werden. Insoweit unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung und ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dagegen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, so dass die Revision des Klägers insoweit zurückzuweisen ist.

131. Mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht einen etwaigen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 31 BGB für verjährt erachtet. Soweit sich die Revision gegen die Auslegung der bundesweit verbreiteten Presseerklärung der Beklagten vom wendet, dringt sie damit nicht durch.

14a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die subjektiven Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist hätten jedenfalls im Jahr 2016 vorgelegen. Das Berufungsgericht hat von der Revision nicht angegriffen festgestellt, dass der Kläger im Jahr 2016 von dem sogenannten Dieselskandal im Allgemeinen und von der Betroffenheit seines Fahrzeugs durch ein Schreiben der Beklagten aus Februar 2016 Kenntnis erlangt hat und ihm noch im Jahr 2016 die Klageerhebung zumutbar war (vgl. Rn. 16 ff., WM 2022, 1444).

15b) Entgegen den Einwänden der Revision hat die Beklagte durch ihre Presseerklärung aus dem Jahr 2015, in der sie auf die Erhebung der Verjährungseinrede "bis zum " verzichtet und erklärt hat, sie würde ihre Kunden informieren, diese könnten mit der Durchführung der diesbezüglich erforderlichen technischen Maßnahmen an ihrem Fahrzeug bis Ende des Jahres 2017 abwarten, nicht über den Ablauf des Jahres 2017 hinaus auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet.

16Dabei kann der Senat den sich aus der Pressemitteilung ergebenden Erklärungsinhalt nach objektiven Kriterien selbst feststellen, weil sich die Beklagte bewusst an die Allgemeinheit gerichtet hat und ihre Erklärung für einen zahlenmäßig nicht eingegrenzten Personenkreis bestimmt war ( VIa ZR 488/21, juris Rn. 17 m.w.N.).

17aa) Ein Schuldner kann wirksam auf die Einrede der Verjährung durch einseitige Erklärung schon vor deren Eintritt verzichten. Durch einen vom Schuldner erklärten befristeten Verjährungsverzicht wird der Ablauf der Verjährung regelmäßig nicht beeinflusst; die Verjährungsvollendung wird nicht hinausgeschoben. Folge des Verzichts ist jedoch, dass die Befugnis des Schuldners, die Einrede der Verjährung zu erheben, für den Zeitraum, für den der Verjährungsverzicht erklärt ist, ausgeschlossen ist. Die Verzichtserklärung hat regelmäßig zum Inhalt, dass der Schuldner bis zum Ablauf der von ihm eingeräumten Frist die Einrede der Verjährung nicht erheben wird. Der Verzicht soll den Gläubiger regelmäßig der Notwendigkeit der alsbaldigen gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs entheben. Erhebt der Gläubiger nicht innerhalb der Frist Klage, kann sich der Schuldner direkt nach Ablauf der Frist wieder auf Verjährung berufen und damit die Leistung verweigern. Für die Annahme, es beginne wie beim Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) eine neue Verjährungsfrist zu laufen, besteht mangels Regelungslücke kein Anlass. Dies hat zur Folge, dass in den Fällen, in denen die Verjährung nach den gesetzlichen Bestimmungen erst nach dem Zeitpunkt eintritt, bis zu dem auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet wurde, der Verzicht regelmäßig keine Wirkung entfaltet ( VIa ZR 488/21, juris Rn. 18 m.w.N.).

18bb) So liegt es im Streitfall. Die Reichweite des Verjährungsverzichts ist durch Auslegung der Verzichtserklärung zu ermitteln, die vom Wortlaut der Erklärung auszugehen hat. Während ein ohne Bestimmung eines Endzeitpunktes erklärter Verzicht regelmäßig dahin zu verstehen ist, dass er die Grenzen des § 202 Abs. 2 BGB einhält, hat die Beklagte hier mit der Zeitangabe "bis zum " einen verbindlichen Endtermin gesetzt, der wegen des von ihr artikulierten Verzichtswillens keine Zweifel offenlässt. Dass die Beklagte in der Pressemitteilung versicherte, durch bloßes Zuwarten entstünden ihren Kunden keine Nachteile und sie könnten mit der Durchführung der erforderlichen technischen Maßnahme an ihrem Fahrzeug bis Ende des Jahres 2017 abwarten, lässt keinen weitergehenden Verzichtswillen erkennen. Denn auch wenn der Erklärung der Inhalt zukam, die Beklagte werde bis zum Ablauf des Jahres 2017 die Einrede der Verjährung nicht erheben, hatte die Erklärung aus der Sicht des Jahres 2015 für Käufer, die betroffene Fahrzeuge direkt bei der Beklagten erworben hatten und über die Anwendung des § 438 Abs. 3 BGB zu ihren Gunsten im Unklaren sein konnten, einen Mehrwert (vgl. VIa ZR 488/21, juris Rn. 19 f. m.w.N.).

19c) Die Beklagte muss sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als wäre der Anspruch des Klägers aus § 826 BGB nicht verjährt. Zwar kann es einem Schuldner nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen. Eine unzulässige Rechtsausübung setzt voraus, dass der Schuldner den Gläubiger durch sein Verhalten objektiv - sei es auch unabsichtlich - von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten hat und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insoweit ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen, dessen Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind. Im Gegenteil hat die Beklagte durch ihren Gang an die Öffentlichkeit und die klare zeitliche Begrenzung ihres Verzichts "bis zum " mittelbar auf die Problematik der Verjährung aufmerksam gemacht ( VIa ZR 488/21, juris Rn. 22 f. m.w.N.).

202. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand halten indes die Überlegungen zur Höhe des Restschadensersatzanspruchs aus § 852 Satz 1 BGB.

21a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 852 Satz 1 BGB für gegeben erachtet. Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Zuge des Inverkehrbringens des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs einen Anspruch gegen den Händler erlangt, der das gefertigte Fahrzeug von der Beklagten gekauft und an den Kläger verkauft hat. Nach Erfüllung dieser Forderung durch den Händler setzt sich die Bereicherung der Beklagten gemäß § 818 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB an dem vom Händler erlangten Entgelt fort (vgl. VIa ZR 57/21 Rn. 13 m.w.N., WM 2022, 742).

22b) Durchgreifenden Bedenken begegnen indessen die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe eines Anspruchs gemäß § 852 Satz 1 BGB.

23aa) Der in § 852 Satz 1 BGB geregelte Anspruch erstreckt sich auf das, was der Schädiger infolge der Vermögensverfügung des Geschädigten erlangt hat. Der Fahrzeughersteller als Schuldner des Anspruchs aus § 852 Satz 1 BGB hat erlangt und herauszugeben die vom Händler ihm gegenüber erbrachte Leistung. Der Anspruch unterliegt dabei einer dreifachen Limitierung. Zunächst ist der seitens des Händlers vom Geschädigten vereinnahmte Kaufpreis um die Händlermarge zu reduzieren. Anschließend ist von dem so ermittelten Händlereinkaufspreis der Wert der vom Geschädigten gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen. Und schließlich schuldet der Schädiger Restschadensersatz nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs. Denn mit Rücksicht auf seine Rechtsnatur als nach Verjährungseintritt fortbestehender Restschadensersatzanspruch gelten für den Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB die für den Schadensersatzanspruch bis zum Eintritt der Verjährung anzuwendenden Regeln. Wie das Berufungsgericht nicht verkennt, unterliegt deshalb auch der Restschadensersatzanspruch wie der ursprünglich bestehende Schadensersatzanspruch der Vorteilsausgleichung (vgl. VIa ZR 8/21 Rn. 83 f., BGHZ 233, 16).

24bb) Wie nach Erlass des Berufungsurteils höchstrichterlich entschieden, kann die Beklagte indes nicht den ihr bei der Herstellung und Bereitstellung des Fahrzeugs entstandenen Aufwand nach § 818 Abs. 3 BGB in Abzug bringen. Dem stehen § 818 Abs. 4 BGB und § 819 Abs. 1 BGB entgegen (vgl. VIa ZR 8/21 Rn. 86 ff., BGHZ 233, 16).

25(1) Die verschärfte Haftung nach § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB findet ihre Rechtfertigung darin, dass der um die Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs wissende Bereicherungsschuldner mit seiner Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten oder zu Wertersatz rechnen muss und entsprechend disponieren kann. Er kann sich daher regelmäßig nicht auf das ursprüngliche Fehlen oder den Wegfall einer Bereicherung berufen. Die Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grunds im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Bereicherungsschuldner Kenntnis von den Tatsachen hat, aus denen sich das Fehlen des rechtlichen Grunds ergibt, und um die sich daraus ergebende Rechtsfolge weiß, dass er das Erlangte nicht behalten darf. Es reicht aus, wenn er sich bewusst der Einsicht verschließt, dass ein rechtlicher Grund für das Behaltendürfen fehlt (vgl. VIa ZR 8/21 Rn. 95 f., BGHZ 233, 16 m.w.N.).

26(2) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lagen die Voraussetzungen für eine verschärfte Haftung der Beklagten nach § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB im Zeitpunkt der Herstellung der mit der Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Fahrzeuge vor.Das Berufungsgericht hat zur Begründung des dem Kläger zustehenden Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB auf die Entscheidung des , BGHZ 225, 316) Bezug genommen. Danach ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, die die grundlegende und mit der bewussten Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes verbundene strategische Entscheidung über die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software kannten und umsetzten, bewusst war, in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge werde niemand - ohne einen erheblichen dies berücksichtigenden Abschlag - ein damit belastetes Fahrzeug erwerben. Die Vorstandsmitglieder der Beklagten wussten daher, dass die in Unkenntnis dieses Risikos abgeschlossenen Kaufverträge rückabzuwickeln sein könnten, oder sie haben sich bewusst der Erkenntnis verschlossen, dass die in Erfüllung solcher Verträge gezahlten Kaufpreise ungerechtfertigt vereinnahmt worden sind. Dann aber liegen die mit der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung einhergehenden Aufwendungen der Beklagten in ihrem alleinigen Risiko- und Verantwortungsbereich (vgl. VIa ZR 8/21 Rn. 97 f., BGHZ 233, 16 m.w.N.).

273. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne nicht die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten verlangen, kann danach ebenfalls keinen Bestand haben. Infolge seiner unzutreffenden Berechnungsweise ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dem Kläger stehe weniger als ein Zehntel des Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs angebotenen Betrags zu. In welchem Verhältnis der dem Kläger zustehende Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB bei zutreffender Berechnung zu dem angebotenen Betrag steht, ist noch nicht geklärt.

284. Als zutreffend erweist sich indes die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger könne von der Beklagten nicht die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen.

29a) Der Geltendmachung dieser Schadensposition nach § 826 BGB kann die Beklagte erfolgreich die Einrede der Verjährung entgegensetzen. Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit weiteren wirtschaftlichen Nachteilen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden kann. Die Verjährung des Ersatzanspruchs erfasst damit auch solche nachträglich eintretenden Schäden, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis des Gläubigers vom Erstschaden als möglich voraussehbar waren. Tritt eine als möglich vorhersehbare Spätfolge ein, wird für sie keine eigene Verjährungsfrist in Lauf gesetzt. Die Erwägungen, die zur Annahme der Verjährung des Anspruchs auf Leistung von Schadensersatz in Höhe des verauslagten Kaufpreises führen, greifen daher auch hier ( VIa ZR 57/21 Rn. 20, WM 2022, 742).

30b) Auch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB kann der Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht von der Beklagten erstattet verlangen. Nach § 852 BGB muss der Schädiger nicht mehr für einen Schaden einstehen, dem auf seiner Seite kein eigener wirtschaftlicher Vorteil entspricht. Die Vermögensnachteile, die dem Kläger durch die Beauftragung der Rechtsanwälte mit der vorgerichtlichen Geltendmachung seines Schadensersatzanspruchs entstanden sind, haben nicht zu einer Vermögensmehrung bei der Beklagten geführt ( VIa ZR 57/21 Rn. 21, WM 2022, 742).

IV.

31Danach ist die Sache - im Sinne einer teilweisen Zurückweisung der Revision des Klägers - entscheidungsreif, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrags zu 3 zum Nachteil des Klägers erkannt hat (§ 561 ZPO).

32Im Übrigen ist das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung aufzuheben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der beiden Revisionen, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist insoweit nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), da die erforderliche Feststellung des von der Beklagten erlangten Händlereinkaufspreises Sache des Tatrichters ist.

33Der Senat weist für das weitere Verfahren auf Folgendes hin: Das Berufungsgericht wird zunächst dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, zur Höhe des von der Beklagten erlangten Händlereinkaufspreises vorzutragen. Es obliegt nämlich dem Kläger als dem für den Grund und die Höhe eines Restschadensersatzanspruchs nach §§ 826, 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGBdarlegungs- und beweispflichtigen Geschädigten, Vortrag zu dem nach Eintritt der Verjährung noch durchsetzbaren Umfang seines Restschadensersatzanspruchs und damit zu dem Gegenstand und der Höhe des vom Schädiger erlangten Vermögensvorteils zu halten, wie das Berufungsgericht nicht verkennt. Dies schließt Vortrag zu einer Händlermarge, die zur Ermittlung des Händlereinkaufspreises von dem vom Geschädigten gezahlten Kaufpreis abzuziehen ist, mit ein. Zur Verteidigung kann sich der beklagte Hersteller gegenüber dem Tatsachenvortrag des Geschädigten im Grundsatz auf ein einfaches Bestreiten beschränken. Eine sekundäre Darlegungslast trifft ihn nur, wenn der Geschädigte keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Die zuletzt genannte Voraussetzung ist jedenfalls nicht erfüllt, solange der Geschädigte sich die erforderlichen Informationen durch eine Nachfrage bei seinem Verkäufer selbst beschaffen kann (vgl. VIa ZR 122/22 Rn. 27, WM 2022, 2237), wozu das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen hat.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:151222UVIIZR523.21.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-30839