BGH Beschluss v. - 6 StR 128/22

Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Berücksichtigung der Sicherstellung im Rahmen der Strafzumessung

Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 267 Abs 3 S 1 StPO

Instanzenzug: LG Stralsund Az: 22 KLs 2/21nachgehend Az: 6 StR 98/23 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine auf die Sachbeschwerde gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Während die sachlich-rechtliche Überprüfung des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, hält der Rechtsfolgenausspruch nur teilweise revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.

3a) Die Strafbemessung erweist sich in einem wesentlichen Punkt als lückenhaft. Zwar braucht das Tatgericht im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Strafe bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), wobei eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen weder vorgeschrieben noch möglich ist. Hier hat das Landgericht aber bereits bei der Prüfung des minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG einen strafmildernden Umstand unerörtert gelassen, dessen Berücksichtigung sich ihm aufdrängen musste.

4Denn das gesamte für den Eigenkonsum bestimmte Betäubungsmittel konnte sichergestellt werden, so dass es nicht zu einer Gefährdung von Drogenkonsumenten kommen konnte. Entfällt aber die auch beim Besitz von Betäubungsmitteln stets bestehende - strafbegründende (vgl. Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 993; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1319) - abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit durch eine Weitergabe, ist dies - ebenso wie beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 588/89, BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 10; vom - 5 StR 383/14; vom - 2 StR 517/19, NStZ-RR 2020, 146) - schon bei der Strafrahmenwahl regelmäßig zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom - 2 Rv 31/17, NJW spezial 2017, 665; Maier in Weber/Kornprobst/Maier, aaO, Vor § 29 Rn. 823).

5b) Auch gegen die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Das Landgericht hat seine Entscheidung nicht begründet. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO sind im Urteil aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen zur Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 283/11 mwN; vom - 1 StR 50/12; MüKo-StPO/Wenske, 2016, § 267 Rn. 401 f. mwN). Dies ist hier der Fall, weil der - seit 2017 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getretene - Angeklagte die Tat umfassend eingeräumt und seine Bezugsquelle frühzeitig benannt hat. Überdies blieb sein Bemühen vor der hier abgeurteilten Tat um eine stationäre Entgiftung oder eine Krisenintervention als Reaktion auf einen Rückfall nach längerer Zeit der Abstinenz nur deshalb ohne Erfolg, weil hierauf wegen „Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“ nicht adäquat reagiert werden konnte. Vor diesem Hintergrund käme, ohne dass die Vorstrafe des Angeklagten und sein Bewährungsbruch dem zwingend entgegenstünden, eine - mit Weisungen (§ 56c StGB) zu verbindende - Strafaussetzung zur Bewährung grundsätzlich in Betracht. Dies hätte ebenfalls der Prüfung und Erörterung bedurft.

6c) Der Rechtsfehler entzieht zugleich der nach dem Standpunkt der Strafkammer konsequenten (vgl. § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB) Entscheidung die Grundlage, auch die Vollstreckung der - für sich rechtsfehlerfrei angeordneten - Maßregel nach § 64 StGB nicht zur Bewährung auszusetzen (§ 67b Abs. 1 Satz 1 StGB).

72. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da es sich um reine Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:310522B6STR128.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-30750