Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 6 Ks 8/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
2Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
3Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen tötete der Angeklagte den Geschädigten mit 29 Messerstichen in Oberkörper und Hals. Hintergrund war, dass der Angeklagte mit dem Geschädigten eine Beziehung eingehen wollte, was dieser nachhaltig ablehnte. Das Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass sich der Angeklagte in einem Zustand eines Affekts befand und dessen Steuerungsfähigkeit daher aufgrund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung erheblich vermindert war. Mit Blick darauf hat das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.
II.
41. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
52. Hinsichtlich des Strafausspruchs hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
"Der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Der Strafausspruch erweist sich als zum Nachteil der [des] Angeklagten zunächst deshalb rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht bei der Strafrahmenwahl (Verneinung eines sonstigen minder schweren Falles gemäß § 213 2. Alt. StGB) und der Strafzumessung im engeren Sinne die Art der Tatausführung uneingeschränkt als Strafschärfungsgrund gewertet hat, indem es die 'massivste Gewaltanwendung' und 'außergewöhnliche Brutalität' zu Lasten des Angeklagten in die Abwägung eingestellt hat (UA S. 69). Diese Strafzumessungserwägung begegnet unter den hier gegebenen Umständen durchgreifenden rechtlichen Bedenken; denn die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt (, NStZ-RR 2012, 169; Beschl. v. - 3 StR 332/19, NStZ 2021, 159; MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl. 2021, § 212 Rn. 108). Damit, ob dem Angeklagten die ihm vorgeworfene 'außergewöhnliche Brutalität' seines Vorgehens trotz der Umstände, die seine nicht ausschließbar erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit begründen, uneingeschränkt vorwerfbar ist, setzt sich das Urteil indes nicht auseinander. Sie kann auch Ausdruck der von der Kammer angenommenen tiefgreifenden Bewusstseinsstörung infolge des Affekts gewesen sein.
Der Strafausspruch beruht auf dem Rechtsfehler, weil nicht auszuschließen ist, dass das Landgericht der Art der Tatausführung ein zu großes Gewicht beigemessen hat und anderenfalls auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
[…]"
6Dem schließt sich der Senat an.
73. Die Strafrahmenwahl begegnet auch deshalb Bedenken, weil das Landgericht bei der Prüfung eines minder schweren Falls im Sinne von § 213 Alternative 1 StGB nicht alle relevanten Umstände in den Blick genommen und erörtert hat. Das Landgericht hat es für wahrscheinlich gehalten, dass der Geschädigte den Angeklagten im Rahmen eines der Tötungshandlung vorausgehenden Streitgesprächs körperlich anging, indem er den Angeklagten mit seiner linken Hand am linken Arm packte, zugleich mit seiner rechten Hand in dessen Unterhose griff und den Angeklagten dort schmerzhaft am After anfasste, so dass der Angeklagte in eine Stresssituation geriet, die ihn überforderte; zudem hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht, dass der Geschädigte den Angeklagten mit seiner rechten Hand fest an den Hals fasste, weshalb der Angeklagte sich in Not und bedrängt fühlte (UA S. 17). Diese Gesichtspunkte hätten bei der Frage einer Provokation durch den Geschädigten im Sinne von § 213 Alternative 1 StGB der Erörterung bedurft.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:161122B3STR294.22.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-30739