BGH Beschluss v. - III ZR 119/22

Beiordnung eines Notanwalts im Fall der Mandatsniederlegung wegen Nichtzahlung des Gebührenvorschusses; Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen nicht rechtzeitiger Begründung

Gesetze: § 78b Abs 1 ZPO, § 78c Abs 2 ZPO, § 114 ZPO, § 115 ZPO

Instanzenzug: OLG Celle Az: 4 U 24/20vorgehend LG Lüneburg Az: 2 O 401/18

Gründe

I.

1Der Kläger verlangt von dem beklagten Land und dem für ihn zuständigen Finanzamt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Verbleib zahlreicher näher bezeichneter wegen bestehender Steuer- und Abgabenverbindlichkeiten gepfändeter Gegenstände nebst deren Herausgabe beziehungsweise Ersatz des ihm aus der Verwahrung oder Verwertung entstandenen Schadens sowie die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss hat der Kläger durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die Frist zu deren Begründung ist antragsgemäß bis zum verlängert worden. Mit Schriftsatz vom - eingegangen am selben Tag - hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, er vertrete diesen nicht mehr. Der Kläger, der daraufhin eine Reihe weiterer beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwälte wegen der Vertretung im vorliegenden Verfahren vergeblich kontaktiert hat, hat daraufhin mit am eingegangenem Schreiben die Beiordnung eines Notanwalts beantragt. Auf Nachfrage des Senats hat er den Schriftsatz des ursprünglich beauftragten Rechtsanwalts am vorgelegt, mit dem dieser seinem vorinstanzlichen Bevollmächtigten gegenüber erklärt hat, er kündige - nach vorheriger mehrfacher Androhung - das Mandatsverhältnis, nachdem der Kläger seine Rechnung vom über 4.038,98 € nicht beglichen habe.

II.

3Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b Abs. 1 ZPO ist unbegründet.

4Die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Im Streitfall fehlt es bereits an der erstgenannten Voraussetzung. Hat die Partei - wie vorliegend der Kläger - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und mandatiert, kommt im Fall der späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts nur in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat, was sie substantiiert darzulegen und zu beweisen hat (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom - III ZR 93/17, BeckRS 2017, 128304 Rn. 4 und vom - III ZR 102/16, BeckRS 2016, 19301 Rn. 6). Scheitert die (weitere) Vertretungsbereitschaft eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts - wie hier aus dem an den vorinstanzlichen Bevollmächtigten des Klägers gerichteten Schriftsatz des beauftragten Rechtsanwalts am ersichtlich - allein an der Nichtzahlung des Vorschusses durch den Mandanten, so kommt die Bestellung eines Notanwalts nach Sinn und Zweck des § 78b Abs. 1 ZPO nicht in Betracht (BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 45/10, BeckRS 2010, 19953 Rn. 1; vom - VI ZR 219/99, BeckRS 1999, 30085726 Rn. 2; vom - VI ZR 398/98, BeckRS 1999, 30075925 unter II.; vom - XII ZR 222/93, BeckRS 1994, 2822 unter II. 1. a) und vom - V ZR 166/63, NJW 1966, 780). Die Partei hat in einem solchen Fall einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt durchaus gefunden, die Begründung des Rechtsmittels ist jedoch nur daran gescheitert, dass sie den Vorschuss nicht beglichen hat, sei es, weil sie es nicht wollte, sei es, weil sie den Betrag nicht aufbringen konnte (vgl. zu Letzterem BGH, Beschlüsse jew. aaO). Im erstgenannten Fall hat die Partei die Mandatsniederlegung selbst verschuldet (vgl. Senat, Beschlüsse vom und jew. aaO). Aber auch im zweiten Fall ergibt sich nichts anderes. Denn auch der Notanwalt könnte gemäß § 78c Abs. 2 ZPO eine entsprechende Vorschusszahlung verlangen. Für eine Partei, die selbst zur Honorierung eines Rechtsanwalts nicht in der Lage ist, sieht das Gesetz die Möglichkeit einer Anwaltsbeiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe (§§ 114, 115 ZPO) vor (vgl. zB BGH, Beschlüsse vom ; vom und vom - zu § 78a ZPO aF; jew. aaO). Davon hat der Kläger aber keinen Gebrauch gemacht.

5Dass der ursprünglich beauftragte Rechtsanwalt das Mandat aus anderen Gründen als der Nichtzahlung des Vorschusses niedergelegt hat, wird vom Kläger nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

III.

6Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Frist des § 544 Abs. 4 ZPO durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO) begründet wurde.

7Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde kann gleichzeitig mit der Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts erfolgen (zB Senat, Beschlüsse vom - III ZR 70/21, GRUR-RS 2021, 34029 Rn. 8 und - III ZR 121/18, BeckRS, 2018, 29835 Rn. 7; , BeckRS 2013, 5053 Rn. 4 f). Ein etwaiger Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die versäumte Begründungsfrist nach der Ablehnung des Senats, einen Notanwalt zu bestellen, verspräche keinen Erfolg. Einer Partei, die trotz Vornahme zumutbarer Bemühungen keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat, kann Wiedereinsetzung wegen der Versäumung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist nur dann gewährt werden, wenn sie vor Fristablauf einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt und die Voraussetzungen hierfür substantiiert dargelegt hat (Senat, Beschlüsse vom und vom ; jew. aaO; vom aaO Rn. 8; vom aaO Rn. 9 und vom - III ZR 122/13, NJW-RR 2014, 378 Rn. 8 f). Dies ist hier nicht der Fall, denn die Bestellung eines Notanwalts kam aus vorstehenden Gründen von vornherein nicht in Betracht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:241122BIIIZR119.22.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-30090