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BGH Beschluss v. - XI ZB 21/21

Instanzenzug: Az: XI ZB 21/21 Beschlussvorgehend Hanseatisches Az: 13 Kap 17/19vorgehend Az: 319 OH 14/19

Gründe

A.

1Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) darüber, ob der am aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) zur Beteiligung an der C.             Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS "C.            " (im Folgenden: Fonds oder Fondsgesellschaft) fehlerhaft ist und ob die Musterbeklagten hierfür aufgrund sogenannter bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können. Gegenstand des Fonds ist der Erwerb und Betrieb des MS "C.           " (nachfolgend: Fondsschiff), bei dem es sich um ein Containerschiff mit einer Containerkapazität von 2.122 TEU (Twenty Foot Equivalent Unit bzw. 20-Fuß-Standard-Container) handelt.

2Die drei Musterbeklagten waren Gründungsgesellschafterinnen der Fondsgesellschaft. Die Musterbeklagte zu 1 war zudem Prospektverantwortliche und übernahm die Finanzierungsvermittlung, Projektierung, Planung und Koordination sowie Managementleistungen. Die Musterbeklagte zu 2 war Platzierungsgarantin. Die Musterbeklagte zu 3 war für die Bauaufsicht und die Bereederung des Schiffes verantwortlich.

3Die Musterklägerin und die Beigeladenen verlangen von den Musterbeklagten Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Fondsgesellschaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne.

4Das dem Oberlandesgericht Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt. Mit den Feststellungszielen 1 bis 22 werden Prospektfehler geltend gemacht. Daneben wird die Feststellung begehrt, dass die Musterbeklagten "als Gründungsgesellschafter aufgrund der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB verantwortlich sind" (im Folgenden: Haftungsfeststellungsziel 1), dass sie aufgrund der festgestellten Prospektfehlerhaftigkeit nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft ihre vertraglichen Aufklärungspflichten verletzt haben (im Folgenden: Haftungsfeststellungsziel 2) und dass sie verpflichtet waren, über die festgestellten unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Punkte im streitgegenständlichen Prospekt aufzuklären und deshalb wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflichten haften (im Folgenden: Haftungsfeststellungsziel 3).

5Das Oberlandesgericht hat durch Musterentscheid vom alle Feststellungsanträge zurückgewiesen.

6Gegen den Musterentscheid haben sieben Beigeladene Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie verfolgen die Feststellungsziele 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 sowie die Haftungsfeststellungsziele weiter.

7Der Senat hat mit Beschluss vom den Beigeladenen zu 1 zum Musterrechtsbeschwerdeführer und die Musterbeklagte zu 1 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt. Die Musterbeklagten zu 2 und 3 sind dem Rechtsbeschwerdeverfahren innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 1 KapMuG auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin beigetreten.

B.

8Die zulässigen Rechtsbeschwerden des Musterrechtsbeschwerdeführers und der weiteren Rechtsbeschwerdeführer haben im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

9Die Rechtsbeschwerden sind zulässig. Sie sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und formulieren einen ordnungsgemäßen Rechtsbeschwerdeantrag (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

II.

10Die Rechtsbeschwerden des Musterrechtsbeschwerdeführers und der weiteren Rechtsbeschwerdeführer haben im Ergebnis keinen Erfolg. Sie führen nur dazu, dass der Vorlagebeschluss hinsichtlich der Feststellungsziele 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos ist.

111. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung des Musterentscheids - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

12Die Musterbeklagte zu 1 sei Prospektverantwortliche im Sinne von § 13 VerkProspG, § 44 BörsG aF, da sie auf Seite 3 des streitgegenständlichen Prospekts als Anbieterin des Beteiligungsangebots ausdrücklich die Verantwortung für den Inhalt dieses Prospekts übernommen habe. Auch die Musterbeklagte zu 2 sei Prospektverantwortliche, da sie Gründungsgesellschafterin mit einem Kapital von 25.000 € sei, den Vertrieb übernommen sowie eine Platzierungsgarantie abgegeben habe. Hierfür erhalte sie nach dem Gesellschaftsvertrag eine Vergütung, wodurch sie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse an dem Erfolg des Beteiligungsangebots gehabt habe. Bezogen auf diese Musterbeklagten werde die Prospekthaftung im weiteren Sinne durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung verdrängt.

13Anders stelle sich die Sachlage hinsichtlich der Musterbeklagten zu 3 dar. Deren Stellung als Gründungsgesellschafterin führe allein nicht dazu, sie als Prospektveranlasserin anzusehen. Die Musterbeklagte zu 3 könne somit zwar im Sinne der Prospekthaftung im weiteren Sinne für Prospektfehler verantwortlich sein. Allerdings lägen die geltend gemachten Prospektfehler nicht vor.

142. Die Rechtsbeschwerden haben im Ergebnis keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Haftungsfeststellungsziele 1 bis 3 in Bezug auf die Musterbeklagten zu 1 und 2 wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung als unbegründet zurückzuweisen sind. Insoweit ist auszusprechen, dass der Vorlagebeschluss hinsichtlich der sich auf die Prospektfehler beziehenden Feststellungsziele 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos ist. Soweit das Oberlandesgericht die geltend gemachten Prospektfehler geprüft hat, weil es eine Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten zu 3 verneint hat, kann dahingestellt bleiben, ob es zu Recht davon ausgegangen ist, dass keine Prospektfehler vorliegen. Denn die Musterbeklagte zu 3 ist aufgrund ihrer Stellung als Gründungsgesellschafterin ebenfalls Prospektveranlasserin, so dass die Haftungsfeststellungsziele 1 bis 3 auch insoweit als unbegründet zurückzuweisen sind und der Vorlagebeschluss hinsichtlich der sich auf die Prospektfehler beziehenden Feststellungsziele 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos ist.

15a) Durch die Haftungsfeststellungsziele sollte nur eine Haftung der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Haftungsfeststellungsziele, in denen zur Begründung der Haftung auf die "Prospektfehlerhaftigkeit" abgestellt wird. Zudem wird im Vorlagebeschluss ausgeführt, dass sich die Musterbeklagten zur Aufklärung über die Kapitalanlage des Prospekts bedienten, welcher die Grundlage des Beteiligungsangebots gebildet habe.

16b) Die begehrte Feststellung ist nicht zu treffen, weil eine Haftung der Musterbeklagten als Gründungsgesellschafterinnen aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der Senat in gefestigter Rechtsprechung entscheidet (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff., vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 7 f. mwN in der Fassung des Beschlusses vom , WM 2022, 1908 und vom - XI ZB 23/20, WM 2022, 2137 Rn. 50 ff. mwN) - vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.

17Auf den am aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eröffnet.

18Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Musterbeklagte zu 1 Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF ist, weil sie die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen hat. Ebenfalls zutreffend hat das Oberlandesgericht die Musterbeklagte zu 2 als Prospektveranlasserin im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF angesehen. Unzutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings angenommen, dass die Stellung als Gründungsgesellschafterin allein eine Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten zu 3 nicht begründen kann. Das Oberlandesgericht hat insoweit die Entscheidung des Senats vom (XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff.) missverstanden. Die Stellung als Gründungsgesellschafter reicht aus, um Prospektveranlasser im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF zu sein (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 24, vom - XI ZB 32/19, WM 2022, 1277 Rn. 39 und vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom , WM 2022, 1908).

19Die Musterbeklagten hafteten mithin als Prospektverantwortliche (Musterbeklagte zu 1) bzw. wegen ihrer Eigenschaft als Gründungsgesellschafterinnen als Prospektveranlasserinnen (alle Musterbeklagte) für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF. Neben dieser ist eine Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen.

20c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von den Rechtsbeschwerden zitierten Entscheidungen des II. und des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Senatsbeschlüssen vom (XI ZB 31/20, WM 2022, 921 Rn. 25 ff.), vom (XI ZB 27/20, WM 2022, 1169 Rn. 22 ff.) und vom (XI ZB 32/21, WM 2022, 1684 Rn. 23 ff.) verwiesen. Die Rechtsbeschwerden rügen zudem zu Unrecht die Zuständigkeit des Senats (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom , aaO Rn. 33 f.).

21d) Da der Antrag zu den Haftungsfeststellungszielen in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der sich auf die Prospektfehler beziehenden Feststellungsziele 1, 3, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 18, 20 und 22 gegenstandslos (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 31/20, WM 2022, 921 Rn. 30 ff. mwN).

III.

22Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 26 Abs. 1 und 3 KapMuG i.V.m. §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entsprechend. Danach haben der Musterrechtsbeschwerdeführer und die Rechtsbeschwerdeführer die gesamten Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach dem Grad ihrer Beteiligung zu tragen. Soweit der Senat auf die (teilweise) Gegenstandslosigkeit des Vorlagebeschlusses erkennt, ist damit eine den Rechtsbeschwerden günstige Entscheidung in der Sache, die eine Belastung der Musterbeklagten mit Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens rechtfertigte, nicht verbunden (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 76).

IV.

23Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG. Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend bis zu 1.700.000 €.

24Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten des Musterrechtsbeschwerdeführers und der Rechtsbeschwerdeführer auf bis zu 230.000 € und für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der beigetretenen Musterbeklagten auf bis zu 1.700.000 € festzusetzen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:081122BXIZB21.21.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-30049