BGH Beschluss v. - IV ZB 10/22

Instanzenzug: Az: 40 S 4/22vorgehend Az: 146 C 92/20 Urteil

Gründe

1I. Gegen das am zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten fristgerecht Berufung eingelegt. Auf den Hinweis des Landgerichts, eine am eingegangene Berufungsbegründung erfülle nicht die Anforderungen des § 130a ZPO, ist am eine weitere, hinsichtlich der Signatur der das Dokument verantwortenden Person geänderte Begründung der Berufung beim Landgericht eingegangen, aber nicht zur elektronischen Gerichtsakte genommen worden.

2Das Landgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

3II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

41. Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom - IV ZB 11/21, NJW-RR 2022, 426 Rn. 6; vom - IV ZB 10/17, NJW-RR 2018, 957 Rn. 6 sowie vom - IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 5).

52. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

6a) Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung unzulässig, weil die vom Kläger eingereichte Berufungsbegründung, eingegangen am , nicht die nach §§ 130a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 130d , 520 Abs. 5 ZPO erforderliche Form wahre.

7b) Die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle an einer formgerechten Begründung der Berufung des Klägers, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

8Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die am beim Berufungsgericht eingegangene Berufungsbegründung den Anforderungen entspricht, die nach § 130a Abs. 3 ZPO in formeller Hinsicht an die Berufungsbegründung zu stellen sind. Jedenfalls die am vom Klägervertreter übersandte und hinsichtlich der Signatur geänderte Berufungsbegründung entspricht den Voraussetzungen der vorgenannten Regelung. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hier das elektronische Dokument mit seinem Namen signiert (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) und als Weg der Übersendung die Übermittlung vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu der elektronischen Poststelle des Berufungsgerichts gewählt (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

9Die geänderte Berufungsbegründung ist auch innerhalb der zweimonatigen Frist zur Begründung der Berufung nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei dem Berufungsgericht eingegangen. Dem steht nicht entgegen, dass der Schriftsatz bis zum Ende der Frist am nicht zur elektronischen Gerichtsakte gelangt ist. Gemäß § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Diese Voraussetzung war ausweislich des Prüfvermerks des Berufungsgerichts vom an eben diesem Tag und damit vor Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung erfüllt. Ob das elektronische Dokument von der vorgenannten Einrichtung aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet wird oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich. Hierbei handelt es sich um gerichtsinterne Vorgänge, die für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokuments nicht von Bedeutung sind (, VersR 2022, 981 Rn. 8).

103. Deshalb kam hier die Verwerfung der Berufung als unzulässig auf der Grundlage von § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht in Betracht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:301122BIVZB10.22.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-29508