Bewertung mehrjähriger Kulturen in Baumschulbetrieben nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG); Neuregelung für die Wirtschaftsjahre ab 2023/2024
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Bewertung mehrjähriger Kulturen in Baumschulbetrieben Folgendes:
1. Grundsätze
1Mehrjährige Kulturen sind Pflanzungen, die nach einer Gesamtkulturzeit der Pflanzen von mehr als einem Jahr einen einmaligen Ertrag liefern (z. B. Baumschulkulturen). Sie unterliegen der jährlichen Bestandsaufnahme und gehören zum Umlaufvermögen. Nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 EStG ist das Umlaufvermögen mit den Anschaffungskosten, mit den Herstellungskosten oder mit dem niedrigeren Teilwert zu bewerten. Wegen der Begriffe der Anschaffungs- und Herstellungskosten wird auf § 255 Absatz 1 und 2 des Handelsgesetzbuchs hingewiesen.
2. Vereinfachungsregelungen
2Die jährliche Bestandsaufnahme wird erleichtert und die Bewertung des Umlaufvermögens kann durch Schätzung eines Pflanzenbestandswerts, wie in den Randnummern 3 bis 10 dargestellt, vereinfacht werden.
2.1. Pflanzenwert
3Die Pflanzen, die am Bilanzstichtag eines Wirtschaftsjahres vorhanden sind, sowie das Saatgut (R 15.5 Absatz 5 Satz 3 Einkommensteuer-Richtlinien 2012 - EStR 2012) werden aus Vereinfachungsgründen auf die zu bewertende Baumschulfläche bezogen (Pflanzenwert). Bei der Vereinfachung wird unterstellt, dass zugekauftes Pflanz- bzw. Saatgut verwendet wird, und dieses nicht zum Verkauf als Handelsware (R 15.5 Absatz 5 Satz 7 EStR 2012) bestimmt ist. Zur Ermittlung des Pflanzenwerts werden die Anschaffungskosten für Aufschulware (Jungpflanzen, Sämlinge, Stecklinge etc.) und für Saatgut des laufenden Wirtschaftsjahres herangezogen. Aus den Aufzeichnungen der einzelnen Wirtschaftsjahre über den Zukauf muss ersichtlich sein, welche Ware der Aufschulung und welche dem Handel dient.
2.2. Flächenwert
2.2.1. Baumschulbetriebsfläche
4Zur Baumschulbetriebsfläche gehören die selbst bewirtschafteten Flächen eines Betriebs sowie sämtliche Hof- und Gebäudeflächen, die zur Erzeugung und Vermarktung von mehrjährigen Kulturen bestimmt sind. Hierzu gehören auch die Flächen, auf denen Pflanzen zur Vervollständigung der üblichen Produktpalette stehen. Maßgeblich ist die Flächengröße, die am Bilanzstichtag auf der Grundlage des Automatisierten Liegenschaftskatasters nachgewiesen wurde.
2.2.2. Zu bewertende Baumschulfläche
5Die der Bewertung zugrunde zu legende Fläche ist wie folgt zu ermitteln:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Baumschulbetriebsfläche | |
abzüglich | Hof- und
Gebäudeflächen, die Wohnzwecken dienen |
Hausgärten | |
Flächen der
Bewässerungsteiche | |
Brach- und
Gründüngungsflächen und am Bilanzstichtag vollständig geräumte Quartiere,
soweit sie nicht zur Erzeugung von Pflanzen in Töpfen und Containern bestimmt
sind | |
Zwischenergebnis | |
abzüglich | 20 % vom
Zwischenergebnis für Besonderheiten |
zu bewertende
Baumschulfläche |
6Der Abzug von 20 % berücksichtigt Besonderheiten wie z. B. Wegeflächen oder Wendeplätze. Die zu bewertende Fläche ist zur Bestimmung des zutreffenden Flächenwertes ggf. aufzuteilen in Flächen mit Forstpflanzen, in übrige Flächen und in Flächen für Pflanzen in Töpfen und Containern.
2.2.3. Ermittlung des Flächenwerts
7Zur Ermittlung des Flächenwerts sind je Hektar (ha) zu bewertender Fläche anzusetzen:
für Flächen bzw. Flächenanteile mit Forstpflanzen 4.800 €/ha,
für Flächen bzw. Flächenanteile aller übrigen Pflanzen 8.800 €/ha.
8Werden Pflanzen in Töpfen und/oder Containern erzeugt oder vermarktet, so ist der Flächenwert um 40 % zu erhöhen. Für Pflanzen auf Schau-, Ausstellungs- und Verkaufsflächen gilt dies entsprechend.
2.2.4. Nachweis der Baumschulbetriebsfläche
9Die Baumschulbetriebsfläche muss sich aus dem Anbauverzeichnis, das nach § 142 Abgabenordnung bzw. R 13.6 EStR 2012 zu führen ist, ergeben. Die Hof- und Gebäudeflächen müssen anhand anderer geeigneter Unterlagen nachgewiesen werden können. Bei der Übermittlung der Inhalte der Bilanz und der Gewinn-und-Verlust-Rechnung nach § 5b EStG durch Datenfernübertragung ist die Berechnung des Pflanzen- und Flächenwerts anhand des Anbauverzeichnisses oder einer Flächenzusammenstellung in einer Fußnote im E-Bilanz-Datensatz darzulegen.
2.3. Pflanzenbestandswert
10Der Pflanzenbestandswert eines Wirtschaftsjahres setzt sich aus dem Pflanzenwert (Randnummer 3) und dem Flächenwert (Randnummern 4 bis 9) zusammen. Um die durchschnittliche Umtriebszeit mehrjähriger Kulturen zu berücksichtigen, ist der aktivierte Pflanzenwert eines Wirtschaftsjahres in den folgenden Wirtschaftsjahren zu mindern: Am Bilanzstichtag nach der ersten Bilanzierung ist der jeweilige Pflanzenwert eines Wirtschaftsjahres
für Pflanzen in Töpfen und Containern mit 0 %,
für Forstpflanzen mit 30 %
und für alle übrigen Pflanzen (einschließlich der Pflanzen auf Schau-, Ausstellungsund Verkaufsflächen) mit 50 %
seines ursprünglichen Werts in der Bilanz auszuweisen. Am darauffolgenden Bilanzstichtag ist dieser Pflanzenwert für die Forstpflanzen und die übrigen Pflanzen mit 0 € anzusetzen.
3. Anwendungsregelungen
3.1. Sachlicher Geltungsbereich
11Die mehrjährigen Kulturen eines Baumschulbetriebs sind unabhängig vom Vorliegen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines Gewerbebetriebs insgesamt entweder nach den vorstehenden Vereinfachungsregelungen oder nach den allgemeinen Grundsätzen zu erfassen und zu bewerten. Wurde die Anwendung der Vereinfachungsregelungen gewählt, so sind diese Methoden beizubehalten und gelten für die gesamte Baumschulbetriebsfläche. Eine Bewertung mit dem niedrigeren Teilwert ist in diesen Fällen ausgeschlossen. Die Vereinfachungsregelungen dürfen nicht bzw. nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn die mehrjährigen Kulturen in einer Schlussbilanz des Betriebs für vorangegangene Wirtschaftsjahre, bei einem Wechsel zum Betriebsvermögensvergleich oder erstmals in einer Bilanz als Umlaufvermögen mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ausgewiesen wurden.
3.2. Zeitlicher Geltungsbereich
12Die vorstehenden Regelungen gelten erstmals für das Wirtschaftsjahr 2023/2024 bzw. das mit dem Kalenderjahr 2024 übereinstimmende Wirtschaftsjahr. Sie sind letztmals für das Wirtschaftsjahr 2026/2027 bzw. das mit dem Kalenderjahr 2027 übereinstimmende Wirtschaftsjahr anzuwenden.
13Darüber hinaus sind die Regelungen bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres 2027/2028 bzw. bis zum Ablauf des mit dem Kalenderjahr 2028 übereinstimmenden Wirtschaftsjahres weiter anzuwenden, wenn mit Ablauf des Kalenderjahres 2026 statistisch repräsentative Daten des Projekts „Betriebsvergleich 4.0“ von inländischen Baumschulbetrieben vorliegen.
4. Übergangsregelung
14Bei der Anwendung der neuen Vereinfachungsregelungen zur Erfassung und Bewertung der Pflanzen und des Saatguts kann im Vergleich zu der Anwendung der bisherigen Grundsätze im Wirtschaftsjahr 2023/2024 bzw. 2024 ein Gewinn entstehen. Dieser Gewinn ergibt sich aus der Gegenüberstellung der neuen und der bisherigen Bewertungsmethode am maßgeblichen Bilanzstichtag im Wirtschaftsjahr 2023/2024 bzw. 2024. Die steuerpflichtige Person kann deshalb in Höhe von höchstens 80 % des Gewinns, der durch die Anwendung der neuen Vereinfachungsregelungen entsteht, in der Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Rücklage ist in den folgenden Wirtschaftsjahren mit mindestens 25 % der gebildeten Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen (vgl. Beispiel Buchstabe f).
5. Beispiel zur Berechnung des Pflanzenbestandswerts ab dem Wirtschaftsjahr 2023/2024 bzw. 2024
15In einem 46 ha großen Baumschulbetrieb werden im Wirtschaftsjahr 2023/2024 laut Anbauverzeichnis 6 ha Forstpflanzen, 15 ha sonstige Ziergehölze und 14,5 ha Obstgehölze erzeugt. Die Brach- und Gründüngungsflächen im laufenden Wirtschaftsjahr betragen 4,5 ha, die geräumten Quartiere, die der Erzeugung von Containerpflanzen dienen, betragen 2 ha. Die mit sonstigen Ziergehölzen bestückten Schau- und Ausstellungsflächen umfassen 1 ha. Ferner betragen die Wohngebäudeflächen einschließlich des Hausgartens 1,5 ha und die zutreffend abgegrenzten übrigen Flächen umfassen 1,5 ha (Dauerwege, Wendeplätze etc.). Der Wareneinkauf an Aufschulware beträgt laut Buchführung im laufenden Wirtschaftsjahr 30.000 € für Forstpflanzen, 20.000 € für Ziergehölze in Containern und 180.000 € für alle übrigen Pflanzen.
Nach den Vereinfachungsregelungen ist der Pflanzenbestandswert am Bilanzstichtag wie folgt zu ermitteln:
a) Pflanzenwert
Der Wareneinkauf an Aufschulware beträgt im laufenden Wirtschaftsjahr insgesamt 230.000 € (30.000 € für Forstpflanzen, 20.000 € für Ziergehölze in Containern, 180.000 € für alle übrigen Pflanzen). Der Pflanzenwert nach Randnummer 3 beträgt somit 230.000 €.
b) Flächenwert
1. Berechnung der zu bewertenden Fläche
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Selbst
bewirtschaftete Baumschulbetriebsfläche | 46,00 ha | |
abzüglich | Wohnzwecken
dienende Flächen und Hausgärten | 1,50 ha |
Brach- u.
Gründüngungsflächen des lfd. Wirtschaftsjahres | 4,50 ha | |
Zwischenergebnis | 40,00 ha | |
abzüglich | 20 % für
Besonderheiten (20 % von 40,00 ha) | 8,00 ha |
Zu bewertende Fläche | 32,00 ha |
2. Aufteilung der zu bewertenden Fläche und Ermittlung des Flächenwerts
Für die Aufteilung der zu bewertenden Fläche ist das Verhältnis der Flächen laut Anbauverzeichnis maßgebend.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Tatsächl.
Fläche in ha | Anteil der
Fläche an der Gesamtfläche [1] | Zu
bewertende Fläche in ha [2] | Flächenwert
pro ha in € | Flächenwert
gesamt in € [3] | |
Gesamtfläche | 38,50 | 32,00 | |||
davon | |||||
Forstpflanzen | 6,00 | 15,58 % | 4,99 | 4.800 | 23.952 |
Sonstige
Ziergehölze | 15,00 | 38,96 % | 12,47 | 8.800 | 109.736 |
Obstgehölze | 14,50 | 37,66 % | 12,05 | 8.800 | 106.040 |
Ziergehölze in
Containern | 2,00 | 5,20 % | 1,66 | 12.320 | 20.451 |
Ziergehölze auf
Schau-/Ausstellungsflächen | 1,00 | 2,60 % | 0,83 | 12.320 | 10.226 |
Summe | 270.405 | ||||
nachrichtlich: | 32,00 | ||||
Brach- u.
Gründ.-flächen [4] | 4,50 | ||||
Wohnzwecken
dienende Flächen | 1,50 | ||||
Übrige
Flächen | 1,50 | ||||
Summe | 46,00 |
c) Pflanzenbestandswert (Bilanzansatz) zum
Der Pflanzenwert nach Randnummer 3 von 230.000 € und der Flächenwert nach Randnummern 4 bis 9 von 270.405 € sind als Pflanzenbestandswert nach Randnummer 10 in Höhe von 500.405 € in der Bilanz anzusetzen.
d) Darstellung für die folgenden Wirtschaftsjahre
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bilanzposition
dem Grunde nach | Bilanzposition
der Höhe nach in € | davon
Forstpflanzen in € | davon Pflanzen
in Containern in € | davon übrige
Pflanzen in € |
Bilanzansatz: | ||||
Pflanzenwert
2023/2024 | 230.000 | 30.000 | 20.000 | 180.000 |
Flächenwert
2023/2024 | 270.405 | 23.952 | 20.451 | 226.002 |
zum
| 500.405 | 53.952 | 40.451 | 406.002 |
Bilanzansatz: | ||||
Pflanzenwert
2023/2024 | 30 % von
30.000 | 0 % von
20.000 | 50 % von
180.000 | |
zum
| 99.000 | 9.000 | 0 | 90.000 |
Bilanzansatz: | ||||
Pflanzenwert
2023/2024 | Ansatz mit
0 | Ansatz mit
0 | Ansatz mit
0 | |
zum
| 0 | 0 | 0 | 0 |
e) Darstellung mehrerer Wirtschaftsjahre
Der Pflanzenwert für das Wirtschaftsjahr 2023/2024 zum beträgt 99.000 € (vgl. Beispiel Buchstabe d). Im Wirtschaftsjahr 2024/2025 beträgt der Wareneinkauf 20.000 € für Forstpflanzen, 30.000 € für Zierpflanzen in Containern und 160.000 € für alle übrigen Pflanzen; der Pflanzenwert beträgt somit insgesamt 210.000 €. Der Pflanzenbestandswert für das Wirtschaftsjahr 2024/2025 zum beträgt bei identischem Flächenwert in Höhe von 270.405 € somit 480.405 €. Zum Bilanzstichtag ist der Pflanzenbestandswert wie folgt auszuweisen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bilanzposition
dem Grunde nach | Bilanzposition
der Höhe nach in € | davon
Forstpflanzen in € | davon Pflanzen
in Containern in € | davon übrige
Pflanzen in € |
Bilanzansatz: | ||||
Pflanzenwert
2023/2024 | 99.000 | 9.000 | 0 | 90.000 |
zum
| 99.000 | 9.000 | 0 | 90.000 |
Bilanzansatz: | ||||
Pflanzenwert
2024/2025 | 210.000 | 20.000 | 30.000 | 160.000 |
Flächenwert
2024/2025 | 270.405 | 23.952 | 20.451 | 226.002 |
zum
| 480.405 | 43.952 | 50.451 | 386.002 |
Summe der beiden
Bilanzansätze | 579.405 |
f) Bildung der Rücklage im Rahmen der Übergangsregelung für das Wirtschaftsjahr 2023/2024 aufgrund der Anpassung der Flächenwerte
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Flächenwert
nach der neuen Bewertungsmethode (vgl. im Beispiel Buchstabe b Nummer 2) | 270.405
€ |
Flächenwert
nach der bisherigen Bewertungsmethode [5] | 250.607
€ |
Differenz | 19.798
€ |
Rücklage
(höchstens 80 % der Differenz) | 15.838
€ |
Auflösung in den folgenden Wirtschaftsjahren mit
mindestens 25 % der Rücklage | 3.959 € |
6. Veröffentlichung
Dieses Schreiben steht ab sofort bis auf weiteres auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zum Abruf bereit.
Inhaltlich gleichlautend
BMF v. - IV C 7 - S 2163/21/10001 :002
OFD Frankfurt/M. v. - S
2163 A - 005 - St
21
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2022 I Seite 1673
VAAAJ-29338