Anwaltsgerichtliches Verfahren zur Ahndung anwaltlicher Pflichtverletzungen: Entschädigungspflicht bei Aufhebung eines vorläufigen Berufsverbots
Gesetze: § 116 Abs 1 S 2 BRAO, § 150 BRAO, § 155 BRAO, § 1 GVG, §§ 1ff GVG, § 1 StPO, §§ 1ff StPO, § 1 StrEG, §§ 1ff StrEG
Instanzenzug: Az: AnwSt (R) 5/21 Beschlussvorgehend Anwaltsgerichtshof Brandenburg Az: AGH II 1/20 Urteilvorgehend Anwaltsgericht Brandenburg Az: 1 AnwG 5/18
Gründe
I.
1Das Anwaltsgericht schloss den Rechtsanwalt im Verfahren AnwG B. mit Urteil vom aus der Rechtsanwaltschaft aus und verhängte mit Beschluss vom selben Tage ein vorläufiges Berufsverbot nach §§ 150, 155 BRAO gegen ihn. Auf die Berufung des Rechtsanwalts hob der Anwaltsgerichtshof das Urteil auf, stellte das Verfahren wegen Fehlens eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses entsprechend § 260 Abs. 3 StPO ein und hob das vorläufige Berufsverbot mit Beschluss vom auf ( AGH B. ).
2Nach erneuter Anschuldigung des im Verfahren AnwG B. angeschuldigten Themenkomplexes hat das Anwaltsgericht dem Rechtsanwalt - nach Verbindung des Verfahrens mit anderen gegen ihn anhängigen Verfahren - mit Urteil vom u.a. wegen dieses Sachverhalts einen Verweis erteilt und eine Geldbuße in Höhe von 15.000 € gegen ihn verhängt ( AnwG B. ). Der Anwaltsgerichtshof hat die dagegen eingelegten Berufungen der Generalstaatsanwaltschaft und des Rechtsanwalts mit Urteil vom verworfen, letztere mit der Maßgabe, dass wegen einer Verfahrensverzögerung die Geldbuße in Höhe von 2.000 € als bereits vollstreckt gilt ( AGH B. ). Dagegen haben die Generalstaatsanwaltschaft und der Rechtsanwalt Revision eingelegt, die der Senat mit Beschluss vom verworfen hat.
3Mit Schriftsatz vom hat der Rechtsanwalt die Feststellung beantragt, dass ihm für das durch Beschluss des Anwaltsgerichts vom verhängte vorläufige Berufsverbot dem Grunde nach eine Entschädigung zu leisten ist.
II.
4Der Antrag ist abzulehnen. Für die begehrte Feststellung einer Entschädigungspflicht für das durch das Anwaltsgericht gegen den Rechtsanwalt gemäß §§ 150, 155 BRAO verhängte vorläufige Berufsverbot fehlt es im anwaltsgerichtlichen Verfahren an einer Rechtsgrundlage.
5Die Bundesrechtsanwaltsordnung enthält keine Regelung zu einer Entschädigung im Fall der Anordnung eines vorläufigen Berufsverbots nach §§ 150, 155 BRAO. Das Gleiche gilt für die im anwaltsgerichtlichen Verfahren gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO ergänzend sinngemäß anzuwendenden Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozessordnung. Aus der Verweisung in § 116 Abs. 2 BRAO auf die Vorschriften des Siebzehnten Teils des Gerichtsverfassungsgesetzes ergeben sich nur Entschädigungsansprüche wegen überlanger Dauer des anwaltsgerichtlichen Verfahrens, nicht aber wegen einzelner Verfolgungsmaßnahmen im Rahmen dieses Verfahrens.
6Eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dieses Gesetz ist im anwaltsgerichtlichen Verfahren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. Weyland/Reelsen, BRAO, 10. Aufl., § 116 Rn. 6; Johnigk in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 116 Rn. 6; MünchKommStPO/Kunz, 1. Aufl., StrEG, Einleitung Rn. 59; siehe auch BayObLG, NJW 1997, 2465; OVG Münster, NJW 1998, 1809 f., jeweils zum heilberufsgerichtlichen Verfahren). Das anwaltsgerichtliche Verfahren ist kein Strafverfahren, sondern diesem gegenüber ein eigenständiges aliud. Wie sich insbesondere auch aus § 115b Satz 2 und 3, § 118 BRAO ergibt, haben anwaltsgerichtliche Maßnahmen nicht nur eine Sühne- sondern auch eine Ordnungsfunktion, indem sie die künftige Erfüllung der beruflichen Pflichten sicherstellen sollen. Anders als andere Disziplinargesetze (siehe etwa § 76 Abs. 2 BDG, § 77 Abs. 2 LDG Brandenburg, § 98 Abs. 2 LDG Rheinland-Pfalz, § 73 Abs. 2 LDG NRW) enthält die Bundesrechtsanwaltsordnung keinen Verweis auf das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund ist auch für eine entsprechende Anwendung des Gesetzes kein Raum.
7Über etwaige - unberührt bleibende - Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist im anwaltsgerichtlichen Verfahren nicht zu befinden. Hierfür besteht gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG eine ausschließliche erstinstanzliche Zuständigkeit der landgerichtlichen Zivilkammern.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:101022BANWST.B.5.21.0
Fundstelle(n):
DStR 2023 S. 12 Nr. 3
DStR 2023 S. 12 Nr. 3
WAAAJ-29287