Instanzenzug: LG Kleve Az: 140 Ks 2/22
Gründe
11. Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. In einem am beim Landgericht eingegangenen eigenhändigen Schreiben vom hat der bei der Urteilsverkündung anwesende Beschuldigte erklärt, er wolle "eine nachträgliche Revision beantragen", weil er das schriftliche Urteil "erst vor kurzem bekommen" habe. Er "akzeptiere" seine "Bestrafung", nicht aber die Urteilsfeststellungen zu der der Maßregelanordnung zugrundeliegenden rechtswidrigen Tat.
22. Das Schreiben des Beschuldigten ist dahin auszulegen, dass er gegen das Urteil Revision eingelegt und wegen unverschuldeter Versäumung der hierfür nach § 341 Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Frist, die am abgelaufen war (§ 43 Abs. 1 und 2 StPO), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt hat. Beiden Rechtsbehelfen bleibt der Erfolg versagt.
3a) Der Wiedereinsetzungsantrag ist bereits unzulässig; er wäre auch unbegründet.
4aa) Zur Unzulässigkeit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift insbesondere ausgeführt:
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Die hierzu erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (, BeckRS 2012, 17195 und v. - 1 StR 232/13, BeckRS 2013, 11674). Bereits an dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es. Das Urteil wurde dem Beschuldigten am zugestellt (SA Bd. II Bl. 411). Die Mitteilung im Schreiben vom , er habe das Urteil erst vor kurzem bekommen, lässt offen, wann genau der Beschuldigte Kenntnis von dem Urteil und dessen Rechtskraft genommen hat. Aufgrund der Zustellung des Urteils bereits am ist eine zeitnahe Kenntnisnahme des Urteils und damit auch eine Kenntnis von dem Versäumnis der Revisionseinlegung denkbar mit der Folge, dass die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO verstrichen wäre."
5Dem schließt sich der Senat an und bemerkt im Hinblick auf die Beanstandung eines weiteren formalen Mangels durch den Generalbundesanwalt ergänzend, dass das Wiedereinsetzungsgesuch nicht auch deshalb unzulässig ist, weil der Beschuldigte die nachgeholte Revisionseinlegung (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO) nicht in elektronischer Form vorgenommen hat. Die Vorschrift des § 32b Abs. 3 Satz 2 StPO richtet sich an Strafverfolgungsbehörden und Gerichte, diejenige des § 32d Satz 2 StPO an Verteidiger und Rechtsanwälte. Der Beschuldigte ist demgegenüber nicht verpflichtet, seine Erklärungen als elektronisches Dokument einzureichen (s. BT-Drucks. 18/9416 S. 51; BeckOK StPO/Valerius, 45. Ed., § 32d Rn. 1).
6bb) Zur Unbegründetheit hat der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift ausgeführt:
"Letztlich bliebe das Wiedereinsetzungsgesuch auch in der Sache ohne Erfolg, weil der Beschuldigte weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 44 ... [Satz 1] StPO).
Der verteidigte Beschuldigte wurde nach der Urteilsverkündung über das Rechtsmittel belehrt (SA Bd. II Bl. 341). Ihm war demnach die einwöchige Revisionseinlegungsfrist bekannt. Das Schreiben des Beschuldigten vom legt außerdem nahe, dass ihn auch der Verteidiger in einem (nicht vorgelegten) Schreiben vom auf die einwöchige Revisionseinlegungsfrist hingewiesen hat. Sein Vortrag lässt offen, ob er seinen Pflichtverteidiger überhaupt mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt hatte; ein solcher Auftrag ist auch nicht durch anwaltliche Versicherung des Verteidigers glaubhaft gemacht. ...
Dass der Angeklagte fälschlich davon ausging, die Zustellung des schriftlichen Urteils abwarten zu können, beseitigt nicht sein Verschulden, weil er auf den Beginn der Revisionseinlegungsfrist hingewiesen worden ist und anwaltlich beraten war. Vielmehr hätte es ihm freigestanden, seinen Verteidiger mit der Rechtsmitteleinlegung zu beauftragen. Auch derjenige, der seinen Verteidiger nicht eindeutig mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragt (was er auch vortragen muss, BGH NStZ-RR 2015, 145), handelt schuldhaft (vgl. , BeckRS 1989, 31104670; Beschl. v. - 1 StR 154/06, BeckRS 2006, 06243).
Es bestehen ... keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte aufgrund einer krankhaften Störung seiner Geistestätigkeit unverschuldet an der Einhaltung der Revisionseinlegungsfrist gehindert war. Unverschuldete Säumnis kommt bei derartigen Erkrankungen regelmäßig nur dann in Betracht, wenn sie mit Verhandlungsunfähigkeit einhergehen (vgl. , BeckRS 2017, 101567; Meyer-Goßner/Schmitt, 64. Aufl., § 44 Rn. 12a). Dafür liegen für den relevanten Zeitraum keine Anhaltspunkte vor. Der Beschuldigte hat an der Hauptverhandlung teilgenommen und sich zu den Tatvorwürfen eingelassen. Ausweislich der Urteilsgründe hat sich der zur Tatzeit wirkende akute Schub der schizoaffektiven Störung durch die Medikamenteneinnahme während der Unterbringung verbessert (UA S. 6). Es ist nicht ersichtlich, dass die Verhandlungsfähigkeit bis zum Ablauf der Rechtsmitteleinlegungsfrist entfallen sein könnte."
7Dem tritt der Senat gleichfalls bei.
8b) Da somit die Revision nicht fristgerecht eingelegt worden ist, ist sie nach § 349 Abs. 1 StPO ebenso als unzulässig zu verwerfen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:151122B3STR318.22.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-29276