BGH Beschluss v. - 1 StR 270/22

Rücktritt vom Mordversuch: Ernsthaftigkeit des Bemühens um Erfolgsverhinderung

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 1 S 2 StGB, § 211 StGB

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 3 Ks 200 Js 29599/20 (2)

Gründe

1Im ersten Rechtsgang hatte das Landgericht den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt sowie Adhäsionsentscheidungen getroffen. Auf die hiergegen gerichtete Revision hatte der Senat mit Beschluss vom – 1 StR 315/21 – das angefochtene Urteil mit Ausnahme der Feststellungen aufgehoben, da ein Rücktritt unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB nicht auszuschließen war. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten erneut wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, und zwar zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten. Daneben hat es wiederum gemäß den Adhäsionsanträgen des geschädigten Nebenklägers erkannt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Gegen den Schuldspruch bestehen keine Bedenken. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die ärztlichen Rettungskräfte aufgrund der Notrufe der Lebensgefährtin des Angeklagten oder einer Nachbarin entsandt wurden; das Telefonat des Angeklagten war nicht ursächlich.

3Dieses Gespräch ist auch nicht als „ernsthaftes“ Bemühen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB) zu werten. Denn das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der Ernsthaftigkeit erfordert ein Ausschöpfen der aus Sicht des Täters ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten; er muss alles tun, was in seinen Kräften steht, mithin die am besten geeignete („optimale“) Rettungsmaßnahme ergreifen (st. Rspr.; Rn. 10; Urteile vom – 2 StR 171/17 Rn. 17 und vom – 3 StR 78/10 Rn. 11; je mwN). Der Angeklagte nannte trotz Nachfrage nicht einmal den Tatort (UA S. 8).

42. Indes hält der Strafausspruch der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand:

5a) Das Landgericht hat in der Strafzumessung rechtsfehlerhaft den Inhalt des vorgenannten Telefonats straferschwerend berücksichtigt. In diesem Anruf behauptete der Angeklagte der Wahrheit zuwider gegenüber dem Polizeibeamten, der Nebenkläger habe ihn mit einem Messer angegriffen. Dies ist als noch zulässiges Verteidigungsverhalten zu werten. Die Grenze ist erst erreicht, wenn die wahrheitswidrige Notwehrbehauptung eine besonders verwerfliche Einstellung des Täters, etwa eine rechtsfeindliche Gesinnung, erkennen lässt oder die Ehre des Opfers verletzt (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 411/21 unter 1.; vom – 4 StR 630/19 und vom – 3 StR 391/18 Rn. 10; je mwN). Solches ist dem Telefoninhalt nicht zu entnehmen, auch nicht unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe.

6b) Die Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:230822B1STR270.22.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-28987