Steuerstrafverfahren: Konkurrenzverhältnis bei Hinterziehung von Lohnsteuer nebst Solidaritätszuschlag
Gesetze: § 41a Abs 1 S 1 Nr 1 EStG, § 41a Abs 1 S 1 Nr 2 EStG, § 1 SolZG, § 52 Abs 1 StGB, § 53 Abs 1 StGB
Instanzenzug: LG Duisburg Az: 51 KLs 28/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 53 Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in 129 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.602.735,56 € angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch im Wesentlichen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben. Lediglich die konkurrenzrechtliche Einordnung der Taten unter II. 3. a) Ziffern 73 bis 91, 104 bis 115, 131 bis 145 und 151 bis 155 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Nach den Feststellungen (UA S. 6 ff.) nahm der Angeklagte im Zeitraum von April 2018 bis Mai 2021 – für seine verschiedenen Unternehmen – die verpflichtenden monatlichen Lohnsteuer-Anmeldungen nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG überhaupt nicht vor und führte weder Lohnsteuer noch Solidaritätszuschlag nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ab. Hierdurch verkürzte er Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag (UA S. 17 ff.), weshalb die Kammer – der (neueren) Rechtsprechung folgend (vgl. , DStR 2018, 2380) – von selbständigen Taten im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB ausgegangen ist (UA S. 37 ff.).
Die Kammer hat dabei nicht bedacht, dass Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB dann ausnahmsweise anzunehmen ist, wenn die erforderlichen Angaben, die der Täter pflichtwidrig unterlassen hat, durch ein und dieselbe Handlung zu erbringen gewesen wären (vgl. , DStR 2018, 2380; Urteil vom – 5 StR 276/04, NJW 2005, 374, 375).
So liegt der Fall hier, da beim Solidaritätszuschlag nach § 1 SolZG keine selbständige originäre Erklärungspflicht besteht, sondern eine „Annexfestsetzung“ auf der Grundlage der Hauptsteuererklärung (hier der Lohnsteuer-Anmeldung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4a) [richtig: Nr. 3a] SolZG) erfolgt, wie sich auch aus dem – im Tatzeitraum insoweit identischen – Vordruckmuster der Lohnsteuer-Anmeldung für Lohnsteuer-Anmeldungszeiträume ab August 2022 (vgl. Schreiben betreffend Bekanntmachung des Musters für die Lohnsteuer-Anmeldung 2022 vom , BMF IV C 5 – S 2533/19/10026 :002; DOK 2022/0720080, BStBl. I S. 1205) ergibt. Folglich liegt (ausnahmsweise) materiellrechtlich Tateinheit nach § 52 Abs. 1 StGB vor.“
4Dem schließt sich der Senat an.
5Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die für die genannten 51 Fälle festgesetzten Einzelstrafen von 44-mal einem Monat, fünfmal zwei Monaten und zweimal drei Monaten Freiheitsstrafe entfallen. Dies berührt den Bestand der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten indes nicht. Denn mit Blick auf die Einsatzstrafe von drei Jahren und zwei Monaten Freiheitsstrafe sowie weitere 130 Einzelstrafen von einem Monat bis zu drei Jahren und zwei Monaten Freiheitsstrafe ist auszuschließen, dass die Strafkammer eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
62. Die auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützte Einziehungsentscheidung erweist sich insoweit als rechtsfehlerhaft, als das Landgericht ersparte Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 839.896,07 € abgeschöpft hat, die durch die faktisch von dem Angeklagten geführten Gesellschaften "G. Ltd." und "G. UG" abzuführen gewesen wären (Fälle II. 2. b) Ziffern 20 bis 34 und II. 2. c) Ziffern 47 bis 53 der Urteilsgründe). Insoweit hat die Strafkammer nicht bedacht, dass der wirtschaftliche Vorteil, durch die existenten Gesellschaften geschuldete Beiträge (§§ 28d, 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV) zur Sozialversicherung nicht abführen zu müssen, allein in deren Vermögen anfiel und bei diesen als Dritteinziehungsbeteiligte (§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) abzuschöpfen gewesen wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 529/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 33 Rn. 13 ff.; vom – 1 StR 133/21 Rn. 9 und vom – 1 StR 187/22 Rn. 5, jeweils mwN).
7Soweit der Angeklagte als Einzelunternehmer unter der Firma "P. " handelte (Fälle II. 2. a) Ziffern 1 bis 19 der Urteilsgründe) beziehungsweise das Landgericht ihm die nach Löschung der "G. Ltd." unter deren Namen erzielten Umsätze als Einzelunternehmer zugerechnet hat (UA S. 18, Fälle II. b) Ziffern 35 bis 46 der Urteilsgründe), schuldete er als Arbeitgeber selbst die Beiträge zur Sozialversicherung (§§ 28d, 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die ersparten Aufwendungen in Höhe von 762.839,49 € fielen daher in seinem Vermögen an, weshalb das Landgericht in dieser Höhe im Ergebnis zutreffend die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet hat.
8Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Die den Betrag in Höhe von 762.839,49 € übersteigende Einziehung des Wertes von Taterträgen entfällt. Auch dem steht § 265 Abs. 1 StPO aus den unter Ziffer 1. ausgeführten Gründen nicht entgegen.
93. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO, § 465 Abs. 2 StPO analog. Mit Blick darauf, dass die Revision des Angeklagten hinsichtlich der gegen ihn angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen zu etwa 50 Prozent erfolgreich war, wäre es unbillig, ihn mit den gesamten Kosten des Rechtsmittels zu belasten (vgl. Rn. 10 ff.).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:181022B1STR300.22.0
Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 277 Nr. 9
PStR 2023 S. 49 Nr. 3
wistra 2023 S. 297 Nr. 7
EAAAJ-28979