Zu berücksichtigende Lohnsteuerklasse bei der Hochrechnung des vorenthaltenen Arbeitsentgelts
Gesetze: § 14 Abs 2 S 2 SGB 4, § 266a Abs 1 StGB, § 39c EStG
Instanzenzug: LG Rostock Az: 22 KLs 202/19 (1)
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richten sich die auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2Während die Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts versagen, führt die sachlich-rechtliche Nachprüfung zur Aufhebung der Strafaussprüche. Das Landgericht hat im Rahmen der nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV vorzunehmenden Hochrechnung rechtsfehlerhaft durchgehend den Eingangssteuersatz der Lohnsteuerklasse VI zugrundegelegt. Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Zwar ist nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung beim Vorliegen vollumfänglich illegaler Beschäftigungsverhältnisse der Umfang hinterzogener Lohnsteuer grundsätzlich anhand des Eingangssteuersatzes der Lohnsteuerklasse VI (§ 39c EStG) zu bestimmen. Etwas anderes gilt hinsichtlich des der Strafzumessung zu Grunde zu legenden Sachverhaltes allerdings dann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse der Arbeitnehmer bekannt waren oder ohne Weiteres hätten festgestellt werden können, so, wenn die Arbeitnehmer durch das Tatgericht zeugenschaftlich vernommen wurden. In diesem Fall muss der Umfang hinterzogener Sozialversicherungsbeiträge anhand der tatsächlich gegebenen Lohnsteuerklasse der Arbeitnehmer ermittelt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 346/18, NJW 2019, 3532, 3535; und vom - 1 StR 86/21, juris Rn. 8). Ausgehend hiervon begegnet die Berechnung des Hochrechnungsfaktors im angegriffenen Urteil durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die gegen die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeführte Argumentation der Strafkammer verfängt nicht. Der von ihr angegriffenen Entscheidung des 1. Strafsenats (Beschluss vom - 1 StR 346/18) lag keine einzelfallspezifische Ausnahmekonstellation zu Grunde.“
3Dass die Lohnsteuerklassen der ungarischen Monteure sich nicht ohne Weiteres aufklären lassen,
„erschließt sich vorliegend auch nicht von selbst. Im Gegenteil: den Urteilsausführungen lässt sich entnehmen, dass das Landgericht von den ungarischen Monteuren zumindest die Zeugen L. R. , R. R. und B. vernommen hat (UA S. 32-35, 51, 68). Zudem lagen der Strafkammer Erkenntnisse vor, denen zufolge sämtliche Monteure die die durch die Firma S. an sie ausgezahlten Beträge im Rahmen der Einkommenssteuer - wenngleich aus Gewerbeeinnahmen - im Nachgang versteuert haben (UA S. 85).“
4Dem schließt sich der Senat an. Er kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Berechnung der Bruttoentgelte und der daraus ermittelten Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung sowie zur Arbeitsförderung auf niedrigere Strafen erkannt hätte. Die Feststellungen zur Höhe der gezahlten Arbeitsentgelte haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).
5Das neue Tatgericht wird die Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 SGB XI näher zu prüfen haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:230822B6STR122.22.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2022 S. 1424 Nr. 12
JAAAJ-28827