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Online-Nachricht - Donnerstag, 08.12.2022

Einkommensteuer | Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung im Rahmen einer Betriebsaufgabe (BFH)

Ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann - wie bei der Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge - zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin führte einen handwerklichen Betrieb. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich. Die Betriebsstätte befand sich in einem Anbau zu ihrem Einfamilienhaus. Krankheitsbedingt stellte die Klägerin ihren Betrieb Ende des Jahres 2013 ein und bezog aufgrund ihrer Berufsunfähigkeit Renten von privaten Versicherungsunternehmen.

Einen Großteil der Wirtschaftsgüter veräußerte die Klägerin an die A GmbH gegen die Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente ab Januar 2014. Von der Veräußerung ausgenommen war der bis dahin zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücksteil mit aufstehenden Gebäuden und fest installierten Betriebsvorrichtungen sowie weitere nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende Wirtschaftsgüter. Als Übertragungsstichtag wurde der vereinbart. An diesem Tag übergab die Klägerin die entsprechenden Wirtschaftsgüter ihres Gewerbebetriebs an die A GmbH und überführte die übrigen Wirtschaftsgüter in ihr Privatvermögen.

Streitig ist nun, wie der Betriebsaufgabegewinn, soweit er auf den Barwert der Leibrente entfällt, zu versteuern ist. Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Sofortbesteuerung der Leibrente als Teil des Aufgabegewinns unverhältnismäßig sei. Wie im Fall der Betriebsveräußerung bestehe ansonsten die Gefahr, dass der rentenberechtigte Veräußerer bei Versterben vor dem Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung einen zu hohen Gewinn versteuere.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Der Gewinn aus der Veräußerung eines großen Teils der betrieblichen Wirtschaftsgüter an die A GmbH gegen Leibrente kann aufgrund der mit einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge vergleichbaren Interessenlage ebenfalls der Zuflussbesteuerung unterliegen.

  • Auch in diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, den Gewinn aus der Veräußerung einzelner betrieblicher Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG) nach Maßgabe des Zuflusses der wiederkehrenden Bezüge und zudem erst dann als realisiert anzusehen, wenn die wiederkehrenden Bezüge die Buchwerte der veräußerten Wirtschaftsgüter und die insoweit angefallenen Aufgabekosten übersteigen.

  • Dieses Wahlrecht hat die Klägerin ausgeübt.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Die Unterscheidung zwischen Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern gegen wiederkehrende Bezüge ist obsolet. Soweit bei einer Betriebsaufgabe auch eine Leibrente oder andere langfristig wiederkehrende Bezüge vereinbart werden, kann der Steuerpflichtige (nunmehr) insoweit zwischen der Sofort- und Zuflussbesteuerung wählen.

Dies betrifft jedoch nur die wiederkehrende Leistung selbst. Der BFH geht davon aus, dass auch bei einer Betriebsaufgabe das Wagnis besteht, dass der Veräußerer bei einem zu frühen Tod mehr versteuern muss, als er erhält. Dies wäre unverhältnismäßig. Anders als im Fall der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter gegen Leibrente aus einem bestehenden Betrieb liegt im Todesfall nämlich kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Der Tod ist dem Vertrag über die Leibrente und anderer wiederkehrenden Leistungen immanent (, BStBl II 2002, 532, unter II.2.a).

Wählt der Steuerpflichtige die Zuflussbesteuerung, so hat er die Erlöse der veräußerten Wirtschaftsgüter und die gemeinen Werte der ins Privatvermögen überführter Wirtschaftsgüter zu addieren. Diesen ist der Buchwert des Betriebsvermögens gegenüberzustellen. Eine Aufteilung des Buchwerts erfolgt nicht. Vorliegend führt dies unter Beachtung der Höhe des Klägerantrags sogar dazu, dass der BFH nicht darüber befinden muss, ob der Zinsanteil der Rentenzahlung separat als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG) in jedem Fall zu versteuern ist. Das BMF vertritt in seinem Schreiben v. - IV A 6-S 2244-16/04, BStBl I 2004, 1187, unter A.2.1 diese Ansicht. Eine BFH-Entscheidung steht weiterhin aus.

In früheren Urteilen hat der BFH auch in Fällen der Zuflussbesteuerung den Gewinn der nicht gegen die wiederkehrende Leistung veräußerten Wirtschaftsgüter nach § 34 EStG begünstigt (, BStBl II 1968, 76). Ob dies aufgrund des Kriteriums der „Außerordentlichkeit“ noch gelten kann, spricht der BFH im vorliegenden Urteil bewusst an, ohne es entscheiden zu müssen.

Quelle: ; NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
AAAAJ-28655