Gesetzliche Unfallversicherung - Wegeunfall - Umweg - sachlicher Zusammenhang - keine geringfügige Unterbrechung - gemischte Motivationslage - objektivierte Handlungstendenz - dieselbe Strecke in dieselbe Richtung - freie Wahl der Wegstrecke - Wiederbegründung des versicherten Weges - Erreichen des Verkehrsraums - Fußgänger und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel in Abgrenzung zu (Selbst-)Fahrern im Individualverkehr - kurzer Arztbesuch auf dem Heimweg
Leitsatz
1. Nach einer Unterbrechung des Heimwegs setzt der Wegeunfallversicherungsschutz für Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel wieder ein, sobald sie subjektiv mit der Handlungstendenz unterwegs sind, die eigene Wohnung zu erreichen, und objektiv dieselbe Strecke in dieselbe Richtung wie das öffentliche Verkehrsmittel zurücklegen.
2. Im Unterschied zu (Selbst-)Fahrern im Individualverkehr müssen Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel das jeweilige Fahrzeug (zB Bus, Straßenbahn) weder erreicht noch bestiegen haben.
Gesetze: § 8 Abs 2 Nr 1 SGB 7
Instanzenzug: Az: S 15 U 72/16 Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 6 U 13/18 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten darüber, ob der zwischenzeitlich verstorbene Lebenspartner des Klägers auf dem Heimweg einen versicherten Wegeunfall erlitten hat.
2Der Lebenspartner war Zugbegleiter. Für den Heimweg vom Hauptbahnhof bis zu seiner Wohnung, in der er bis zu seinem Tod mit dem Kläger in einem gemeinsamen Haushalt lebte, standen ihm zwei Straßenbahnlinien mit jeweils zehnminütiger Taktung zur Verfügung. Die Fahrtstrecke der einen Linie war kürzer und erreichte die Zielhaltestelle in Wohnungsnähe vier Minuten schneller als die andere Linie. Üblicherweise benutzte der Lebenspartner die erstbeste Straßenbahn und nahm ggf die längere Fahrt in Kauf, um Wartezeiten zu vermeiden. Anders als die kürzere führt die längere Straßenbahnlinie an der Praxis seiner Hausärztin vorbei.
3Am benutzte der Lebenspartner die längere Straßenbahnlinie, um nach Hause zu fahren und zwischendurch bei seiner Hausärztin ein Rezept abzuholen. An der Zwischenhaltestelle C stieg er aus und lief - in Wohnungsrichtung - zur Arztpraxis, die er nach einigen Minuten wieder verließ. Auf dem anschließenden Fußweg - in Wohnungsrichtung - zur Zwischenhaltestelle W wurde er beim Überqueren der Straße angefahren und verletzt.
4Die Beklagte lehnte es ab, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Das SG hat diese Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis um einen Arbeitsunfall handelt (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom ): Bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und Planung einer privatwirtschaftlich veranlassten Unterbrechung "am Wegesrand" werde der Heimweg nicht erst fortgesetzt, wenn der Versicherte erneut in die Straßenbahn eingestiegen sei, sondern schon zu dem Zeitpunkt, in dem er parallel zum Straßenbahnverlauf erkennbar den Heimweg zu Fuß fortsetze.
5Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 8 Abs 1 und 2 Nr 1 SGB VII. Bei Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel sei - anders als bei Fußgängern - das von der Rechtsprechung des BSG geforderte objektive Kriterium zur Unterbrechung und Wiederbegründung des Versicherungsschutzes erst durch das Erreichen der Haltestelle bzw das Ein- und Aussteigen aus dem Verkehrsmittel zweifelsfrei und klar abgrenzbar gegeben.
6Die Beklagte beantragt,die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Leipzig vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7Der Kläger, der dem angegriffenen Urteil beipflichtet, beantragt,die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Gründe
8Die Revision der Beklagten ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgewiesen. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1, § 55 Abs 1 Nr 1, § 56 SGG) ist begründet, weil die Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom (§ 95 SGG) rechtswidrig ist und den Kläger (materiell) beschwert (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Als Sonderrechtsnachfolger (dazu A.) kann er die Aufhebung der Ablehnungsentscheidung und die gerichtliche Feststellung verlangen (dazu B.), dass der Verkehrsunfall seines Lebenspartners vom ein Arbeitsunfall in Form des Wegeunfalls war (dazu C.).
9A. Der Kläger ist berechtigt, den Rechtsstreit anstelle seines verstorbenen Lebenspartners als Sonderrechtsnachfolger fortzuführen, weil sie eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet hatten und zum Todeszeitpunkt unzweifelhaft in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben (§ 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB I). Soweit die Sonderrechtsnachfolge gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 SGB I auf der Rechtsfolgenseite "fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen" voraussetzt, ist dieses Erfordernis ebenfalls erfüllt, weil Ansprüche auf die hier in Betracht kommenden Geldleistungen entweder schon mit ihrem Entstehen (wie das Verletzten- und Übergangsgeld, §§ 46, 49 SGB VII) oder jedenfalls am Ende des Monats fällig werden, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl § 96 Abs 1 Satz 1 SGB VII bzgl Pflegegeld und Verletztenrente, §§ 44, 56 SGB VII). Da sich der Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes vollzogen hat, liegt keine Klageänderung iS der §§ 99, 168 Satz 1 SGG vor ( - BSGE 126, 166 = SozR 4-3500 § 9 Nr 1, RdNr 12 und vom - B 8 SO 15/10 R - BSGE 110, 93 = SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 13).
10B. Mit dem Tod des Lebenspartners entfiel weder die formelle Beschwer (Klagebefugnis, § 54 Abs 1 Satz 2 SGG) für die Anfechtungsklage noch das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung des Arbeitsunfalls (§ 55 Abs 1 Halbsatz 2 SGG). Denn der Kläger kann als Sonderrechtsnachfolger seines Lebenspartners geltend machen, der angefochtene Verwaltungsakt verletze ihn in eigenen Rechten (dazu - UV-Recht Aktuell 2010, 1356 = juris RdNr 12 und vom - B 13 RJ 19/01 R - BSGE 90, 127, 129 f = SozR 3-5795 § 10d Nr 1 S 3 f = juris RdNr 18 ff). Zudem kann er aus der begehrten Feststellung zumindest Ansprüche auf Geldleistungen herleiten (dazu - BSGE 131, 297 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 9 - "Siderofibrose", vom - B 2 U 15/15 R - NJW 2017, 2858 - "Barbesuch" und vom - B 2 U 21/08 R - SozR 4-2700 § 63 Nr 6 RdNr 14 ff). Denn anders als Ansprüche auf Dienst- oder Sachleistungen (dazu § 59 Satz 1 SGB I) erlöschen Ansprüche auf Geldleistungen nur, sofern sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt waren noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war (§ 59 Satz 2 SGB I). Zwar waren Ansprüche auf Geldleistungen (zB Verletztenrente, Übergangs-, Verletzten- und Pflegegeld) im Todeszeitpunkt nicht (positiv) festgestellt. Es waren aber Verwaltungsverfahren über diese Ansprüche anhängig. Denn in der gesetzlichen Unfallversicherung, in der Leistungen grundsätzlich von Amts wegen erbracht werden (§ 19 Satz 2 SGB IV), wird ein Verwaltungsverfahren bereits "anhängig", sobald dem Unfallversicherungsträger durch Versicherte und Hinterbliebene, Unternehmer (§ 193 SGB VII), Ärzte (§§ 202, 34 Abs 3 SGB VII iVm Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger) oder auf andere Weise potentiell leistungsrelevante Umstände bekannt werden ( - BSGE 131, 297 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 10 - "Siderofibrose", vom - B 2 U 5/19 R - BSGE 130, 226 = SozR 4-2700 § 202 Nr 1, RdNr 11 - "Mesotheliomregister" und vom - B 2 U 34/07 R - SGb 2010, 47 = juris RdNr 12). Das war hier der Fall. Die anhängigen Verwaltungsverfahren hat die Beklagte zu Lebzeiten des Lebenspartners nicht durch Erlass ablehnender Verwaltungsakte bestandskräftig (§ 77 SGG) beendet, auch wenn sie im Begründungsteil des Ablehnungsbescheids vom ausführt, "die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" sei "nicht möglich". Denn mit dieser pauschalen Leistungsablehnung sollten ersichtlich nur allgemein die Folgerungen beschrieben werden, die sich aus der bestandskräftigen Nichtanerkennung des Arbeitsunfalls ergeben (vgl - BSGE 131, 297 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4115 Nr 1, RdNr 11 ff - "Siderofibrose" mwN).
11C. Der Lebenspartner des Klägers hat einen Arbeitsunfall in Form eines Wegeunfalls erlitten, als er beim Überqueren der Straße von einem Pkw erfasst wurde. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; stRspr, BSG zB Urteile vom - B 2 U 20/18 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 74 RdNr 9 - "geteilte Schicht" und B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 20 - "Wohnung der Freundin", vom - B 2 U 2/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 46 RdNr 13, vom - B 2 U 15/15 R - NJW 2017, 2858 - "Barbesuch" und vom - B 2 U 19/14 R - BSGE 121, 297 = SozR 4-2700 § 2 Nr 36, RdNr 11, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Lebenspartner des Klägers hat am einen Unfall erlitten, als er von einem Pkw angefahren und verletzt wurde. Im Unfallzeitpunkt legte er den (Heim-)Weg vom Hauptbahnhof (als dem Ort der Tätigkeit) zu seiner Wohnung objektiv zurück (dazu I.). Seine Handlungstendenz war darauf auch subjektiv ausgerichtet (dazu II.). Diese Verrichtung auf dem direkten Heimweg ist der versicherten (Haupt-)Tätigkeit als beschäftigter Zugbegleiter (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) zuzurechnen (dazu III.).
12I. Als der Lebenspartner verunglückte, befand er sich objektiv auf dem (Rück-)Weg vom Ort der Tätigkeit zu seiner Wohnung. "Weg" ist die Strecke zwischen einem Start- und einem Zielpunkt. Bei allen (Rück-)Wegen setzt § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII nur den Ort der versicherten Tätigkeit als Startpunkt fest ("von"), lässt aber das Ziel offen. Daher ist in jedem Einzelfall festzustellen, welches individuelle Ziel der Versicherte ansteuerte, als er verunglückte. Zwischen dem gesetzlich festgelegten Startpunkt und dem ermittelten Zielpunkt ist nicht der Weg an sich, sondern dessen Zurücklegen versichert, also das "Sichfortbewegen" bzw "Unterwegssein" auf der Strecke zwischen beiden Punkten mit der Handlungstendenz, den - typischerweise im Privatbereich gelegenen - Zielort zu erreichen ( - NZS 2022, 778 = juris RdNr 17 - "Urlaubsrückkehr", vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 25 - "Wohnung der Freundin", vom - B 2 U 2/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 61 RdNr 15 - "Fenstersturz eines Fahrzeugaufbereiters" und grundlegend vom - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 13 f). Im Unfallzeitpunkt war Ziel des Weges die eigene Wohnung. Als er beim Überqueren der Straße von dem Pkw erfasst und verletzt wurde, befand er sich objektiv auf der direkten Route zu seiner Wohnung, die ihren Ausgangspunkt am Ort der versicherten Tätigkeit hatte.
13II. Im Unfallzeitpunkt wollte der Lebenspartner nach seiner subjektiven Vorstellung auch nach Hause gelangen. Die konkrete, objektiv beobachtbare Verrichtung des Sichfortbewegens auf dem Weg zum Zielort muss der Betroffene auch subjektiv zu diesem Zweck durchgeführt haben (vgl - NZS 2022, 778 = juris RdNr 18 - "Urlaubsrückkehr", vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 27 - "Wohnung der Freundin" und B 2 U 20/18 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 74 RdNr 16 - "geteilte Schicht", jeweils mwN). Dies bedeutet, dass das objektiv beobachtbare Handeln subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der versicherten Tätigkeit (iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII) gerichtet sein muss ( - NZS 2022, 778 = juris RdNr 18 - "Urlaubsrückkehr"). Die subjektive Handlungstendenz als von den Tatsachengerichten festzustellende innere Tatsache muss sich mithin im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung) widerspiegeln, so wie es objektiv beobachtbar ist ( - NZS 2022, 778 juris RdNr 18 - "Urlaubsrückkehr", vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 27 - "Wohnung der Freundin" und B 2 U 20/18 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 74 RdNr 16 - "geteilte Schicht", vom - B 2 U 2/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 61 RdNr 19 - "Fenstersturz eines Fahrzeugaufbereiters" - sowie vom - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14, jeweils mwN). Nach den Feststellungen des LSG wollte der Lebenspartner im Unfallzeitpunkt zu Fuß zur wohnortnäheren Straßenbahnhaltestelle W gelangen, um mit der Straßenbahn zur Zielhaltestelle in Wohnungsnähe zu fahren und von dort aus zu seiner Wohnung zu laufen, die nach seiner Vorstellung Endziel der Strecke sein sollte, die ihren Ausgangspunkt objektiv am Ort der Tätigkeit hatte.
14III. Das Überqueren der Straße auf dem direkten Heimweg ist der versicherten Haupttätigkeit des Lebenspartners als beschäftigtem Zugbegleiter (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII) zuzurechnen. Die Formulierung "des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges" in § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang zwischen der "eigentlich" versicherten Haupttätigkeit, die Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründet, und denjenigen Wegen, die der Haupttätigkeit vorausgehen oder sich ihr anschließen. Der Wegeunfallversicherungsschutz setzt mithin voraus, dass die versicherte Haupttätigkeit und das Zurücklegen des Weges miteinander verknüpft sind, was der Fall ist, solange und soweit der Weg mit der Aufnahme oder der Beendigung der Haupttätigkeit bei wertender Betrachtung verbunden ist. Im Unfallzeitpunkt befand sich der Lebenspartner nach den bindenden Feststellungen des LSG objektiv und subjektiv auf einer direkten Route vom Tätigkeitsort zu seiner Wohnung und bewegte sich damit unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung fort. Der Wegeunfallversicherungsschutz iS des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII war (spätestens) mit Verlassen des Hauptbahnhofs entstanden und nicht deshalb sofort wieder entfallen, weil er die längere Straßenbahnlinie wählte (dazu 1.) und dabei ursprünglich zwei Ziele (die Arztpraxis als Zwischenziel und die Wohnung als Endziel) ansteuerte (dazu 2.). Der Versicherungsschutz war mit dem Aussteigen aus der Straßenbahn und dem Aufsuchen der Arztpraxis lediglich unterbrochen (dazu 3.). Im Unfallzeitpunkt war diese Unterbrechung des versicherten Wegs aber beendet, sodass der Versicherungsschutz wieder aufgelebt war (dazu 4.).
151. Der Versicherungsschutz ist nicht deshalb entfallen, weil der Lebenspartner die längere Straßenbahnlinie wählte und damit nicht die kürzeste und schnellste Strecke für den Heimweg nutzte. Gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ist "das Zurücklegen des … unmittelbaren Weges" versichert. Das Kriterium der Unmittelbarkeit gewährt dem Versicherten bei der Routenwahl breite Spielräume, die individuellen Überlegungen, Vorlieben, Neigungen und Gewohnheiten Raum lässt ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 61 RdNr 23 - "Fenstersturz eines Fahrzeugaufbereiters" und grundlegend vom - 2/8 RU 10/76 - SozSich 1976, 210 = juris RdNr 17 f). Es kann somit mehrere versicherte Wege geben, sodass nicht nur der jeweils kürzeste, schnellste, ideale oder optimale Weg geschützt ist ( - NZS 2022, 778 = juris RdNr 17 - "Urlaubsrückkehr", vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 25 - "Wohnung der Freundin" und B 2 U 20/18 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 74 RdNr 14 - "geteilte Schicht"; zu den sog "Abwegen" vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 60). Ist die eingeschlagene Route länger als die kürzeste, schnellste oder direkte Strecke, so stellt dies den Versicherungsschutz nur in Frage, wenn für die Wahl andere Gründe wesentlich waren als die Absicht, den Zielort zu erreichen ( 2/8 RU 10/76 - SozSich 1976, 210 = juris RdNr 17). Maßstab ist die subjektive Sicht des Versicherten, die in den objektiven Gegebenheiten eine Stütze finden muss (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 62 RdNr 13 - "Metzgereibesuch", vom - B 2 U 40/02 R - USK 2003-103 = juris RdNr 13 und vom - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 9 S 33 f). Nach den bindenden Feststellungen des LSG nahm der Lebenspartner regelmäßig die zeitlich unbedeutend weitere Fahrt mit der längeren Linie in Kauf, um aus nachvollziehbaren Gründen Wartezeiten an der Haltestelle zu vermeiden. Dass er ohne den geplanten Arztbesuch am Unfalltag die kürzere Straßenbahnlinie gewählt hätte, konnte das LSG nicht feststellen.
162. Versicherungsschutz ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Lebenspartner bei der Wahl der längeren Linie beabsichtigte, zwischendurch die Hausarztpraxis zur Rezeptabholung aufzusuchen. Damit lag eine sog "gemischte Motivationslage" vor, dh eine objektiv beobachtbare Verrichtung (das Straßenbahnfahren) mit gespaltener subjektiver Handlungstendenz bzw mit zwei subjektiven Zielen: Die Straßenbahnfahrt sollte dazu dienen, die Arztpraxis (als Zwischenziel mit privater Handlungstendenz) und die eigene Wohnung (als Endziel mit versicherungsbezogener Handlungstendenz) zu erreichen. Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre (vgl - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 29 - "Wohnung der Freundin", vom - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 20 ff, vom - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 24 und vom - B 2 U 12/08 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 33 RdNr 16). Entscheidend ist, ob die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der versicherungsbezogenen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen (Spellbrink/Karmanski, SGb 2021, 461, 471). Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt ( - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 29 - "Wohnung der Freundin" und vom - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 20). Das ist zu bejahen. Nach den bindenden Feststellungen des LSG bestanden keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Lebenspartner des Klägers ohne den geplanten Arztbesuch den versicherten Heimweg nicht angetreten oder einen anderen finalen Zielort als die eigene Wohnung angesteuert hätte. Auch konnte das LSG nicht feststellen, dass er am Unfalltag - den Praxisbesuch hinweggedacht - die kürzere Straßenbahnlinie gewählt hätte. Vielmehr war die Fahrt mit der gewählten Straßenbahn vom Hauptbahnhof bis zur Zwischenhaltestelle C in der Nähe der Arztpraxis sowohl aus der subjektiven Sicht des Lebenspartners als auch objektiv erkennbar dem versicherten Heimweg wertend zuzuordnen.
173. Diesen versicherten Weg unterbrach der Lebenspartner eigennützig, als er an der Zwischenhaltestelle C aus der Straßenbahn ausstieg (grundlegend zum Beginn der Unterbrechung: - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 13), zu Fuß zur Arztpraxis lief und sich dort einige Minuten zur Rezeptabholung aufhielt. Weder aus dieser kurzen Aufenthaltsdauer noch aus der Art der Unterbrechung kann auf die endgültige Lösung des Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit geschlossen werden (dazu a). Stattdessen war der Unfallversicherungsschutz auf diesem Streckenabschnitt lediglich unterbrochen, weil der innere Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit nur vorübergehend gelöst war. Denn der Lebenspartner suchte das Zwischenziel "Arztpraxis" im eigenen Interesse und nicht im Unternehmerinteresse auf (dazu b), ohne sein Endziel (die eigene Wohnung) aufgegeben zu haben. Die Unterbrechung begann mit dem Aussteigen aus der Straßenbahn (dazu c) und war mehr als geringfügig (dazu d).
18a) Die Abholung des Rezepts in der Arztpraxis ließ den inneren bzw sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht endgültig entfallen. Insbesondere ist die Arztpraxis nicht als sog "dritter" Ort zu qualifizieren, an dem der versicherte Weg endet und der Wegeunfallversicherungsschutz erlischt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich der Lebenspartner dort mindestens zwei Stunden aufgehalten hätte (zu dieser Zwei-Stunden-Grenze vgl - NZS 2022, 778 = juris RdNr 16 - "Urlaubsrückkehr", vom - B 2 U 12/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 54 RdNr 26 f - "Gaststättenbesuch", vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 24 - "Wohnung der Freundin" und B 2 U 20/18 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 74 RdNr 13 - "geteilte Schicht", vom - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 24 - "Arztbesuch 2" sowie vom - B 2 U 40/97 R - BSGE 82, 138, 141 f = SozR 3-2200 § 550 Nr 18 S 73 f - "Arztbesuch 1"). Dies war nach den bindenden Feststellungen des LSG indes nicht der Fall, weil der Lebenspartner die Arztpraxis nach wenigen Minuten mit einem Rezept wieder verlassen hat. Auch die Art der Unterbrechung (Rezeptabholung) ließ den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bestehen, sodass der Versicherungsschutz mit dem Erreichen der Arztpraxis nicht endgültig beendet war.
19b) Nach dem Aussteigen aus der Straßenbahn blieb der Versicherungsschutz auf dem Fußweg zur Arztpraxis und dem dortigen Kurzaufenthalt auch nicht ausnahmsweise erhalten. Denn er besuchte die Arztpraxis weder im Interesse des Unternehmers (dazu aa) noch war die Unterbrechung geringfügig (dazu bb).
20aa) Der Lebenspartner des Klägers suchte die Arztpraxis nicht im fremdnützigen Interesse des Unternehmers, sondern allein aus eigennützigen Motiven auf. Mit der Rezeptabholung erfüllte er keine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag mit dem Unternehmer. Eine arbeitsrechtliche (Neben-)Pflicht, die eigene Arbeitsfähigkeit durch gesundheitsfördernde Maßnahmen aufrechtzuerhalten, besteht grundsätzlich nicht (vgl - BSGE 122, 1 = SozR 4-2700 § 2 Nr 35, RdNr 18 mwN - "Sturz beim Wasserholen" sowie B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 14 - "Arztbesuch 2"). Dass der Lebenspartner ausnahmsweise im Interesse des Unternehmers arbeitsvertraglich zu einer gesunden Lebensführung verpflichtet gewesen sein könnte (wie zB Berufssportler; vgl zur Gesunderhaltungspflicht von Beamten nur - BVerwGE 63, 327), hat das LSG nicht festgestellt. Wie zahlreiche sonstige Verrichtungen des täglichen Lebens, die gleichzeitig sowohl den eigennützigen Interessen des Versicherten als auch den fremdnützigen Belangen des Unternehmers dienen, sind gesundheitsfördernde Maßnahmen grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich und nicht der versicherten Tätigkeit wertend zuzurechnen. Sie stehen daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, solange das Gesetz dies nicht ausnahmsweise aus Gründen des sozialen Schutzes ausdrücklich anordnet ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 14 - "Arztbesuch 2" und vom - B 2 U 35/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 6 RdNr 18, jeweils mwN). Das LSG hat auch nicht festgestellt, dass der Lebenspartner mit dem Arztbesuch eine objektiv nicht geschuldete Handlung in der vertretbaren, aber irrigen Annahme vornahm, damit eine vermeintliche Pflicht aus seinem Arbeitsverhältnis zu erfüllen. Der Praxisbesuch war schließlich auch nicht unerwartet notwendig geworden, um den Heimweg fortzusetzen, sodass der Arztkontakt auch nicht unter diesem Aspekt der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (vgl dazu - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 16 - "Arztbesuch 2" und vom - B 2 U 35/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 6 RdNr 19).
21bb) Die Unterbrechung war auch nicht nur geringfügig. Um eine solche rechtlich nicht ins Gewicht fallende Unterbrechung handelt es sich, wenn der in Rede stehende Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist (Spellbrink/Karmanski, SGb 2021, 543, 544 f). Dies ist der Fall, wenn die Besorgung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf das Endziel darstellt und gleichsam "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann, wobei als Beurteilungsmaßstab die allgemeine Verkehrsauffassung zugrunde zu legen ist (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 69 RdNr 20 - "Briefeinwurf", vom - B 2 U 3/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 64 RdNr 16 - "Glatteisprüfer", vom - B 2 U 16/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 19 - "Arztbesuch 2" und vom - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15, jeweils mwN; kritisch zu dieser Rechtsfigur Bultmann, SGb 2020, 601; Köhler, SGb 2020, 382, 383 f). Das geplante Handeln des Lebenspartners konnte schon deshalb nicht "nur nebenbei" erledigt werden, weil dafür das Verlassen der Straßenbahn erforderlich war. Sein subjektiver Wunsch, die Arztpraxis zu erreichen, setzte eine neue objektiv beobachtbare Handlungssequenz in Gang, die sich auch äußerlich klar von der versicherten "Heimfahrt mit der Straßenbahn" abgrenzen lässt.
22c) Der Lebenspartner unterbrach den ursprünglich versicherten Weg und der Versicherungsschutz entfiel, als er an der Zwischenhaltestelle C aus der Straßenbahn ausstieg. Eine Unterbrechung liegt vor, wenn der Versicherte seine Handlungstendenz aus eigennützigen Gründen ändert und sich einer anderen, nicht nur geringfügigen Tätigkeit zuwendet, oder den eingeschlagenen Weg verlässt, um an anderer Stelle einer privaten Verrichtung nachzugehen und erst danach auf den ursprünglichen Weg zurückzukehren( - SozR 4-2700 § 8 Nr 64 RdNr 15 - "Glatteisprüfer", vom - B 2 U 11/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 62 RdNr 15 - "Metzgereibesuch" und - B 2 U 1/16 R - NJW 2018, 1203 = juris RdNr 15 - "Brötchenkauf"; Spellbrink/Karmanski, SGb 2021, 543, 544). Die Unterbrechung des versicherten Weges begann, als der Lebenspartner mit dem Verlassen der Straßenbahn nach außen hin erkennbar seine subjektive, auf den privaten Arztbesuch gerichtete Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln umsetzte (dazu - SozR 4-2700 § 8 Nr 69 RdNr 24 - "Briefeinwurf", vom - B 2 U 3/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 64 RdNr 24 - "Glatteisprüfer", vom - B 2 U 11/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 62 RdNr 19 - "Metzgereibesuch" und grundlegend vom - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 13; Köhler, SGb 2020, 383, 384). Denn das Verlassen der Straßenbahn, das Nahziel "Arztpraxis" und der dorthin führende Fußweg waren nicht durch versicherungsbezogene Erfordernisse bestimmt, sondern fanden ihren Grund allein in der privaten Motivation des Lebenspartners, bei seiner Ärztin ein Rezept abzuholen. Denkt man diesen eigennützigen Beweggrund hinweg, so spricht nichts dafür, dass er gleichwohl aus der Straßenbahn ausgestiegen wäre und den Fußweg - über die Arztpraxis - gewählt hätte anstatt in der Straßenbahn zu bleiben und mit ihr weiter bis zur Zielhaltestelle zu fahren. Folglich war die subjektive Handlungstendenz des Lebenspartners auf dem Teilstück von der Zwischenhaltestelle C bis zur Arztpraxis bei wertender Betrachtung im Wesentlichen darauf gerichtet, die Arztpraxis zu erreichen, und diese Intention setzte er mit dem Aussteigen aus der Straßenbahn nach außen hin erkennbar um. Damit war eine Unterbrechung eingetreten, auch wenn sich der Lebenspartner auf dem Weg zwischen der Ausstiegshaltestelle und der Arztpraxis aus objektiver Sicht weiterhin in Wohnungsrichtung fortbewegte.
234. Das Ende der Unterbrechung wird bei Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erst dadurch markiert, dass sie die Straßenbahnhaltestelle erreichen oder in die Straßenbahn einsteigen (spiegelbildlich zum Beginn der Unterbrechung). Wird der Weg von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, setzt der Versicherungsschutz wieder ein, sobald die eigenwirtschaftliche Tätigkeit erkennbar beendet ist, der öffentliche Verkehrsraum erreicht ( - UV-Recht Aktuell 2009, 200 = juris RdNr 22 und - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 RdNr 22) und der ursprüngliche Weg mit der subjektiven Handlungstendenz wieder aufgenommen wird ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 69 RdNr 27 - "Briefeinwurf", vom - B 2 U 3/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 64 RdNr 27 - "Glatteisprüfer" und vom - B 2 U 11/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 62 RdNr 20 - "Metzgereibesuch" und grundlegend - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 12, jeweils mwN), die eigene Wohnung zu erreichen (vgl - SozR 4-1500 § 55 Nr 27 RdNr 25). Der Zeitpunkt, an dem die Unterbrechung endet, kann bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ein anderer sein als bei (Selbst-)Fahrern im Individualverkehr oder bei der Fortbewegung zu Fuß.
24Im Hinblick auf Fahrten im Individualverkehr (Kfz, Fahrräder) liegt die das Ende der Unterbrechung und die Wiederbegründung des Versicherungsschutzes markierende Handlung darin, dass die unterbrochene Fahrt nach außen hin erkennbar fortgesetzt wird, wobei der Senat im Hinblick auf Pkws (jenseits der Vollautomatisierung) offengelassen hat, ob dies bereits im Einsteigen in das geparkte Fahrzeug, im Starten des Motors, im Losfahren oder erst im Einfädeln in den fließenden Verkehr zu sehen ist ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 62 RdNr 22 f - "Metzgereibesuch" und - B 2 U 1/16 R - NJW 2018, 1203 = juris RdNr 22 - "Brötchenkauf"). Bei Fußgängern kann - bei Vorliegen der entsprechenden objektivierten Handlungstendenz - bereits das Wiedererreichen des öffentlichen Verkehrsraums zum Wiederaufleben des Wegeunfallversicherungsschutzes führen.
25Anders als Fahrer im Individualverkehr müssen die Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel das jeweilige Fahrzeug (zB Bus, Straßenbahn) weder erreicht noch bestiegen haben, um den Versicherungsschutz wiederzuerlangen. Stattdessen genügt es, wenn sie - zB als Fußgänger - den Verkehrsraum erreichen, den auch das öffentliche Verkehrsmittel benutzt, also dieselbe Strecke in dieselbe Richtung wie das öffentliche Verkehrsmittel zurücklegen. Möchten Versicherte nach einer privaten Erledigung im weiteren Streckenverlauf an einer späteren Haltestelle wieder zusteigen, so beenden sie die unversicherte Unterbrechung bereits dann, wenn sie in Zielrichtung den Fußweg einschlagen, der parallel in unmittelbarer Nähe der Strecke bzw Trasse verläuft, die das öffentliche Verkehrsmittel nutzt.
26Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel werden damit gegenüber Fahrern im Individualverkehr nicht unzulässig bevorzugt. Beide Personengruppen sind nicht versichert, wenn sie sich von ihrem Zielort entfernen, weil sie nach der eigennützigen Verrichtung zu einer Haltestelle oder einem abgestellten Fahrzeug zurücklaufen (vgl hierzu - SozR 4-2700 § 8 Nr 64 RdNr 28 - "Glatteisprüfer"). Denn dann bewegen sie sich in entgegengesetzter Richtung von ihrem Zielort weg und befinden sich auf einem unversicherten Abweg ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 58 RdNr 19 - "Arztbesuch 2" mwN). Nichts anderes gilt, wenn der Versicherte für die private Verrichtung an einer wohnortnäheren Haltestelle ausgestiegen ist oder sein Fahrzeug an einer wohnortnäheren Stelle geparkt hat und danach einen Abweg in die entgegengesetzte Richtung (mit dem Kurs Zwischenziel) einschlägt. Auf dem Rückweg in die "richtige" Richtung (mit dem Kurs Wohnung als Endziel) dauert dieser unversicherte Abweg fort, bis die Straßenbahn oder das abgestellte Fahrzeug wieder erreicht ist und der unmittelbare Weg wieder aufgenommen wird.
27Anders als bei einem Abweg behielt der Lebenspartner die Route in Richtung auf sein Endziel bei und befand sich daher lediglich auf einem Umweg (vgl dazu - SozR 2200 § 550 Nr 57). Ein Umweg ist indes beendet, sobald sich der Versicherte wieder auf einer Wegstrecke befindet, die Bestandteil des unmittelbaren Weges in Richtung auf das Ziel ist, das ursprünglich Versicherungsschutz begründete ( - SozR 2200 § 550 Nr 57; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2022, § 8 RdNr 12.37; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K, Stand Mai 2022, § 8 RdNr 247; G. Wagner in jurisPK-SGB VII, 3. Aufl 2020, Stand , § 8 RdNr 231). Dann setzt nach Beendigung der Unterbrechung mit der Fortsetzung des Weges - trotz zeitlicher Verschiebung aus eigennützigen Gründen - Versicherungsschutz wieder ein ( 5a RKnU 1/86 - BSGE 62, 100, 101 = SozR 2200 § 550 Nr 75 S 192 und grundlegend vom - 2 RU 147/75 - SozR 2200 § 550 Nr 12; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2022, § 8 RdNr 12.37). Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat der Lebenspartner den Unfall erst auf einem Streckenabschnitt erlitten, den er auch (mit der Straßenbahn) durchfahren hätte, wenn er seine Wohnung ohne den Umweg direkt angesteuert hätte. Zwar wäre er in einem naturwissenschaftlich-kausalen Sinne ohne den Besuch der Arztpraxis niemals an die Stelle gelangt, an der sich der konkrete Unfall ereignet hat. Allerdings hat der Senat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass der Versicherungsschutz auch Abweichungen von der optimalen Streckenführung erfasst ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 20 mwN). Dem Versicherten steht es frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen, wenn die Fortbewegung nach seiner objektivierten Handlungstendenz dazu bestimmt ist, den Weg von oder zum Ort der Tätigkeit zurückzulegen ( - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 19).
28Die Unterschiede im Versicherungsschutz zwischen Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel, Fahrern im Individualverkehr und Fußgängern ergeben sich letztlich aus den Eigenheiten, die mit dem Einsatz der unterschiedlichen Fortbewegungsmittel verbunden sind. Sofern das Abstellen auf eine die Unterbrechung beendende Handlung eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Versicherten, die mit einem Fahrzeug oder den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, gegenüber solchen bedeuten könnte, die zu Fuß gehen, läge eine solche Ungleichbehandlung gerade darin begründet, dass bei Fußgängern - anders als bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs oder eines öffentlichen Verkehrsmittels, das eine bestimmte Trasse oder Route nutzt - in der Regel keine äußeren objektiv wahrnehmbaren Grenzen existieren (vgl - SozR 4-2700 § 8 Nr 69 RdNr 23 - "Briefeinwurf" sowie vom - B 2 U 1/16 R - NJW 2018, 1203 = juris RdNr 23 - "Brötchenkauf" und B 2 U 11/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 62 RdNr 25 - "Metzgereibesuch", jeweils mwN; Schur/Spellbrink, SGb 2014, 589, 591). Mithin beruht diese Unterscheidung auf unterschiedlichen tatsächlichen Gegebenheiten. Zudem ist stets auf die letzte konkrete Verrichtung vor dem Unfallereignis abzustellen, was aufgrund der typischerweise unterschiedlichen Zeitdauer der Unterbrechung des Weges von Fußgängern einerseits und Kraftfahrern sowie Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel andererseits ein hinreichender sachlicher Grund für etwaige Ungleichbehandlungen ist, der gleichsam "in der Natur der Sache" liegt (vgl hierzu auch - SozR 4-2700 § 8 Nr 69 RdNr 23 - "Briefeinwurf"; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand März 2022, § 8 RdNr 12.31).
29Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.Roos Hüttmann-Stoll Karmanski
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2022:280622UB2U1620R0
Fundstelle(n):
GAAAJ-27843