Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung bei der Erstattung von Finanzierungskosten in einem sogenannten "Dieselfall"
Leitsatz
Zur Anwendung der Grundsätze der Vorteilsausgleichung bei der Erstattung von Finanzierungskosten in einem sogenannten "Dieselfall" (Anschluss an , BGHZ 225, 316 Rn. 81 f.; Urteil vom - VI ZR 274/20, NJW 2021, 2362 Rn. 11 ff.; Urteil vom - VI ZR 480/19, VersR 2022, 115 Rn. 16 und Urteil vom - VI ZR 865/20, VersR 2021, 1451 Rn. 13).
Gesetze: § 31 BGB, § 249 BGB, § 826 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV
Instanzenzug: OLG Dresden Az: 18a U 1856/21vorgehend LG Dresden Az: 7 O 1970/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen in einem VW Sharan mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 in Anspruch.
2Zur Finanzierung des Fahrzeugkaufs im Jahr 2011 bei einem Händler nahm der Kläger bei der Volkswagen Bank GmbH ein Darlehen in Höhe von 26.980 € auf, das er bis Juni 2015 zurückführte. Dabei entstanden ihm Finanzierungskosten in Höhe von 3.348,80 € (2.404,50 € Zinsen und 944,30 € Bearbeitungsentgelt). Die unter anderem auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg gehabt. Soweit dem Kläger durch das Landgericht ein Anspruch auf Ersatz der Finanzierungskosten nebst Zinsen zugesprochen worden und ihre dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen worden ist, greift die Beklagte das Berufungsurteil mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision an.
Gründe
3Die zulässige und wirksam auf den Angriff gegen die Verurteilung zum Ersatz von Finanzierungskosten nebst Zinsen beschränkte Revision ist nur in geringem Umfang hinsichtlich der zugesprochenen Zinsen begründet.
I.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:
5Die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als wäre es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen, umfasse neben dem gezahlten Kaufpreis auch die mit dem Erwerb verbundenen Finanzierungskosten. Das Darlehen habe allein und konkret der Finanzierung des Fahrzeugerwerbs gedient. Die Finanzierungskosten seien als vergebliche Aufwendungen im Vertrauen auf den Bestand des Erwerbs erbracht worden und somit vom Schutzbereich des § 826 BGB umfasst. Darauf, ob der Kläger, wäre er nicht durch die Beklagte getäuscht worden, ein anderes Fahrzeug erworben und zu vergleichbaren Bedingungen finanziert hätte, komme es nicht an. Es handle sich auch nicht um Sowieso-Kosten, denn die Finanzierungskosten für das Fahrzeug wären nicht angefallen, wenn der Kläger nicht getäuscht worden wäre und das Fahrzeug deshalb nicht erworben hätte.
II.
6Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung im Wesentlichen stand.
71. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass mit dem Fahrzeugerwerb ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB entstanden ist (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 24 ff. mwN). Das zieht auch die Revision nicht in Zweifel.
82. Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als wäre es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen, neben dem Ersatz des gezahlten Kaufpreises auch den Ersatz der mit dem Erwerb verbundenen Finanzierungskosten umfasst (vgl. , NJW 2021, 2362 Rn. 14; Urteil vom - VI ZR 480/19, VersR 2022, 115 Rn. 16; Urteil vom - VI ZR 865/20, VersR 2021, 1451 Rn. 13). Die Finanzierungskosten sind durch die schädigende Handlung adäquat kausal verursacht worden, weil es ohne den Fahrzeugerwerb nicht zur Finanzierung des Kaufpreises für das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug gekommen wäre (vgl. aaO, Rn. 15).
93. Zu Recht hat das Berufungsgericht die vom Kläger geltend gemachten Finanzierungskosten auch nicht mit hypothetisch ersparten Finanzierungskosten für ein hypothetisch sonst angeschafftes Fahrzeug im Wege der Vorteilsausgleichung verrechnet (so aber OLG Schleswig, VRS 142, 1 (2022) Rn. 38 f.). Im Rahmen der Vorteilsausgleichung kommt es entgegen den Einwänden der Revision auf die aus dem erworbenen Fahrzeug (tatsächlich) gezogenen Vorteile an und nicht darauf, welche Nachteile der Kläger erlitten hätte, wenn er ein anderes Fahrzeug erworben und genutzt hätte. Soweit der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit anzurechnende Vorteile unter Zugrundelegung eines hypothetischen Kaufs desjenigen Fahrzeugs angerechnet hat, das der dortige Kläger aufgrund der arglistigen Täuschung zu erwerben geglaubt hatte (, NJW 1962, 1909, 1910), lassen sich die dort entwickelten Grundsätze auf den hier zur Entscheidung gestellten Fall schon deshalb nicht übertragen, weil der finanzierte Erwerb eines Fahrzeugs des hier in Rede stehenden Modells ohne unzulässige Abschalteinrichtung nicht möglich war. Die Schätzung der dem Kläger entstandenen Vorteile durch das Berufungsgericht beruht mithin rechtsfehlerfrei auf dem Kauf des tatsächlich erworbenen Fahrzeugs und stellt mithin unmittelbar auf das schädigende Ereignis ab (, BGHZ 225, 316 Rn. 81 f.).
104. Rechtsfehlerfrei hat sich das Berufungsgericht schließlich nicht weiter mit der Frage befasst, ob der Kläger das von seinem Darlehensgeber geforderte Bearbeitungsentgelt rechtsgrundlos erbracht hat. Ein Anspruch des Klägers gegen seinen Darlehensgeber auf Rückgewähr des Bearbeitungsentgelts nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB (vgl. , BGHZ 201, 168 Rn. 15 ff.) könnte zugunsten der Beklagten nur ein - hier nicht geltend gemachtes - Zurückbehaltungsrecht zur Leistung Zug um Zug gegen die Abtretung des Anspruchs nach §§ 255, 273, 274 BGB begründen; der Schadensersatzanspruch selbst würde dadurch weder ausgeschlossen noch reduziert (vgl. , BGHZ 120, 261 unter I 2 b; Urteil vom - IX ZR 223/07, NJW 2010, 1961 Rn. 35; Urteil vom - X ZR 105/13, NJW 2015, 853 Rn. 16).
115. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung lediglich insoweit nicht stand, als der die Klage hinsichtlich der Finanzierungskosten erweiternde Schriftsatz des Klägers vom der Beklagten, was der Senat der Akte entnehmen kann (vgl. , NJW-RR 2014, 903 Rn. 14), erst am zugestellt worden ist. Prozesszinsen kann der Kläger daher nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 187 Abs. 1 BGB nicht ab dem , sondern erst ab dem verlangen (vgl. , NJW-RR 1990, 518, 519; , BAGE 96, 228, 233). Mit dieser Maßgabe ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:071122UVIAZR409.22.0
Fundstelle(n):
WM 2022 S. 2401 Nr. 49
FAAAJ-27813