Grunderwerbsteuer | Bestimmung des herrschenden Unternehmens i. S. des § 6a GrEStG bei mehrstufigen Beteiligungen (BFH)
Welches Unternehmen "herrschendes
Unternehmen" und welche Gesellschaft "abhängige Gesellschaft" i. S. des
§ 6a GrEStG
ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer
nach
§ 6a Satz 1
GrEStG nicht erhoben werden soll. Unerheblich ist, ob bei
mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder
weiteren Unternehmen abhängig ist (;
veröffentlicht am ).
Hintergrund: Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 GrEStG in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i. S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG die Steuer nicht erhoben. § 6a Sätze 3, 4 GrEStG verlangen ein Abhängigkeitsverhältnis in Gestalt von bestimmten Beteiligungsverhältnissen zwischen den am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist).
Sachverhalt: Die Klägerin war bis zum zu 100 % an der grundbesitzenden D-GmbH beteiligt. Gesellschafterin der Klägerin war zu 100 % die E-GmbH, deren Anteile wiederum vollständig durch die F-AG gehalten wurden.
Aufgrund Vertrags vom wurde zum (Eintragung ins Handelsregister) die D-GmbH als übertragende Gesellschaft auf die Klägerin als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Im Zeitpunkt der Verschmelzung hatten die o.g. Beteiligungen ununterbrochen seit mehr als fünf Jahren bestanden. Alle Gesellschaften waren Organgesellschaften desselben umsatzsteuerlichen Organkreises mit der F-AG als Organträgerin. Vormals war die G-Stiftung umsatzsteuerliche Organträgerin gewesen, bis sie im Jahr 2008 25,01 % ihrer Beteiligung an der F-AG verkaufte. Das FA bejahte die Voraussetzungen des § 6a GrEStG und sah die F-AG als herrschendes Unternehmen an. Am veräußerte die F-AG 26,8 % ihrer Anteile an der E-GmbH. Daraufhin versagte das FA die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG. Die Voraussetzungen des § 6a Satz 1 GrEStG seien nach § 6a Satz 4 GrEStG mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen.
Das FG gab der auf Aufhebung des Feststellungsbescheids gerichteten Klage statt ( GE).
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:
Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG sind erfüllt.
Die Vor- und die Nachbehaltensfrist müssen nur insoweit eingehalten werden, als sie in dem betreffenden Umwandlungsvorgang auch eingehalten werden können. Umwandlungsvorgänge, bei denen eine beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht, fallen nach dem Wortlaut des § 6a Sätze 3, 4 GrEStG nicht in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG.
Die Nichterhebung der Steuer setzt nach § 6a Satz 3 GrEStG weiter voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften i. S. des § 6a Satz 4 GrEStG beteiligt sind.
Welches Unternehmen "herrschendes Unternehmen" und welche Gesellschaft "abhängige Gesellschaft" im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Soweit das Gesetz von einem herrschenden Unternehmen spricht, ist zunächst - soweit vorhanden - das am steuerbaren Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligte Unternehmen gemeint. Unerheblich ist daher, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist. Ebenso wenig ist maßgebend, ob bei abhängigen Gesellschaften weitere Gesellschaften vom herrschenden Unternehmen abhängen, wenn diese Unternehmen oder Gesellschaften selbst nicht am Umwandlungsvorgang beteiligt sind.
Nach diesen Grundsätzen hat das FG den angefochtenen Änderungsbescheid zu Recht aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung sind nicht nachträglich weggefallen.
An dem Umwandlungsvorgang waren - wie § 6a Satz 3 GrEStG es voraussetzt - die Klägerin als herrschendes Unternehmen und die D-GmbH als abhängige Gesellschaft beteiligt. § 6a Satz 4 GrEStG schließt die Steuerbegünstigung nicht aus. Die Klägerin war vor dem Umwandlungsvorgang mehr als fünf Jahre zu 100 % an der D-GmbH beteiligt. Unerheblich ist, dass die Klägerin nach dem Umwandlungsvorgang nicht weitere fünf Jahre an der D-GmbH beteiligt blieb. Das war umwandlungsbedingt nicht möglich, weil die D-GmbH aufgrund der Verschmelzung erloschen war. Die Veräußerung der Anteile der F-AG an der E-GmbH innerhalb von fünf Jahren führt nicht zu einer Nachversteuerung. Sowohl die F-AG als auch die E-GmbH waren an dem steuerbaren Umwandlungsvorgang, für den nach § 6a Satz 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben wurde, nicht i. S. von § 6a Satz 3 GrEStG beteiligt.
Anmerkung von Prof. Dr. Matthias Loose, Richter im II. Senat des BFH:
Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 GrEStG wird für einen steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i. S. des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 keine Grunderwerbsteuer erhoben, wenn an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein „herrschendes Unternehmen“ und eine oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen „abhängige Gesellschaften“ i. S. des § 6a Satz 4 GrEStG beteiligt sind. Voraussetzung dafür ist, dass eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung von mindestens 95 % fünf Jahre vor und fünf Jahre nach dem Umwandlungsvorgang bestand, bzw. weiter besteht.
Der BFH hatte bereits früher entschieden, dass die Vor- und Nachbehaltensfristen von jeweils fünf Jahren nur eingehalten werden müssen, wenn sie auch aus rechtlichen Gründen einhalten werden können. Bei einer Verschmelzung geht z. B. die verschmolzene Gesellschaft unter. An ihr kann nach dem Umwandlungsvorgang schon aus Rechtsgründen keine weitere Beteiligung mehr bestehen. Dies steht der Anwendung des § 6a GrEStG jedoch nicht entgegen.
Die nunmehr streitige Rechtsfrage, wer in einem mehrstufigen Konzern als „herrschendes Unternehmen“ und wer als „abhängige Gesellschaft“ anzusehen ist, war bislang noch offen. Nach Auffassung des BFH richtet sich die Beantwortung nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, der den steuerlichen Erwerbstatbestand erfüllt. Wird also z. B. in einem dreistufigen Konzern mit Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft die Enkelgesellschaft auf die Tochtergesellschaft verschmolzen, ist bei diesem (!) Umwandlungsvorgang die Tochtergesellschaft das „herrschende Unternehmen“ und die Enkelgesellschaft die „abhängige Gesellschaft“ anzusehen. Nur in diesem Verhältnis muss die Beteiligung von 95 % fünf Jahre vor dem Umwandlungsvorgang bestanden haben. Eine Nachfrist gibt es aufgrund der Verschmelzung nicht. Die Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft und die mittelbare Beteiligung der Muttergesellschaft an der Enkelgesellschaft ist für die Anwendung des § 6a GrEStG in diesem Fall unerheblich, denn die Muttergesellschaft ist an dem Umwandlungsvorgang nicht beteiligt.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
TAAAJ-27775