Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 14 U 45/21vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 9 O 1519/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Der Kläger erwarb im Jahr 2011 von einem Händler einen Neuwagen des Typs VW Passat Variant Highline Blue TDI 2,0l zum Preis von 43.066 € brutto. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die die Durchführung einer Emissionsmessung auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.
3Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 27.705,79 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Weiter hat er die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von insgesamt 26.973,67 € nebst Zinsen und weiterer Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zugunsten der Beklagten zugelassenen Revision will die Beklagte nach den zuletzt gestellten Anträgen die Aufhebung des Berufungsurteils erreichen, soweit sie zur Zahlung von mehr als 22.537,06 € nebst Zinsen verurteilt worden ist und - so ihrem Antrag durch Auslegung zu entnehmen - das Berufungsgericht den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt hat.
Gründe
4Die Revision ist, nachdem die Beklagte das Rechtsmittel durch eine Beschränkung ihres Revisionsangriffs nach Einreichung der Revisionsbegründung in der Sache teilweise zurückgenommen hat (vgl. VIa ZR 601/21, NJW 2022, 2752 Rn. 5 mwN), im Umfang des reduzierten Revisionsangriffs überwiegend begründet.
I.
5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt, der Kläger habe gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des von der Beklagten aus dem Fahrzeugverkauf Erlangten, der der Höhe nach durch den verjährten Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB begrenzt sei. Das seien hier 38.759,40 € (Bruttokaufpreis 43.066 € abzüglich einer Händlermarge in Höhe von 10%, somit 4.306,60 €). Dieser Betrag übersteige den verjährten Schadensersatzanspruch in Höhe von 26.973,67 € (Bruttokaufpreis 43.066 € abzüglich Nutzungsentschädigung in Höhe von 16.092,33 €). Deshalb sei der Anspruch in Höhe von 26.973,67 € nebst Zinsen gegeben. Auch sei der Annahmeverzug der Beklagten festzustellen, da der Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung einen lediglich geringfügig überhöhten Betrag verlangt habe.
II.
6Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Dabei ist die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte zu, aufgrund des zuletzt wirksam auf die Höhe des Anspruchs beschränkten Revisionsangriffs (vgl. , NJW 2022, 2685 Rn. 8) einer Überprüfung entzogen.
7Bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB hat das Berufungsgericht noch rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht mehr beanstandet angenommen, dass die Beklagte aus dem Fahrzeugkauf des Klägers den vom Händler an sie entrichteten Händlereinkaufspreis erlangt hat. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts betrug dieser unter Berücksichtigung einer unstreitigen Händlermarge in Höhe von 10% 38.759,40 €. Dass die Beklagte in den Vorinstanzen geltend gemacht habe, der vom Kläger entrichtete Kaufpreis habe an die Beklagte nicht weitergeleitete Zulassungskosten enthalten, die bei der Ermittlung des Händlereinkaufpreises abzuziehen seien, hat die Revision, die lediglich auf eine bei den Akten befindliche und vom Berufungsgericht nicht konkret in Bezug genommene Rechnung verweist, nicht fristgerecht mit einer auf einen revisionsrechtlich relevanten Verstoß gegen § 286 ZPO gestützten Verfahrensrüge geltend gemacht.
8Rechtsfehlerhaft hat es das Berufungsgericht jedoch - was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16) - unterlassen, vom festgestellten Händlereinkaufspreis die von ihm nach § 287 ZPO auf 16.092,33 € geschätzten Nutzungsvorteile abzuziehen, die es lediglich bei der von ihm angestellten Vergleichsbetrachtung berücksichtigt hat.
III.
9Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang, der im Wesentlichen dem verbliebenen Revisionsangriff entspricht, der Aufhebung (§ 562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden und die weitergehende Berufung des Klägers zurückweisen, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und danach die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Nach Abzug der vom Berufungsgericht unangegriffen bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit auf 15.350,21 € und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz auf 16.092,33 € geschätzten Nutzungsentschädigung verbleibt ein Restschadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von zuletzt noch 22.667,07 €, der nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen ist. Gegen die Zinsberechnung des Berufungsgerichts, die auf einem zwischen der Rechtshängigkeit der Klage und dem Schluss der mündlichen Verhandlung unveränderten Basiszinssatz beruht und einen Mittelwert zwischen dem bei Rechtshängigkeit und dem bei Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz geschuldeten Betrag zum Ausgangspunkt hat, erhebt die Revision keine Einwände. Die Feststellung des Annahmeverzugs hat auf die Revision der Beklagten keinen Bestand, weil das Angebot des Klägers auf Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz auf eine unberechtigte Bedingung, die Zahlung eines die Schadensersatzpflicht der Beklagten deutlich übersteigenden Betrags, gerichtet war (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 102).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:311022UVIAZR62.21.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-27407