BGH Beschluss v. - XI ZB 13/21

Prospekthaftung: Geltendmachung einer Beschwer in Verfahren gegen Musterentscheid; Haftung des Prospektveranlassers

Leitsatz

§ 20 Abs. 2 Satz 1 KapMuG verlangt als weitere ungeschriebene Voraussetzung, dass der Rechtsbeschwerdeführer im Zeitpunkt der Einlegung der Rechtsbeschwerde, spätestens aber mit Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist, beschwert ist.

Gesetze: § 20 Abs 1 S 1 KapMuG, § 20 Abs 1 S 2 KapMuG, § 20 Abs 2 S 1 KapMuG, § 44 Abs 1 S 1 Nr 2 BörsG vom , § 14 VerkaufsprospektG, § 32 Abs 2 S 1 VermAnlG

Instanzenzug: Az: XI ZB 13/21 Beschlussvorgehend Hanseatisches Az: 13 Kap 8/19vorgehend Az: 332 OH 1/19nachgehend Az: 1 BvR 2222/22 Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen

Gründe

A.

1Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) darüber, ob der bei der Emission des Fonds H.  V.         (im Folgenden: Fonds) am aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) fehlerhaft ist und ob die Musterbeklagten hierfür aufgrund sogenannter bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können. Gegenstand des Fonds ist die Beteiligung an der Schiffsgesellschaft MS "V.        "               (im Folgenden: Schiffsgesellschaft), die in den Neubau eines Massengutschiffs Bulker mit einer Tragfähigkeit von 176.800 tdw investieren sollte.

2Die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 1 ist nach Seite 5 des Prospekts Prospektverantwortliche und außerdem Gründungskommanditistin der Schiffsgesellschaft mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 24.000 €. Die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 2 ist ebenfalls Gründungskommanditistin der Schiffsgesellschaft mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 1.000 € und fungiert als Treuhandkommanditistin. Die Musterbeklagte zu 3 ist aufgrund eines Abspaltungs- und Übernahmevertrags vom von der Musterbeklagten zu 2 abgespalten worden; die Abspaltung ist mit der Eintragung auf dem Registerblatt des übertragenden Rechtsträgers am wirksam geworden. Die Musterbeklagte zu 4 ist Alleingesellschafterin der Musterbeklagten zu 1 und 2 und war außerdem Platzierungsgarantin.

3Seit dem Jahr 2016 haben zahlreiche Anleger Klagen gegen die Musterbeklagten erhoben. In diesen Klageverfahren verlangen sie von den Musterbeklagten Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Schiffsgesellschaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne.

4Das dem Oberlandesgericht Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt. Mit ihnen wird geltend gemacht, dass der Prospekt in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sei (Feststellungsziel 1), indem unter anderem die Darstellung des Marktes und des Marktumfeldes in wesentlichen Punkten unrichtig und irreführend sei, weil die Darstellung über das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage fehlerhaft dargestellt werde (Feststellungsziel 1 a bb) und die Kapazität der Flotte durch veraltete Informationen fehlerhaft dargestellt werde, zusätzliche Kapazitäten durch Tankerumbauten nicht berücksichtigt und signifikante Kapazitätsreduzierungen durch ein unrealistisches, marktuntypisches Verschrottungspotenzial dargestellt worden seien (Feststellungsziel 1 a cc), dass die Musterbeklagten für den Prospekt als Fondsinitiator gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 VermAnlG verantwortlich seien und kein Haftungsausschluss nach § 20 Abs. 3 und 4 VermAnlG vorliege (Feststellungsziel 2), dass die Musterbeklagten gegenüber den Anlegern als Haftungsschuldner aus Prospekthaftung im weiteren Sinne als Gesamtschuldner hafteten (Feststellungsziel 3), dass die Musterbeklagten schuldhaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gehandelt hätten (Feststellungsziel 4), dass die Kausalitätsvermutung bezüglich der Prospektfehler für die Anlageentscheidung nicht schon deshalb widerlegt sei, weil die Anleger an einer Sanierung durch weiteres Kapital teilgenommen hätten (Feststellungsziel 5), und dass die Anleger so zu stellen seien, wie sie stünden, wenn sie die Beteiligung nicht gezeichnet hätten (Feststellungsziel 6). Mit Beschluss vom hat das Oberlandesgericht im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit des Prospekts das Feststellungsziel 1 um drei Punkte erweitert.

5Mit Musterentscheid vom hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Darstellung des Marktumfeldes im Prospekt insoweit unvollständig sei, als die Angaben zu Nachfrage- und Angebotsentwicklung lückenhaft und zudem beziehungslos nebeneinandergestellt seien (Feststellungsziel 1 a bb und cc), dass die Musterbeklagten zu 2 und 3 aufgrund ihrer Stellung als Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaft passivlegitimiert im Sinne einer Prospekthaftung im weiteren Sinne seien (Feststellungsziel 3), dass die Musterbeklagten zu 2 und 3 als Gründungsgesellschafter bzw. Rechtsnachfolger einer Gründungsgesellschafterin grundsätzlich gegenüber den neu beitretenden (bzw. sich über die Treuhänderin beteiligenden) Anlegern aufklärungspflichtig gewesen und insoweit passivlegitimiert im Sinne einer Prospekthaftung im weiteren Sinne seien (Feststellungsziel 4) und dass aus Prospekthaftung im weiteren Sinne der Anleger grundsätzlich nur Ersatz des negativen Interesses fordern könne (Feststellungsziel 6). Im Übrigen hat es die Anträge zurückgewiesen.

6Dagegen haben die Musterbeklagten zu 1 bis 4 Rechtsbeschwerde mit dem Ziel eingelegt, die Zurückweisung auch der Feststellungsziele zu erreichen, denen das Oberlandesgericht entsprochen hat. Mit Beschluss vom hat der Senat die Musterbeklagte zu 2 zur Musterrechtsbeschwerdeführerin bestimmt.

B.

7Die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 2 und 3 haben Erfolg, während die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 1 und 4 unzulässig sind.

I.

8Das Oberlandesgericht hat zur Begründung des Musterentscheids - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

9Die Musterbeklagten zu 1 und 4 seien für eine Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht passiv legitimiert. Das folge aus der Entscheidung des ) zur Sperrwirkung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gemäß § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG. Die Musterbeklagte zu 1 werde im Prospekt als Prospektverantwortliche bezeichnet. Die Musterbeklagte zu 4 sei als Konzernmutter ein Unternehmen, von dem die wirtschaftliche Initiative für das Auflegen des Fonds ausgegangen sei und das hinter dem Prospekt stehe.

10Anders stelle sich die Sachlage hinsichtlich der Musterbeklagten zu 2 dar. Deren Eigenschaft als Gründungsgesellschafterin einer Fondsgesellschaft führe nicht ohne weiteres zur Anwendung der § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG und damit der Verdrängung der Prospekthaftung im weiteren Sinne. Vielmehr sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob ein als Musterbeklagter in Anspruch genommener Gründungsgesellschafter tatsächlich als "Prospektveranlasser" anzusehen sei. Dies sei hier nicht der Fall. Die Musterbeklagte zu 2 habe als Treuhandkommanditistin in erster Linie die Interessen der Treugeber wahrzunehmen und sei zudem nur mit einem geringen Anteil von 1.000 € an der Schiffsgesellschaft beteiligt. Auch aus dem wirtschaftlichen Interesse der Musterbeklagten zu 2 an der Durchführung des Fondsprojektes könne hier nicht auf ihre Prospektveranlassung geschlossen werden. Den wesentlichen Teil ihrer Vergütung habe sie als Fixum für die Erbringung von Treuhand- und Serviceleistungen und nicht etwa aus einer Gewinnbeteiligung oder Ähnlichem beziehen sollen.

11Die Musterbeklagte zu 3 teile "als Abspaltung der Musterbeklagten zu 2" die Rolle der Treuhänderin und habe gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der Treuhänderin einzustehen.

12Von den mit dem Feststellungsziel 1 behaupteten Prospektfehlern sei lediglich das Feststellungsziel 1 a bb und cc in zusammengefasster Form begründet. Die Darstellung des Marktumfeldes im Prospekt sei insoweit unvollständig, als die Angaben zur Nachfrage- und Angebotsentwicklung lückenhaft und zudem beziehungslos nebeneinandergestellt seien. Es wäre unabdingbar gewesen, im Prospekt ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass in den nächsten Jahren das Flottenwachstum um ein Mehrfaches über dem Wachstum der Nachfrage liegen würde. Die Entwicklung von Angebot und Nachfrage sei das zentrale Kriterium für die Prognose des Erfolgs einer Beteiligung, die ihren cash flow in allererster Linie aus den Chartereinnahmen erwirtschafte, die jedoch durch ein überproportionales Anwachsen der Angebotsseite nach jeder wirtschaftlichen Erfahrung erheblich unter Druck kommen würden.

13Das Feststellungsziel 2 sei nicht zu treffen, weil eine Haftung der Musterbeklagten aus § 20 Abs. 1 Satz 1 VermAnlG nicht in Betracht komme. Das Gesetz sei erst am in Kraft getreten.

14Im Hinblick auf die Ausführungen zur Prospektverantwortlichkeit sei das Feststellungsziel 3 nur hinsichtlich der Musterbeklagten zu 2, 3 und 5 zu treffen. Dies gelte auch für das - verstanden als Feststellung (nur) des Verschuldens und bezogen auf den festgestellten Prospektfehler - Feststellungsziel 4. Die Musterbeklagten zu 2, 3 und 5 könnten sich nicht auf die Prüfung des Prospekts durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft berufen, weil sie sich deren Verschulden nach § 278 BGB zurechnen lassen müssten.

15Das Feststellungsziel 5 sei nicht zu treffen, weil die Frage, wie ein Anleger die zahlreichen Anschreiben, die vor der Entscheidung zu einer Beteiligung am Sanierungsversuch versandt worden seien, verstanden habe, nur im jeweiligen Individualprozess geklärt werden könne.

16Das Feststellungsziel 6 sei zu treffen, allerdings nur in dem Sinne, dass aus Prospekthaftung im weiteren Sinne der Anleger grundsätzlich nur Ersatz des negativen Interesses fordern könne, ohne dass hiermit eine Aussage dazu verbunden wäre, welcher konkrete Schaden vorliegend welchem Anleger tatsächlich zu ersetzen wäre.

II.

17Diese Ausführungen halten, soweit sie mit den Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 2 und 3 angegriffen werden und keine gegenstandslos gewordenen Feststellungsziele betreffen, einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 1 und 4 sind dagegen unzulässig.

181. Die statthaften (§ 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 KapMuG) Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 2 und 3 sind zulässig. Die Rechtsbeschwerden sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und formulieren einen ordnungsgemäßen Rechtsbeschwerdeantrag (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

19Dagegen sind die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 1 und 4 mangels Beschwer unzulässig. Wie der Senat bereits zu § 15 Abs. 2 Satz 1 KapMuG in der bis zum geltenden Fassung entschieden und für den insoweit gleichlautenden § 20 Abs. 2 Satz 1 KapMuG gleichermaßen zu gelten hat, verlangt auch diese Vorschrift als weitere ungeschriebene Voraussetzung, dass der Rechtsbeschwerdeführer im Zeitpunkt der Einlegung der Rechtsbeschwerde, spätestens aber mit Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist, beschwert ist (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 12/12, WM 2012, 2092 Rn. 9; Reuschle in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 20 KapMuG Rn. 10 ff.; Vorwerk in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl., § 20 Rn. 3). § 20 Abs. 2 Satz 1 KapMuG schreibt die Feststellung der Beschwer zwar ebenso wenig wie die Vorgängernorm ausdrücklich vor. Der Wortlaut der Vorschrift ist aber an die gesetzliche Umschreibung der Zulässigkeitsprüfung angelehnt, wie sie bereits vom historischen Gesetzgeber der ZPO gebraucht worden ist (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 2. Aufl., Band 2, Materialien zur Zivilprozessordnung, Abteilung 2, S. 1686 und Abteilung 1, S. 357 f.) und heute in § 577 Abs. 1 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 1 und § 552 Abs. 1 Satz 1 ZPO verwendet wird. Danach setzt die ordnungsgemäße Einlegung eines jeden Rechtsmittels voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angegriffene Entscheidung nachteilig betroffen und somit im konkreten Fall beschwerdeberechtigt ist (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss aaO mwN). Das Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes vom (BGBl. I S. 2182) hat daran nichts geändert (vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 25).

20Vorliegend sind die Musterbeklagten zu 1 und 4 - was auch weder sie selbst noch der Musterkläger und die Beigetretenen in Abrede stellen - durch den angegriffenen Musterentscheid nicht beschwert. Die Feststellungsziele 3 und 4 wurden ausdrücklich nur in Bezug auf die Musterbeklagten zu 2 und 3 zugesprochen. Dies gilt auch für die zuerkannten Feststellungsziele 1 a bb und cc sowie 6, weil sich diese lediglich auf einzelne Tatbestands- oder Rechtsfolgenmerkmale der vom Musterkläger mit den Feststellungszielen 3 und 4 allein geltend gemachten Prospekthaftung im weiteren Sinne aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB beziehen. Hinsichtlich der Musterbeklagten zu 1 und 4 sind dagegen nach Nummer 5 des Tenors des Musterentscheids sämtliche Feststellungsziele zurückgewiesen worden, weil nach der (zutreffenden) Auffassung des Oberlandesgerichts die Prospekthaftung im weiteren Sinne durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF) verdrängt werde. Damit entfaltet der Musterentscheid für die Musterbeklagten zu 1 und 4 lediglich eine positive Bindungswirkung nach § 22 Abs. 1 KapMuG.

212. Die Rechtsbeschwerden der Musterbeklagten zu 2 und 3 sind begründet.

22Das Oberlandesgericht hat zu Unrecht eine Haftung der Musterbeklagten zu 2 aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB angenommen. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr sind das Feststellungsziel 3 wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung unbegründet und der Vorlagebeschluss hinsichtlich der Feststellungsziele 1 a bb und cc, 4 und 6 gegenstandslos. Gegenüber der Musterbeklagten zu 3 gilt nichts Anderes, weil diese aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom aus abgeleitetem Recht nur für die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten der Musterbeklagten zu 2 gesamtschuldnerisch haften würde.

23a) Durch das Feststellungsziel 3 sollte nur eine Haftung der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden. Denn das Feststellungsziel 3 hat ausdrücklich und ausschließlich eine Aufklärungspflicht der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" betreffend die in dem Feststellungsziel 1 genannten Prospektfehler zum Gegenstand. Dies ergibt sich auch aus dem Vorlagebeschluss, wonach mit den Feststellungszielen ausschließlich eine Haftung der Musterbeklagten für den fehlerhaften Inhalt des Prospekts nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne festgestellt werden soll. Dies stellen auch der Musterkläger als Musterrechtsbeschwerdegegner und die Beigetretenen nicht in Abrede.

24b) Die begehrte Feststellung ist nicht zu treffen, weil eine Haftung der Musterbeklagten zu 2 als Gründungsgesellschafterin der Schiffsgesellschaft zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der Senat bereits entschieden hat (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff. und vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 8 ff. in der Fassung des Beschlusses vom , juris) - vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt. Nichts Anderes gilt für die Musterbeklagte zu 3, die aufgrund des Spaltungs- und Übernahmevertrags vom lediglich aus abgeleitetem Recht für die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründeten Verbindlichkeiten der Musterbeklagten zu 2 gesamtschuldnerisch haftet.

25Auf den am aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF) i.V.m. § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF eröffnet.

26aa) Die Musterbeklagte zu 2 ist Prospektveranlasserin im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Eine Haftung der Musterbeklagten zu 2 aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB, die wie im Feststellungsziel 3 auf die Verwendung des Prospekts gestützt wird, ist daher aufgrund des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ausgeschlossen.

27Nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g VerkProspG aF die Verantwortung übernommen haben (wie hier die Musterbeklagte zu 1; Seite 5 des Prospekts), im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF). Damit sollen die Personen und Unternehmen getroffen werden, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind (Senatsbeschluss vom - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 24 mwN). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF ist von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes als Prospektveranlasser unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospekts gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (Senatsbeschluss aaO).

28Nach diesen Grundsätzen ist die Musterbeklagte zu 2 Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Sie ist - was bereits ausreicht (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 24 und vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom , juris) - Gründungsgesellschafterin der Schiffsgesellschaft mit einer Kommanditeinlage von 1.000 €.

29bb) Die Musterbeklagte zu 3 haftet (allein) aufgrund der Abspaltung von der Musterbeklagten zu 2 gemäß § 123 Abs. 2, § 133 Abs. 1 Satz 1 UmwG für deren vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründete Verbindlichkeiten als Gesamtschuldnerin.

30cc) Die Musterbeklagten zu 2 und 3 hafteten mithin als Prospektveranlasserin (Musterbeklagte zu 2) bzw. aus abgeleitetem Recht (Musterbeklagte zu 3) für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF. Neben dieser ist eine Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26 und vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 8 ff. in der Fassung des Beschlusses vom , juris).

31Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsbeschwerdeerwiderung zitierten Entscheidungen des II. und des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 35/18, BKR 2021, 774 Rn. 7 f. in Bezug auf das Urteil des III. Zivilsenats vom [III ZR 148/19, WM 2020, 1862] und das Urteil des II. Zivilsenats vom [II ZR 306/18, WM 2020, 169]; Senatsbeschluss vom - XI ZB 32/21, juris Rn. 23 ff. in Bezug auf die Urteile des II. Zivilsenats vom [II ZR 9/12, WM 2013, 1597], vom [II ZR 331/14, WM 2016, 1487], vom [II ZR 358/16, WM 2017, 1640], vom [II ZR 139/17, WM 2019, 495] und vom [II ZR 306/18, WM 2020, 169] sowie in Bezug auf die Urteile des III. Zivilsenats vom [III ZR 264/14, WM 2015, 2238], vom [III ZR 489/16, WM 2017, 708] und vom [III ZR 148/19, WM 2020, 1862]). Dem nicht veröffentlichten und gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO aF (nunmehr: § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO) nicht näher begründeten Beschluss des II. Zivilsenats in dem Verfahren II ZR 280/16 lässt sich nur entnehmen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die oberlandesgerichtliche Entscheidung zurückgewiesen worden ist, weil kein Revisionszulassungsgrund gegeben war oder ein solcher nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist. Aus ihm lässt sich dagegen nicht ableiten, dass der II. Zivilsenat die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts für zutreffend befunden hätte (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZB 32/21, aaO Rn. 27 ff.).

32c) Da der Antrag zu dem Feststellungsziel 3 in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der übrigen vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungsziele 1 a bb und cc sowie 4 und 6 gegenstandslos.

33Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 106, vom - XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 49, vom - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 61 und vom - XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 54).

34Das ist hier für das Feststellungsziel 1 a bb und cc, das einen Prospektfehler zum Gegenstand hat, der Fall. Der Vorlagebeschluss ist dahin auszulegen, dass die Prospektfehler - nachdem das Feststellungsziel 2 rechtskräftig zurückgewiesen worden ist - ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 54 und vom - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 28). Im Vorlagebeschluss ist ausgeführt, dass die Parteien sämtlicher Musterverfahrensanträge um Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne streiten würden. Da eine solche Haftung aus Rechtsgründen nicht gegeben ist, kommt es auf Feststellungen zu Prospektfehlern nicht mehr an. Nichts Anderes gilt für die Feststellungsziele 4 und 6, die sich auf das Vorliegen eines Verschuldens "nach den Grundsätzen der Prospekthaftung" und den daraus geltend zu machenden Vertrauensschaden beziehen.

35d) Soweit das Oberlandesgericht in den Gründen des Musterentscheids die nicht am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligte Musterbeklagte zu 5, bei der es sich um die Komplementärin der Fondsgesellschaft handelt und die im September 2018 im Handelsregister gemäß § 394 FamFG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht worden ist, einerseits als Prospektverantwortliche eingeordnet hat, andererseits aber auch ihr gegenüber die Feststellungsziele 3 und 4 als zu treffen angesehen hat, ist dies widersprüchlich. Insoweit ist in den Gründen aber ein Schreibversehen anzunehmen. Dies wird dadurch belegt, dass in Nummer 2 und 3 des Tenors der Urschrift des Musterentscheids (GA V 854) die dort zunächst noch genannte Musterbeklagte zu 5 handschriftlich gestrichen worden ist. Aufgrund dessen ist der Tenor des Musterentscheids, der die Feststellungsziele 3 und 4 nur gegenüber den Musterbeklagten zu 2 und 3 trifft, einer (erweiternden) Auslegung nicht zugänglich.

III.

36Die Rechtsbeschwerdeerwiderung rügt zu Unrecht die Zuständigkeit des Senats (vgl. dazu eingehend Senatsbeschluss vom - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 32 f. mwN in der Fassung des Beschlusses vom , juris).

IV.

37Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten und die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG und § 23b RVG.

381. Gemäß § 51a Abs. 2 GKG ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz bei der Bestimmung des Streitwerts von der Summe der in sämtlichen Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche auszugehen, soweit diese von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen sind. Infolgedessen sind bei der Streitwertbemessung auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen zu berücksichtigen, die zwar dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klage aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 2 KapMuG zurückgenommen haben (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 117 und vom - XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 74). Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend 1.752.033 €.

392. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. Für die Prozessbevollmächtigten, die mehrere Beteiligte im Rechtsbeschwerdeverfahren vertreten, ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 RVG in Höhe der Summe der nach § 23b RVG zu bestimmenden Streitwerte festzusetzen (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 118, vom - XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 75 und vom - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 81).

40Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Musterbeklagten zu 1, 3 und 4 auf 1.752.033 € festzusetzen. Für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten des Musterrechtsbeschwerdegegners und der Beigetretenen beläuft sich der Gegenstandswert auf 63.800 €.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:130922BXIZB13.21.0

Fundstelle(n):
AG 2023 S. 320 Nr. 9
NJW-RR 2023 S. 50 Nr. 1
NJW-RR 2023 S. 50 Nr. 1
WM 2023 S. 1370 Nr. 29
ZIP 2022 S. 2486 Nr. 49
IAAAJ-27222