Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 14 U 70/21vorgehend LG Osnabrück Az: 2 O 2663/20
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Der Kläger kaufte am vermittelt durch einen Händler von der Beklagten selbst einen Neuwagen des Typs VW Golf TEAM 2.0 TDI zum Preis von 27.400 € brutto. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die die Durchführung einer Emissionsmessung auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.
3Der Kläger hat in erster Instanz, nachdem er den Rechtsstreit teilweise einseitig für erledigt erklärt hat, zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 27.400 € nebst Zinsen seit dem abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 14.796,86 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Klageantrag zu 1), hilfsweise zur Zahlung von 6.850 € ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt, und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3) nebst Zinsen zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen (Klageantrag zu 2). Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers, der im Verlaufe des zweitinstanzlichen Verfahrens den Rechtsstreit einseitig weiter teilweise für erledigt erklärt hat, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 9.745,91 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt und in Höhe von 335,22 € die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte zuletzt noch die Zurückweisung der Berufung des Klägers, soweit sie zur Zahlung von mehr als 5.635,91 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt worden ist.
Gründe
4Die Revision ist, nachdem die Beklagte das Rechtsmittel durch eine Beschränkung ihres Revisionsangriffs nach Einreichung der Revisionsbegründung in der Sache teilweise zurückgenommen hat (vgl. VIa ZR 601/21, NJW 2022, 2752 Rn. 5), auch im Umfang des reduzierten Revisionsangriffs unbegründet.
I.
5Das Berufungsgericht hat zur Rechtfertigung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt, der Kläger habe gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, der der Höhe nach durch den verjährten Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB begrenzt sei. Da hier der von der Beklagten erlangte Betrag in Höhe von unstreitig 23.290 € (Bruttokaufpreis 27.400 € abzüglich einer von der Beklagten vereinnahmten "Händlermarge" in Höhe von 15%, somit 4.110 €) den verjährten Schadensersatzanspruch in Höhe von 9.745,91 € (Bruttokaufpreis 27.400 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 17.654,09 €) übersteige, sei der Anspruch in Höhe von 9.745,91 € nebst Rechtshängigkeitszinsen gegeben. Der Kläger habe - von der Beklagten nicht bestritten - vorgetragen, die Beklagte habe "infolge des streitgegenständlichen Kaufvertrages den Kaufpreis abzüglich einer 15-prozentigen Händlermarge erhalten, mithin 23.290,- EUR". Dass "es sich vorliegend um einen Direktkauf von der Beklagten" gehandelt habe, "bei de[m] eine Händlermarge nicht angefallen sein dürfte", sei "für die Entscheidung ohne Belang". Der Wert der "zwischenzeitlich gezogenen Nutzungen" übersteige "die unstreitige Händlermarge, die damit nicht zum Tragen" komme. Aufgrund der fortgesetzten Nutzung des Fahrzeugs habe sich der Rechtsstreit in Höhe von 335,22 € erledigt.
II.
6Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Zwar ist die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte zu, dem Grunde nach der revisionsrechtlichen Überprüfung entzogen, weil die Beklagte die Revision nachträglich wirksam auf die Höhe des Anspruchs beschränkt hat (vgl. , NJW 2022, 2685 Rn. 8). Rechtsfehlerhaft und von der Revision im Ausgangspunkt zutreffend bemängelt hat das Berufungsgericht jedoch bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs außer Acht gelassen, dass auch der Anspruch auf Restschadensersatz einer Vorteilsausgleichung im Sinne einer Verrechnung gezogener Nutzungsvorteile zu unterziehen ist ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16).
III.
7Gleichwohl unterliegt das Berufungsurteil nicht der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).
8Das Berufungsgericht hat den Senat bindend (§§ 559, 314 ZPO) als unstreitig festgestellt, der Kläger habe das Fahrzeug direkt bei der Beklagten gekauft. Die Beklagte hat aufgrund des vom Kläger ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrags einen Vermögensvorteil in Form eines Anspruchs gegen den Kläger auf Zahlung des Kaufpreises erlangt ( VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 82). Dieser Vermögensvorteil hat sich nach § 818 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB in dem Entgelt fortgesetzt, das die Beklagte vom Kläger zur Erfüllung ihres Kaufpreisanspruchs erhalten hat.
9Eine von der Beklagten aufgrund einer gesonderten vertraglichen Absprache in diesem Verhältnis an den Händler als Vertreter oder Vermittler gezahlte "Händlermarge" (richtig: Vertriebsprovision) war dagegen auf die Höhe des aus dem Kaufvertrag erlangten Anspruchs ohne Einfluss und von dem vom Kläger in Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung Geleisteten nicht in Abzug zu bringen. Da die Beklagte die Forderung aus Kaufvertrag gegen den Kläger erlangt hat, ist es für die Höhe des Anspruchs des Klägers aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte unerheblich, wenn der Händler den Kaufpreis für die Beklagte vereinnahmt, bei der Weitergabe des für die Beklagte eingezogenen Kaufpreises gegen eine Forderung der Beklagten auf Herausgabe des vom Händler Erlangten nach § 667 BGB mit einem eigenen Anspruch auf Gewähr einer Vertriebsprovision aus dem zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsverhältnis aufgerechnet und entsprechend nur einen um die Vertriebsprovision verringerten Betrag an die Beklagte weitergeleitet hat. Eine in der Aufrechnung liegende Verkürzung des Leistungswegs beträfe auch dann lediglich den Aufwand der Beklagten ( VIa ZR 122/22, zVb), der nur als Entreicherung berücksichtigt werden könnte, auf die sich die Beklagte nach § 818 Abs. 4, § 819 BGB nicht berufen kann ( VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 92 ff.).
10Dass der Kläger einen Abzug in Höhe von 15% des Bruttokaufpreises vorgetragen hat, ändert an dieser rechtlichen Bewertung nichts. Gegenstand und Höhe des von der Beklagten aus dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs Erlangten unterliegen einer rechtlichen Beurteilung. Das gilt auch für die Frage, wie eine dem Händler gewährte Vertriebsprovision zu behandeln ist. Damit entsprach bei richtiger rechtlicher Bewertung die Höhe des Anspruchs aus § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB der des nach seiner Verjährung nicht mehr durchsetzbaren Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB und wirkt sich der Rechtsfehler des Berufungsgerichts, das zur Anspruchshöhe die Bemessung nach §§ 826, 31 BGB zugrunde gelegt hat, auf das Ergebnis nicht aus.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:311022UVIAZR221.21.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-27136