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WP Praxis Nr. 12 vom Seite 392

Geldforderungen: Bewertung in der Handelsbilanz

Zugleich Anmerkung zu der Entscheidung des

RA/WP/FAStR Harald Schumm

Der entschieden, dass für die Beurteilung einer zutreffenden bilanziellen Bewertung einer möglicherweise risikobehafteten Forderung im Zivilprozess in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten ist, es sei denn, das Gericht verfügt ausnahmsweise selbst über die notwendige besondere Sachkunde und weist die Parteien zuvor hierauf hin. Hinsichtlich des grundsätzlich notwendigen Beweismittels bei Bewertungsfragen hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt. Ein Wirtschaftsprüfer kann sich gem. § 826 BGB schadenersatzpflichtig machen.

Kernaussagen
  • Risikobehaftete Forderungen sind nicht mit dem Nennwert in der Handelsbilanz zu bilanzieren, sondern mit einem gewissenhaft ermittelten und realisierbarem Schätzwert.

  • Bei einem Berufsträger kann ein sittenwidriges Handeln vorliegen, wenn er als Experte ein besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt und den an ihn gerichteten Maßstäben nicht im Mindesten genügt und damit Sorgfaltspflichten besonders grob verletzt.

  • Es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich ist, wenn der Prospekt Verwendung gefunden hat.

I. Der Sachverhalt

Im Zusammenhang mit dem Erwerb von Hypothekenanleihen der (inzwischen insolventen) Westfälische Grundbesitz und Finanzverwaltung AG („W-AG“) machen die Kläger unter dem Vorwurf, dass die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für den Jahresabschluss der W-AG für das Jahr 2008 zu Unrecht ein Testat erteilt hätte, Schadenersatzansprüche geltend.

Die 2003 gegründete W-AG war als Immobilienentwickler tätig und finanzierte insbesondere durch Hypothekenanleihen den An- und Verkauf sowie die Verwaltung von Grundstücken. Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testierte die Jahresabschlüsse der W-AG für die Geschäftsjahre 2007 bis 2012.

Die W-AG erwarb im Jahr 2008 sechs Immobilien zum Preis von insgesamt 43.597.000 €, die sie am durch drei Verträge an drei jeweils am Vortag gegründete und als GmbH & Co. KG strukturierte Fonds (im Folgenden: Fonds Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3) zu einem Kaufpreis i. H. von insgesamt 57.850.000 € verkaufte; Besitz, Nutzungen und Lasten sollten sofort übergehen. Die Kaufpreise waren (verzinslich) bis zum (Fonds Nr. 1), (Fonds Nr. 2) bzw. (Fonds Nr. 3) gestundet. An den Fonds, die ihre Geschäftsadresse mit der W-AG teilten, war jeweils der Vorstandsvorsitzende der W-AG beteiligt.

Die W-AG stellte die Kaufpreisforderungen mit ihrem (jeweiligen) Nennwert als offene Forderung in ihren Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2008 (Stichtag: 31. Dezember) ein, der damit einen Überschuss von 4.736.460,87 € aufwies. Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testierte am den Jahresabschluss, ohne Beanstandungen zu erheben.

In der Folgezeit gab die W-AG sechs Anleihen mit einem Volumen von insgesamt 300 Mio. € heraus, darunter die Anleihe W 05 über 100 Mio. € mit einem Zeichnungsstart am . Im Vertriebsprospekt ist die Beklagte als Abschlussprüfer unter Hinweis auf den von ihr erteilten uneingeschränkten Bestätigungsvermerk für die Abschlüsse 2007 und 2008 erwähnt; die Jahresabschlüsse samt Bestätigungsvermerk waren dem Prospekt als Anlagen beigefügt.

Der Kläger erwarb am , die Klägerin am die Anleihe W 05 zu einem Nennwert von jeweils 25.000 €, wofür sie 25.004,50 € bzw. 25.429,50 € aufwandten. Sie machen geltend, Rückflüsse i. H. von jeweils 4.793 € erhalten zu haben.S. 393

Am trat die W-AG von den Kaufverträgen mit den Fonds Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 zurück, nachdem diese den jeweiligen Kaufpreis nicht bezahlt hatten. Daraufhin erstellte die W-AG rückwirkend korrigierte Jahresabschlüsse für die Jahre 2008 und 2009, in denen die Forderungen gegen die drei Fonds nunmehr mit dem Anschaffungspreis der Immobilien, also mit 43.597.000 € statt mit 57.850.000 €, bewertet waren. Insbesondere dadurch ergab sich für das Jahr 2008 statt eines Überschusses ein Fehlbetrag i. H. von 6.625.177,45 € und für das Jahr 2009 statt eines Überschusses ein Fehlbetrag i. H. von 6.817.043,55 €. Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testierte diese Abschlüsse am .

Die Kläger machten geltend, die Kaufpreisforderungen hätten offensichtlich nicht mit dem Nennbetrag in den Jahresabschluss für das Jahr 2008 eingestellt werden dürfen, sondern mit dem Betrag der Anschaffungskosten für die Grundstücke bewertet werden müssen, so dass die Abschlüsse von vornherein einen Fehlbetrag hätten ausweisen müssen. Sie, die Kläger, hätten die Anleihen in Kenntnis der ursprünglichen – also nicht der aus deren Sicht zu ändernden – Jahresabschlüsse erworben. Sie trugen weiter vor, dass wenn ein Fehlbetrag ausgewiesen worden wäre, die W-AG überhaupt keine Anleihen mehr hätte platzieren können. Sie werfen der Beklagten vor, sie i. S. des § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt zu haben, und begehren – soweit im Revisionsverfahren noch gegenständlich – Erstattung ihrer Aufwendungen für den Erwerb der Anleihen abzüglich der Rückflüsse. Die Beklagte hält die ursprünglichen Jahresabschlüsse für zutreffend, jedenfalls sei ihr bezüglich der Testate keine Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Schadenersatzansprüche der Kläger seien außerdem verjährt.

Das Landgericht Düsseldorf hat die im Jahr 2017 erhobene Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht Düsseldorf der Klage überwiegend, nämlich hinsichtlich der Klägerin i. H. von 16.365,75 € und des Klägers i. H. von 15.940,75 €, stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

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