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BGH Urteil v. - VI ZR 467/20

Haftung eines Automobilherstellers in einem sog. Dieselfall: Annahmeverzug hinsichtlich der Rücknahme des Fahrzeugs

Leitsatz

Zur Haftung eines Automobilherstellers nach § 826 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall (hier: Annahmeverzug).

Gesetze: § 295 BGB, § 31 BGB, § 826 BGB, § 849 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 1 EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV

Instanzenzug: Az: 3 U 1903/19vorgehend LG Mainz Az: 6 O 388/18

Tatbestand

1Der Kläger erwarb am von einem Dritten einen Pkw der Marke Skoda, Typ Yeti, 2.0 TDI, 4x4 Adventure (Schadstoffklasse Euro 5) zum Preis von 23.928 €. Das Fahrzeug war mit einem von der Beklagten hergestellten Motor des Typs EA189 ausgestattet, dessen Steuerungssoftware auf dem Prüfstand vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen stickoxidoptimierten Modus wechselte, wodurch sich auf dem Prüfstand geringere Stickoxidemissionswerte als im normalen Fahrbetrieb ergaben. Nachdem die Beklagte die Verwendung der Software im September 2015 eingeräumt hatte, forderte der Kläger die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom erfolglos "zur Zahlung von Schadensersatz i.H. des Kaufpreises von 23.928,00 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 4 % aus § 849 BGB seit dem auf, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs, sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die durch unsere Mandantschaft gefahrenen km". Im selben Schreiben wurde die Beklagte um Kontaktaufnahme "zur Durchführung der Rücknahme und Vereinbarung der konkreten Zeit und des Ortes der Übergabe" gebeten und darauf hingewiesen, der Kläger sei "wie ausgeführt bereit, den Abzug einer Nutzungsentschädigung zu akzeptieren".

2Unter anderem mit der Behauptung, er hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn er vom Vorhandensein der Manipulationssoftware gewusst hätte, nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. In erster Instanz hat er dabei zum einen beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 23.928 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu verurteilen sowie die Pflicht der Beklagten festzustellen, ihm Schadensersatz für weitere Aufwendungen und Schäden zu zahlen, die ihm aufgrund des Erwerbs und Unterhalts des Fahrzeugs entstanden sind und weiter entstehen werden, Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs und Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung; zum anderen hat er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis in Höhe von 23.928 € vom bis und zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten sowie die Feststellung beantragt, dass die Beklagte sich seit dem in Annahmeverzug befindet.

3Das Landgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 17.513,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs, zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis i.H.v. 23.928 € vom bis zum und zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs seit dem in Annahmeverzug befinde.

4Auf die Berufung der Beklagten, deren Zurückweisung der Kläger beantragt hat, hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils, Zurückweisung der weitergehenden Berufung und Abweisung der Klage im Übrigen dazu verurteilt, an den Kläger 15.523,05 € nebst Zinsen in Höhe von 4.503,23 € für die Zeit vom bis zum , weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.230,84 € für die Zeit vom bis zum sowie aus 15.523,05 € seit dem Zug-um-Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs zu zahlen, und festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befinde.

5Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat sich die Beklagte zunächst gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Zinsen für die Zeit vom bis zum und die Feststellung des Annahmeverzugs gewandt. Nach Rücknahme der Klage in Bezug auf die Zinsen ist Gegenstand der Revision nur noch die Feststellung des Annahmeverzugs.

Gründe

I.

6Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt, die Beklagte befinde sich mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs seit dem in Annahmeverzug. Mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom "" habe der Kläger der Beklagten nämlich die Übergabe und Übereignung des Pkw zu den tatsächlich geschuldeten Bedingungen (gegen Kaufpreisrückzahlung abzüglich Nutzungsersatz) angeboten und sie um Mitteilung der zur Berechnung des Nutzungsersatzes erforderlichen Parameter aufgefordert.

II.

7Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts befindet sich die Beklagte nicht im Annahmeverzug.

81. Dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom "" (Schreibfehler, gemeint ) lässt sich ein nach § 295 BGB ausreichendes wörtliches Angebot schon deshalb nicht entnehmen, weil der Kläger hier die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs nicht nur von der Zahlung des um die Nutzungsentschädigung verminderten Kaufpreises, sondern auch von der Zahlung sogenannter Deliktszinsen gemäß § 849 BGB für die Zeit ab dem abhängig macht, auf die er keinen Anspruch hat (vgl. nur , NJW-RR 2021, 1534 Rn. 15; vom - VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 30).

92. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

10Die Forderung jedenfalls eines nicht nur unerheblich höheren als des geschuldeten Betrags schließt ein ordnungsgemäßes Angebot der Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung aus. Der für die Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Durch die Verteidigung einer erstinstanzlichen Zug-um-Zug-Verurteilung macht ein Kläger regelmäßig ein entsprechendes wörtliches Angebot (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 130/20, VersR 2021, 1178 Rn. 16 mwN).

11Im Streitfall hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 17.513,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen. Der Kläger hat beantragt, die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Damit hat er ein entsprechendes wörtliches Angebot gemacht. Demgegenüber beläuft sich ausweislich des insoweit rechtskräftigen Berufungsurteils der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nur auf 15.523,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.230,84 € für die Zeit vom bis und aus 15.523,05 € seit dem . Die sich daraus hinsichtlich der Hauptforderung ergebende Differenz von 1.990,67 € führt zur Forderung eines deutlich, nämlich um knapp 13 % höheren als des geschuldeten Betrags (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 130/20, VersR 2021, 1178 Rn. 17: knapp 10 %). Ob der Kläger sein Angebot - wie die Revision meint - darüber hinaus auch in diesem Zeitpunkt noch von der Zahlung von Deliktszinsen abhängig gemacht hat, kann angesichts dessen dahinstehen.

III.

12Da die Aufhebung des Urteils im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat in der Sache selbst zu entscheiden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:251022UVIZR467.20.0

Fundstelle(n):
BB 2022 S. 2836 Nr. 49
PAAAJ-26962