Rechtliches Gehör im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal: Nichtberücksichtigung des beweisbewehrten Vortrags des Klägers zu einer in dem Software-Update enthaltenen unzulässigen Abschalteinrichtung und einem verbleibenden merkantilen Minderwert
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 439 Abs 1 Alt 1 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007
Instanzenzug: Az: I-23 U 49/20vorgehend Az: 5 O 293/17
Gründe
I.
1Die Klägerin erwarb am bei der Beklagten ein Gebrauchtfahrzeug VW Tiguan Sport & Style 2.0 TDI zum Preis von 29.300 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 (Abgasnorm Euro 5) ausgestattet. Dieser wies eine besondere Vorrichtung zur Steuerung der Abgasrückführung auf, die erkannte, wenn das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand hinsichtlich der dabei entstehenden Schadstoffemissionen getestet wurde. In diesem Fall schaltete das System in einen "Modus 1", der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit verbunden einen geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkte. Im normalen Straßenverkehr hingegen wurde das Fahrzeug im "Modus 0" betrieben, in dem die Abgasrückführung geringer und der Stickoxidausstoß höher ausfiel.
2Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die Software als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet hatte, entwickelte die Volkswagen AG für den Motor ein Software-Update, welches hinsichtlich des Stickoxidausstoßes einen vorschriftsgemäßen Zustand herstellen sollte. Das vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebene Update ließ die Klägerin am aufspielen.
3Mit Anwaltsschreiben vom erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und setzte dieser eine Frist für die Rückabwicklung.
4Die auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.028,84 €, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des erworbenen Fahrzeugs, auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem Landgericht überwiegend Erfolg gehabt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 24.965,62 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs, sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug mit der Rücknahme des Fahrzeugs befinde.
5Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
II.
6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
7Zwar habe das Fahrzeug bei Gefahrübergang aufgrund der in die Motorsteuerung eingebauten Abschalteinrichtung einen Sachmangel aufgewiesen. Dem Verlangen der Klägerin nach Rückabwicklung des Kaufvertrags stehe jedoch entgegen, dass dieser Mangel durch das Aufspielen des Software-Updates im September 2016 bereits vor der Erklärung des Rücktritts im Mai 2017 behoben worden sei. Da das Kraftfahrt-Bundesamt als maßgebliche Zulassungsbehörde davon ausgehe, dass mit der Durchführung des seinerseits freigegebenen Software-Updates die unzulässige Abschalteinrichtung beseitigt werde, bestehe eine Stilllegungsgefahr nicht mehr.
8Auch das Vorbringen der Klägerin zu einem Minderwert des Fahrzeugs rechtfertige nicht die Annahme eines (weiterhin vorliegenden) Sachmangels. Diesbezüglich hätte es konkreter Anhaltspunkte bedurft, welche darauf hindeuteten, dass gerade Dieselfahrzeuge, bei denen eine unzulässige Abschalteinrichtung durch ein Software-Update entfernt worden sei, aus diesem Grund einen geringeren Wiederverkaufswert hätten. Zumindest wäre nachvollziehbar darzulegen gewesen, dass sich der Preis des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ungünstiger entwickelt habe als der Gesamtmarkt für Diesel-PKW oder der Markt für andere als mit dem EA 189 Motor ausgerüstete Diesel-PKW aus demVW-Konzern. Der bloße Hinweis, es liege auf der Hand, dass sich der Vertrauensverlust negativ auf die Preisentwicklung von VW-Dieselfahrzeugen auswirke, genüge nicht.
9Ohne Erfolg berufe die Klägerin sich darauf, auch mit dem Update halte das Fahrzeug die NOx-Grenzwerte der Abgasnorm Euro 5 im Realbetrieb nicht ein. Der von der Klägerin in Bezug genommene Bericht des Kraftfahrt-Bundesamts vom bescheinige dem in Rede stehenden Update eine erhebliche Reduzierung von Stickoxidemissionen. Zudem gälten die betreffenden Grenzwerte "bis Euro 6" ausschließlich für den Typengenehmigungszyklus (NEFZ) auf dem Rollenprüfstand unter Laborbedingungen, weshalb es auf die von der Klägerin unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung zur Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb nicht ankomme. Soweit die Klägerin darüber hinaus unter Beweisantritt behaupte, das Fahrzeug erfülle unter "jeglichen Betriebsbedingungen - auch auf dem Prüfstand" die NOx-Grenzwerte der Abgasnorm Euro 5 nicht, fehle es ebenfalls an dem erforderlichen Bezug zu dem maßgeblichen Prüfverfahren (Rollenprüfstand unter Laborbedingungen).
10Schließlich vermöge die allgemeine Bezugnahme auf eine Dissertation aus dem Jahr 2006 zu dem Thema "Modellierung der Ruß- und NOx-Emissionen des Dieselmotors" nicht den Vortrag zu ersetzen, weshalb die Nacherfüllung aus "technischer und chemischer Sicht" nicht möglich und daher untauglich sein solle. Es erschließe sich schon nicht, inwieweit zwischen den Ergebnissen aus dem Jahr 2006 und dem erst im Jahr 2015 entwickelten Update ein Zusammenhang bestehe. Zudem stehe die Behauptung im Widerspruch zu der Auffassung der Zulassungsbehörde, die das Update anerkannt habe.
III.
11Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Sie hat auch in der Sache Erfolg (§ 544 Abs. 9 ZPO), weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das angefochtene Urteil verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn das Berufungsgericht hat deren für die Beurteilung des Streitfalls bedeutsames beweisbewehrtes Vorbringen zu einer in dem aufgespielten Software-Update in Form eines sogenannten Thermofensters enthaltenen (unzulässigen) Abschalteinrichtung sowie zu verschiedenen durch das Update hervorgerufenen Folgeschäden nicht beachtet. Ferner hat das Berufungsgericht den Vortrag zu einem dem Fahrzeug - auch nach der Installation des Updates - anhaftenden merkantilen Minderwert zu Unrecht als nicht hinreichend substantiiert angesehen. In der Folge hat es versäumt, den von der Klägerin hierfür angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.
121. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 86, 133, 145; 96, 205, 216; BVerfG, NVwZ 2016, 1475 Rn. 14; NVwZ-RR 2021,131 Rn. 26; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 64/19, NJW-RR 2020, 1019 Rn. 13; vom - VIII ZR 18/20, juris Rn. 11; vom - VIII ZR 91/20, NJW-RR 2022, 86 Rn. 14). Als grundrechtsgleiches Recht soll es sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (st. Rspr.; vgl. hierzu etwa BVerfGE 50, 32, 35 f.; 65, 305, 307; 69, 141, 143 f.; , juris Rn. 45; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 300/15, NJW-RR 2017, 75 Rn. 10; vom - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 4; vom - VIII ZR 64/19, aaO; vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 11; jeweils mwN).
13Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des betreffenden Sachvortrags sowie eines damit zusammenhängenden Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat. Eine solche nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Tatrichters dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. , NJW 2009, 2598 Rn. 2; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 34/14, NJW-RR 2015, 910 Rn. 13; vom - VIII ZR 1/16, NJW 2017, 1877 Rn. 10; vom - VIII ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 16; vom - VIII ZR 226/19, aaO Rn. 12).
142. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist dem Berufungsgericht eine Gehörsverletzung nach Art. 103 Abs. 1 GG anzulasten. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht den beweisbewehrten Vortrag der Klägerin zu einer in dem Software-Update enthaltenen unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines sogenannten Thermofensters und zu durch das Software-Update hervorgerufenen Folgeschäden gänzlich unberücksichtigt gelassen. Zudem hätte das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu einem auch nach dem Aufspielen des Software-Updates verbleibenden merkantilen Minderwert infolge der Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten Abgasskandal nicht als unzureichend abtun dürfen, sondern vielmehr den diesbezüglich angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen.
15a) Den Vortrag der Klägerin zu einer in dem Software-Update (wiederum) enthaltenen unzulässigen Abschalteinrichtung und zu (weiteren) durch das Software-Update hervorgerufenen Folgeschäden hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt und durch das Übergehen dieses zentralen Vorbringens das rechtliche Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 544 Abs. 9 ZPO).
16aa) Die Klägerin hat - worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend verweist - wiederholt und unter Beweisantritt vorgetragen, zum einen enthalte das zur Beseitigung des Sachmangels der unzulässigen Abschalteinrichtung (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 24 ff. mwN) aufgespielte Software-Update wiederum eine unzulässige Abschaltvorrichtung, nunmehr in Form eines sogenannten Thermofensters, und zum anderen führe die Installation des Software-Updates zu einer Erhöhung der Emissionswerte, des Kraftstoffverbrauchs und des Dieselpartikelausstoßes sowie zu einer Verschlechterung der Motorleistung und zu verstärkten Verschleißerscheinungen; überdies springe auch nach dem Update ab einer Geschwindigkeit von 121 km/h der "Dreckmodus" wieder an. Bei diesen Behauptungen handelt es sich jeweils um ein für ihr Klagebegehren zentrales Vorbringen, da die Klägerin hiermit die - für einen Erfolg ihrer Klage notwendige - Entbehrlichkeit einer Fristsetzung vor dem von ihr erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag begründet hat.
17bb) Mit diesem (zentralen) Vorbringen hat sich das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil nicht befasst, weshalb das Schweigen des Berufungsgerichts hierzu (nur) den Schluss zulässt, dass dieser Vortrag entgegen dem Gebot aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde (vgl. hierzu BVerfG, NJW-RR 2018, 694 Rn. 18 mwN).
18Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin zu infolge des Software-Updates eingetretenen neuen Mängeln nicht etwa (zu Recht) als unzureichend gewürdigt, indem es die "allgemeine Bezugnahme" auf eine Dissertation aus dem Jahr 2006 als nicht geeignet angesehen hat, um Vortrag zu einer - "aus technischer und chemischer Sicht" bestehenden - Unmöglichkeit der Nacherfüllung zu ersetzen. Die von der Beschwerdeerwiderung insoweit in Bezug genommenen Ausführungen des Berufungsgerichts beziehen sich ihrem Kontext nach eindeutig (allein) auf die - vom Berufungsgericht zuvor erörterte - Behauptung der Klägerin, das Update behebe "die bestehenden Mängel" - mithin den ursprünglich wegen der Überschreitung der gesetzlich vorgegebenen NOx-Grenzwerte vorhandenen Mangel - nicht. Eine Auseinandersetzung mit der Behauptung der Klägerin über das Auftreten neuer Mängel (Thermofenster und sonstige Mängel) infolge des Updates lässt die angefochtene Entscheidung hingegen gänzlich vermissen.
19cc) Das genannte Vorbringen der Klägerin war auch aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts entscheidungserheblich.
20(1) Zwar hat das Berufungsgericht den Rücktritt der Klägerin nicht wegen des Fehlens einer Fristsetzung zur Nacherfüllung, sondern bereits deswegen als unberechtigt angesehen, weil nach seiner Auffassung zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin den Rücktritt erklärt hat, der - vom Berufungsgericht bejahte - ursprünglich vorhandene Sachmangel infolge des bereits zuvor aufgespielten Software-Updates nicht mehr vorgelegen habe. Dieser Annahme stünde das genannte (jeweils unter Beweis gestellte) Vorbringen der Klägerin - sollte es zutreffen - aber ersichtlich ebenfalls entgegen.
21Denn eine Nachbesserung im Sinne von § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB - vorliegend gegebenenfalls in Form des vor der Rücktrittserklärung der Klägerin erfolgten Aufspielens des Software-Updates - setzt eine vollständige, nachhaltige und fachgerechte Behebung des vorhandenen Mangels voraus und läge nicht vor, wenn zwar der ursprüngliche Mangel beseitigt worden wäre, hierdurch aber - wie die Klägerin behauptet - verschiedene Folgemängel, zu denen auch das (erneute) Vorhandensein einer (anderen) unzulässigen Abschalteinrichtung zählte (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 71, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), hervorgerufen worden wären (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 111/20, WM 2021, 2156 Rn. 47, zur Veröffentlichung in BGHZ 231, 149 bestimmt).
22(2) Anders als die Beschwerdeerwiderung annimmt, ist auch bezüglich der behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung in Form des sogenannten Thermofensters - dessen Vorhandensein als solches die Beklagtenseite nicht in Abrede stellt - nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht unter Zugrundelegung des betreffenden Vorbringens der Klägerin zu einem abweichenden Ergebnis gelangt wäre.
23Entgegen der nicht näher belegten Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich zwar weder - worauf die Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - bereits aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-693/18, NJW 2021, 1216) noch aus der im Anschluss an dieses Urteil ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Thermofenster (wiederum) um eine nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG unzulässige Abschalteinrichtung handelt.
24Die Frage der Zulässigkeit einer solchen Abschalteinrichtung ist jedoch auch nicht etwa deshalb - worauf sich die Beschwerdeerwiderung in diesem Zusammenhang einzig beruft - von vorneherein einer "zivilgerichtlichen Kontrolle (…) entzogen", weil das Kraftfahrt-Bundesamt in seiner Freigabebestätigung erklärte, die nach dem Software-Update vorhandenen Abschalteinrichtungen seien zulässig. Diesem Freigabebescheid kommt eine (für das hiesige Verfahren bindende) Tatbestandswirkung nicht zu. Denn bei den Ausführungen des Kraftfahrt-Bundesamts, wonach vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig seien, handelt es sich um Begründungselemente, die von dem Regelungsinhalt und damit der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts selbst nicht erfasst werden (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil vom - VIII ZR 190/19, WM 2022, 330 Rn. 80 ff. mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Sollte das Software-Update - dessen genaue Funktionsweise gegebenenfalls durch Sachverständigengutachten zu klären ist - (wiederum) eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG darstellen, die nach Maßgabe der Bestimmung des Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG unzulässig ist, wäre die vom Berufungsgericht hier angenommene Nachbesserung bereits aus diesem Grund unzureichend (vgl. , aaO Rn. 70 f., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vom - VIII ZR 140/20, juris Rn. 36).
25(3) Schließlich steht es einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht - anders als die Beschwerdeerwiderung meint - nicht entgegen, dass die Klägerin für das Vorhandensein eines Sachmangels zum Zeitpunkt des Zugangs der Rücktrittserklärung beweisbelastet ist (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 187/20, NJW 2022, 686 Rn. 78 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Denn die Klägerin hat das genannte Vorbringen - wie bereits erwähnt - jeweils unter (Sachverständigen-)Beweis gestellt.
26b) Hinsichtlich des klägerischen Vortrags zu einem merkantilen Minderwert infolge der Betroffenheit des Fahrzeugs vom sogenannten Abgasskandal hat das Berufungsgericht die Substantiierungsanforderungen überspannt und dadurch ebenfalls das rechtliche Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 544 Abs. 9 ZPO).
27aa) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. , BGHZ 224, 302 Rn. 55; vom - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 20; Beschlüsse vom - VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 7; vom - VIII ZR 134/20, NJW-RR 2021, 1093 Rn. 33). Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat (BGH, Beschlüsse vom - IV ZR 52/14, NJW-RR 2017, 22 Rn. 27; vom - VIII ZR 57/19, aaO; vom - VIII ZR 134/20, aaO). Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 57/19, aaO; vom - VIII ZR 134/20, aaO).
28Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (st. Rspr.; vgl. , aaO; vom - VIII ZR 80/18, aaO; vom - VI ZR 128/20, aaO; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 57/19, aaO; vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 15).
29bb) Gemessen hieran hat die Klägerin - wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht geltend macht - ausreichend substantiiert dargelegt, dass nach ihrer Auffassung unabhängig von der Durchführung des Updates ein merkantiler Minderwert des Fahrzeugs verbleibe, weshalb sie berechtigterweise - ohne die für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche, ihrer Meinung nach hier aber entbehrliche vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung (§ 326 Abs. 5, § 323 Abs. 2 Nr. 3, § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB) - von dem Kaufvertrag zurückgetreten sei. Bei seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht die Anforderungen an einen substantiierten und schlüssigen Sachvortrag überspannt.
30(1) Die Klägerin hat vorgetragen - und dies auch unter Sachverständigenbeweis gestellt -, dass sich die potentiellen negativen Auswirkungen des Updates sowie die umfassende Berichterstattung zum Abgas-Skandal nachteilig auf den zu erzielenden Wiederverkaufswert eines von diesem Skandal betroffenen Fahrzeugs auswirkten. Von einem dem Fahrzeug auch nach Durchführung des Updates anhaftenden merkantilen Minderwert sei nicht zuletzt deshalb auszugehen, weil das Vertrauen in die Volkswagen AG nach Bekanntwerden des Skandals gesunken und die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen dieser Herstellerin dementsprechend zurückgegangen sei, während auf der Verkaufsseite - weil viele Eigentümer eines solchen Fahrzeugs dieses "abstoßen" wollten - ein Überangebot herrsche. Das aus einem Überangebot einerseits und einer zurückgehenden Nachfrage andererseits resultierende "Preisdumping" sei bekannt.
31(2) Dieses Vorbringen erweist sich (jedenfalls derzeit) als ausreichend substantiiert, um einen allein aufgrund des Makels "vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeug" bestehenden merkantilen Minderwert darzulegen.
32(a) Das Verbleiben eines merkantilen Minderwerts trotz vollständiger Behebung eines ursprünglichen Mangels wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in bestimmten Fällen angenommen. Insbesondere bei Unfallfahrzeugen ist anerkannt, dass selbst nach vollständiger und fachgerechter Beseitigung des Unfallschadens wegen eines merkantilen Minderwerts noch ein Mangel verbleiben kann, weil der Charakter eines Fahrzeugs als Unfallfahrzeug sich nicht durch Nachbesserung beseitigen lässt (vgl. , BGHZ 168, 64 Rn. 17; vom - VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20, 23; vom - VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 18, 21; vom - VIII ZR 191/07, BGHZ 181, 170 Rn. 16; zu Gebäuden siehe etwa , juris Rn. 12 f.; vom - VII ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 19; jeweils mwN). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass trotz vollständiger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen eines nicht auszuschließenden Verdachts verborgen gebliebener Schäden und des Risikos höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines derart beschädigten Kraftfahrzeugs besteht (vgl. , BGHZ 161, 151, 159 f.; vom - VIII ZR 191/07, aaO; jeweils mwN; Beschluss vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 24).
33(b) Ob die Eigenschaft eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs - insbesondere wenn es über einen Dieselmotor des Typs EA 189 verfügt - in vergleichbarer Weise einen (unbehebbaren) Sachmangel darstellt, weil sie ebenfalls einen merkantilen Minderwert zur Folge hat, lässt sich bislang - anders als für die Eigenschaft als Unfallfahrzeug - nicht allgemeingültig und abschließend beantworten (nach einem Sachverständigengutachten in einem konkreten Fall verneinend zuletzt etwa OLG Karlsruhe, NJW-RR 2021, 852 Rn. 37 ff. [zu § 441 BGB]). Denn bislang ist weder geklärt, wie sich die bei den betroffenen Fahrzeugen verbauten Abschalteinrichtungen beziehungsweise die zu ihrer Entfernung vorgenommenen Software-Updates auf das Fahrzeug im Übrigen auswirken, noch - was insoweit entscheidend ist - ob beziehungsweise inwieweit aufgrund dessen bei weiten Teilen des Publikums wegen eines nicht auszuschließenden Verdachts verborgen gebliebener Schäden oder des Risikos höherer Schadensanfälligkeit eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines derart beschädigten Kraftfahrzeugs besteht, der sich in einer entsprechenden Herabsetzung des Verkehrswerts niederschlägt (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 25; vom - VIII ZR 184/20, juris Rn. 21; vom - VIII ZR 280/20, NJW 2022, 935 Rn. 26; vom - VIII ZR 386/20, juris Rn. 29).
34(c) Vor diesem Hintergrund waren (jedenfalls derzeit) weitere, über den oben genannten Vortrag hinausgehende Darlegungen etwa - wie vom Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft angenommen - dahingehend, dass sich der Preis des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ungünstiger entwickelt habe als der Gesamtmarkt für Diesel-PKW oder der Markt für andere als mit dem Motor des Typs EA 189 ausgerüstete Diesel-PKW, nicht erforderlich, um in die von der Klägerin beantragte Beweisaufnahme einzutreten.
35Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung handelt es sich bei der entsprechenden - das Vorbringen der Klägerin als unzureichend einstufenden - Würdigung durch das Berufungsgericht auch nicht etwa um eine in dritter Instanz hinzunehmende Einzelfallwürdigung. Die Beschwerdeerwiderung verkennt, dass die Behandlung von (erheblichem) Parteivorbringen als nicht ausreichend substantiiert durch das Gericht - wie oben aufgezeigt - eine Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG darstellt, wenn sie darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den betreffenden Vortrag der Partei gestellt hat. Ob dies der Fall ist, unterliegt bei entsprechender Rüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren stets der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht.
36cc) Die dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 Abs. 9 ZPO).
37Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht, hätte es das oben wiedergegebene Vorbringen der Klägerin in gebotener Weise zur Kenntnis genommen und zum merkantilen Minderwert des Fahrzeugs den angebotenen Sachverständigenbeweis erhoben, zu der Überzeugung gelangt wäre, dass auch zum Rücktrittszeitpunkt - trotz der bereits zuvor erfolgten Durchführung des Software-Updates - noch ein Sachmangel vorlag, so dass dem auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichteten Begehren der Klägerin nicht aus diesem Grund der Erfolg hätte versagt werden können.
383. Die weiteren von der Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Rügen hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).
IV.
39Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).
40Für das weitere Berufungsverfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Sollte sich herausstellen, dass das Update Folgeschäden am Fahrzeug verursacht und/oder dem Fahrzeug auch nach der bereits erfolgten Durchführung des Updates ein merkantiler Minderwert anhaftet, wäre zu beachten, dass diese Umstände auch für die - im Streitfall ebenfalls maßgebliche - Frage der Entbehrlichkeit der für einen Rücktritt gemäß § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderlichen Fristsetzung nach den Vorschriften der § 323 Abs. 2 Nr. 3, § 440 Satz 1 Alt. 3, § 326 Abs. 5 BGB von Bedeutung sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 254/20, BGHZ 230, 296 Rn. 82; Senatsbeschlüsse vom - VIII ZR 226/19, juris Rn. 33; vom - VIII ZR 184/20, juris Rn. 27; vom - VIII ZR 386/20, juris Rn. 32).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:260422BVIIIZR19.21.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-26737