Online-Nachricht - Donnerstag, 17.11.2022

Umsatzsteuer | Steuerbarer und steuerpflichtiger Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation (BFH)

Verzichtet der Chefarzt gegenüber dem Träger der Klinik, an der er tätig ist, auf das ihm durch die Klinik eingeräumte Recht zur Privatliquidation gegen monatliche Ausgleichszahlungen, die der Klinikträger leistet, um auch insoweit selbst gegenüber Privatversicherten abrechnen zu können, liegt eine steuerbare Verzichtsleistung vor, die nicht als Verzicht auf die zukünftige Erbringung von Heilbehandlungsleistungen gegenüber den Privatversicherten steuerfrei ist (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Steuerbarkeit und Steuerpflicht eines entgeltlichen Verzichts auf das Recht zur Privatliquidation und sämtlicher entstehender finanzieller Nachteile.

Eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung kam zu dem Ergebnis, dass es sich beim Verzicht des Klägers auf sein Privatliquidationsrecht zugunsten der Klinik um eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung handele. Das FA schloss sich dieser Auffassung an. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage machte der Kläger insbesondere geltend, der vertraglich vereinbarte Verzicht auf das Recht zur Privatliquidation sei als Abfindung im Rahmen seiner beamtenrechtlichen Stellung zu qualifizieren, sodass er keine Leistung als Unternehmer erbracht habe.

Das FG gab der Klage statt ().

Der BFH hat die Revision des FA als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen:

  • Der dem Kläger gezahlte Ausgleich ist - entgegen der Auffassung des FG - keine Abfindung für einen beamtenrechtlichen Besitzstand, sondern Entgelt für einen steuerbaren Umsatz i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.

  • Bei der Zahlung des finanziellen Ausgleichs handelt es sich um ein Entgelt für den Verzicht auf die Behandlung und Liquidation von Privatpatienten.

    • Der Kläger erbrachte eine sonstige Leistung durch Unterlassen, indem er auf "das ihm eingeräumte Recht zur Privatliquidation für die Behandlung ambulanter und/oder stationärer Privatpatienten und Selbstzahler" und damit auf eine ihm kraft Gesetzes (§ 3 Abs. 4 des Gesetzes über die Hochschulen und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) zustehende vermögenswerte Rechtsposition verzichtete.

    • Der Verzicht des Klägers auf das Recht zur Privatliquidation erfolgte auch als Unternehmer und war daher nicht in erster Linie überwiegend beamtenrechtlich veranlasst.

    • Zwischen der erbrachten Verzichtsleistung des Klägers und dem erhaltenen Gegenwert (monatliche Ausgleichszahlungen) lag der für die Steuerbarkeit erforderliche unmittelbare Zusammenhang vor.

  • Das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG schließt es aus, das vereinbarte Entgelt als nicht steuerbaren (echten) Schadensersatz zu qualifizieren.

  • Das FG hat zudem rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Verzichtsleistung jedenfalls wegen einer spiegelbildlichen Beurteilung der Steuerpflicht von aktiver Leistung und Verzicht gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei sei.

  • Wie das FA zutreffend geltend macht, dient der Verzicht auf das Privatliquidationsrecht weder der Behandlung, Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit und fällt daher mangels eines therapeutischen Zwecks nicht unter die Steuerbefreiung.

  • Die Steuerfreiheit der Verzichtsleistung ergibt sich - entgegen der Ansicht des FG - auch nicht unter Berücksichtigung der EuGH- und BFH-Rechtsprechung zur spiegelbildlichen Beurteilung ("actus-contrarius") von Leistung (steuerfreie Heilbehandlung) und Verzichtsleistung (Verzicht auf die steuerfreie Heilbehandlung).

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB YAAAJ-26596