Kindergeld | Kein Kindergeldanspruch während Ausbildung zum Facharzt (BFH)
Beginnt das Kind nach erfolgreich abgeschlossenem Medizinstudium ein Dienstverhältnis an einer Klinik, das als Vorbereitungszeit zur Erlangung der Facharztqualifikation dient, ist ein Kindergeldanspruch während dieses Dienstverhältnisses mangels Vorliegens einer Berufsausbildung i. S. des § 63 Abs. 1 Satz 2 i. V. mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung des Dienstverhältnisses der Erwerbscharakter und nicht der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Streitig ist, ob für den Monat April 2021 ein Kindergeldanspruch besteht, weil das Kind eine ärztliche Tätigkeit ausgeübt hat, die zur Erlangung der Facharztqualifikation erforderlich ist.
Die Klägerin ist die Mutter einer im Mai 1997 geborenen Tochter, die im Dezember 2020 ihr Medizinstudium erfolgreich abschloss. Zum begann sie ihre mindestens 60 Monate umfassende Vorbereitungszeit zur Erlangung der Qualifikation als Fachärztin. Das hierzu mit einer Klinik abgeschlossene Dienstverhältnis umfasste eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden. Die Familienkasse gewährte bis zum voraussichtlichen Ende des Medizinstudiums Kindergeld, lehnte eine Weitergewährung des Kindergelds während der Vorbereitung auf die Facharztqualifikation jedoch mit der Begründung ab, dass es sich hierbei nicht mehr um eine Berufsausbildung handele.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab ().
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:
Volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden kindergeldrechtlich u.a. dann berücksichtigt, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet (z. B. ).
Werden Ausbildungsmaßnahmen - wie hier - innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses durchgeführt, liegen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG allerdings nur dann vor, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d. h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d. h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht. Kurse oder Lehrgänge, die an sich als Berufsausbildung zu betrachten wären, führen mithin nicht zur Berücksichtigung als Kind, wenn sie im Rahmen eines Erwerbsverhältnisses absolviert werden und bei einer Gesamtbetrachtung der Erwerbscharakter überwiegt.
Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil die von der Tochter zur Erlangung der Facharztqualifikation durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen bei einer Gesamtbetrachtung des Dienstverhältnisses hinter den Erwerbscharakter dieses Dienstverhältnisses zurücktreten. Denn das FG hatte festgestellt, dass die Tochter der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Klinik bereits ihre Qualifikation als Ärztin einsetzte. Im Vergleich mit ihrer praktischen Tätigkeit als Ärztin hatte die theoretische Wissensvermittlung im Rahmen der Facharztausbildung einen deutlich geringeren Umfang. Zudem stand die Erbringung der Arbeitsleistung in der Klinik im Vordergrund und die Tochter erhielt auch keine bloße Ausbildungsvergütung, sondern ein für eine Ärztin angemessenes Entgelt.
Das FG hat die Frage, ob bei dem von der Tochter eingegangenen Dienstverhältnis der Erwerbs- oder der Ausbildungscharakter überwog, zwar im Rahmen des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG geprüft. Die insoweit getroffenen Feststellungen reichen aber aus, um bereits das Vorliegen einer Ausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu verneinen.
Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 53/2022 v. ; ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
VAAAJ-26049