Instanzenzug: Az: 6 U 9/16 Urteilvorgehend LG Mannheim Az: 7 O 210/14nachgehend Az: X ZR 30/21 Urteil
Gründe
1I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des am angemeldeten europäischen Patents 776 760 in Anspruch, das eine Polsterumarbeitungsmaschine betrifft.
2Das Klagepatent ist im Einspruchsverfahren in geänderter Fassung aufrechterhalten worden. Eine von der Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage hat der Senat auf die Berufung der Klägerin abgewiesen ().
3Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass der ursprünglich geltend gemachte Unterlassungsanspruch bezüglich zwei von vier angegriffenen Ausführungsformen erledigt ist. Ferner hat es festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz aller Schäden verpflichtet ist, die der Klägerin durch Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen und Gebrauchen dieser beiden Ausführungsformen sowie Einfuhr und Besitz zu diesen Zwecken entstanden sind, und die Beklagte zur Auskunft und Rechnungslegung bezüglich der genannten Handlungen sowie bezüglich der Lieferung von Verbrauchsmaterialien zur Verwendung in solchen Vorrichtungen und bezüglich Wartungs- und Leasingverträgen über solche Vorrichtungen verurteilt.
4Das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe, GRUR 2022, 641) hat die Beklagte ergänzend dazu verurteilt, Erzeugnisse, die in einem bestimmten Zeitraum Gegenstand von Benutzungshandlungen waren, in näher bestimmter Weise umzubauen. Die weitergehenden Rechtsmittel beider Parteien sind erfolglos geblieben. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
5Mit ihrer Beschwerde strebt die Beklagte die Zulassung der Revision mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung an. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
6Die Beklagte beantragt ergänzend, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine neue Nichtigkeitsklage (4 Ni 35/22) auszusetzen. Diese Klage haben eine mit der Beklagten verbundene Gesellschaft sowie einer deren Geschäftsführer mit Schriftsatz vom erhoben. Sie ist unter anderem auf Entgegenhaltungen gestützt, die im ersten Nichtigkeitsverfahren nicht vorlagen. Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
7II. Die von der Beklagten beantragte Aussetzung bis zur Entscheidung über die am durch die Konzerngesellschaft der Beklagten eingereichte neue Nichtigkeitsklage hält der Senat nicht für zweckmäßig.
81. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei der Entscheidung über die Aussetzung um eine Ermessensentscheidung, im Rahmen derer nicht nur das Interesse an widerspruchsfreien Entscheidungen zu berücksichtigen ist, sondern auch das Interesse des Verletzungsklägers an einem zeitnahen Abschluss des Verletzungsverfahrens (, GRUR 2012, 93 f. - Klimaschrank).
9Nach rechtskräftigem Abschluss eines Nichtigkeitsverfahrens kommt regelmäßig wegen der damit verbundenen erheblichen Verzögerung des Verfahrensabschlusses eine (erneute) Aussetzung des an sich entscheidungsreifen Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde im Hinblick auf eine nach Abschluss des ersten Nichtigkeitsverfahrens erhobene zweite Nichtigkeitsklage nur dann in Betracht, wenn die Erfolgsaussicht der neuen Nichtigkeitsklage offensichtlich ist (, GRUR 2012, 1072 - Verdichtungsvorrichtung).
102. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
11Die neue Nichtigkeitsklage ist zwar zum Teil auf andere Entgegenhaltungen gestützt. Ob diese Angriffe Erfolg haben werden, ist aber offen.
12Dass die neuen Entgegenhaltungen nach dem Vorbringen der Nichtigkeitskläger Maschinen mit Entnahmesensor enthalten, vermag eine offensichtliche Erfolgsaussicht schon deshalb nicht begründen, weil der Senat ausgeführt hat, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht schon deswegen nahegelegt, weil ein Entnahmesensor als solcher bekannt gewesen sei (, Rn. 50 f.).
133. Der Umstand, dass das Klagepatent durch Zeitablauf erloschen und die Verurteilung zur Auskunft und Rechnungslegung bereits vollstreckt ist, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
14Die Klägerin hat ungeachtet dieses Umstands ein schutzwürdiges Interesse an einer zeitnahen Entscheidung des Verletzungsprozesses. Die mit einer solchen Entscheidung verbundenen Nachteile für die Beklagte sind zumutbar, zumal die Beklagte nach ihrem Vorbringen eine weitere Vollstreckung bezüglich der Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung nicht befürchten muss.
15III. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Bejahung einer Patentverletzung und der daraus resultierenden Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung bezüglich der Benutzungshandlungen sowie Umgestaltung verletzender Vorrichtungen wendet, ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
16Von einer näheren Begründung wird insoweit gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
17IV. Hinsichtlich der Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung über Verbrauchsmaterialien sowie Wartungs- und Leasingverträge ist die Revision hingegen wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
18Der Streitfall wirft die klärungsbedürftige Frage auf, ob und inwieweit Vorteile, die einem Patentverletzer aus Handlungen nach dem Ablauf der Schutzdauer zufließen, zu dem durch Verletzungshandlungen während der Schutzdauer erzielten Gewinn gehören und in welchem Umfang insoweit gegebenenfalls Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung bestehen. Diese Frage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durch die bisherige Rechtsprechung des Senats nicht abschließend geklärt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:270922BXZR30.21.1
Fundstelle(n):
KAAAJ-25944