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BGH Beschluss v. - V ZA 10/22

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 4 T 1705/21vorgehend AG Rosenheim Az: 2 K 39/03

Gründe

I.

1Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des in dem Eingang dieses Beschlusses näher bezeichneten Grundstücks. Erstmalig angeordnet wurde die Zwangsversteigerung durch Beschluss vom ; die Anordnung der Zwangsverwaltung erfolgte durch Beschluss vom . Ursprünglich richtete sich die Zwangsvollstreckung gegen die (frühere) Schuldnerin (nachfolgend nur: Schuldnerin) P.    K.     , die auch als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen war. Sie hatte im Inland keinen Wohnsitz und keinen Zustellungsbevollmächtigten. Vollstreckungstitel sind zwei vollstreckbare Ausfertigungen der notariellen Urkunden vom und vom wegen dinglicher Ansprüche der Beteiligten zu 1 gegen die Schuldnerin. Am wurden die Beteiligten zu 3 bis 5, die Kinder der Schuldnerin, auf der Grundlage einer am erfolgten Auflassung als Miteigentümer des Grundstücks zu je 1/3 in das Grundbuch eingetragen. Bereits am war die Schuldnerin verstorben. Ihre gesetzlichen Erben, ihre Kinder (Beteiligte zu 3 bis 5) und ihr Ehemann (Beteiligter zu 6), schlugen die Erbschaft aus. Zugunsten des Beteiligten zu 6 sind im Grundbuch ein Nießbrauch und eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Ein von dem Vollstreckungsgericht am erlassener Zuschlagsbeschluss wurde im Beschwerdeverfahren mit der Begründung aufgehoben, dass es an einer wirksamen Zustellung der Vollstreckungstitel an die Schuldnerin fehle. Das Nachlassgericht ordnete am Nachlasspflegschaft an und erweiterte diese mit Beschluss vom auf die Wahrnehmung der Schuldnerrechte im Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren. Die der Zwangsvollstreckung zugrundeliegenden Vollstreckungstitel wurden gegen die unbekannten Erben der Schuldnerin, vertreten durch den Nachlasspfleger, umgeschrieben und diesem am bzw. am zugestellt.

2Bereits mit Beschluss vom hat das Amtsgericht eine Erinnerung der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beteiligte zu 3 Beschwerde eingelegt. Die Beteiligten zu 5 und 6 haben im Zwangsversteigerungs- und im Zwangsverwaltungsverfahren Vollstreckungserinnerung eingelegt und beantragt, die Verfahren einzustellen bzw. aufzuheben. Sie haben - ebenso wie die Beteiligte zu 3 - vorrangig die Ansicht vertreten, dass der Zustellungsmangel nicht geheilt worden sei, weil die Bestellung des Nachlasspflegers gesetzwidrig erfolgt sei und die beteiligten Grundstückseigentümer sowie der Nießbrauchsberechtigte hierdurch in ihren Rechten beeinträchtigt würden. Das Vollstreckungsgericht hat die Erinnerung der Beteiligten zu 5 und 6 mit Beschluss vom zurückgewiesen. Das die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den als unzulässig verworfen und die Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 gegen den zurückgewiesen. Dagegen möchten sich die Beteiligte zu 3 und die Beteiligten zu 5 und 6 mit der Rechtsbeschwerde wenden und beantragen dafür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

II.

3Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren sind zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

41. Eine Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3 wäre jedenfalls unzulässig, weil es im Hinblick auf ihre Person an einer für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde erforderlichen Zulassung (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) fehlt. Ausweislich der Begründung der Beschwerdeentscheidung wurde die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die von dem Beschwerdegericht als klärungsbedürftig angesehene Frage der Heilung von Zustellungsmängeln im Vollstreckungsverfahren zugelassen. Auf diese Frage kommt es aber für den Erfolg der Beschwerde der Beteiligten zu 3 nicht an, weil das Beschwerdegericht das Rechtsmittel insoweit als unzulässig verworfen hat; dieses habe sich durch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses vom erledigt. Dass die Beschränkung der Zulassung nicht in dem Tenor der Beschwerdeentscheidung enthalten ist, ist unschädlich, da es für eine Beschränkung genügt, wenn diese sich - wie hier - mit hinreichender Deutlichkeit aus den Entscheidungsgründen ergibt, weil sich die als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs stellt (vgl. nur Senat, Urteil vom - V ZR 207/21, juris Rn. 7).

52. Auch den von den Beteiligten zu 5 und 6 beabsichtigten Rechtsbeschwerden fehlt es an der erforderlichen Erfolgsaussicht. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde zwar zugelassen, eine solche wäre aber unbegründet.

6a) Ein Rechtsschutzbegehren hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in aller Regel allerdings schon dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Sind die maßgeblichen Rechtsfragen jedoch bereits hinreichend geklärt oder im vorerwähnten Sinne nicht schwierig, weil sie aufgrund der bestehenden Rechtsprechung ohne Weiteres und eindeutig zu beantworten sind, hindert die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht die Ablehnung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht nicht (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZA 11/17, juris Rn. 3 mwN).

7b) So liegt es hier. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 zu Recht für unbegründet erachtet. Die damit zusammenhängenden Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits hinreichend geklärt.

8aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Verfahrensfehler, der nach § 83 Nr. 6 ZVG zur Versagung des Zuschlags führt, durch Nachholung der unterbliebenen Förmlichkeit geheilt werden, wenn Rechte von Beteiligten nicht beeinträchtigt werden (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 114/07, NJW-RR 2008, 1018 Rn. 14 ff.). Dies trifft in der Regel für Mängel bei der Titelzustellung zu. Die Zustellung hat den Zweck, dem Schuldner unmissverständlich klar zu machen, dass der Gläubiger die titulierte Forderung zwangsweise durchsetzen wird, ihn über die förmlichen Grundlagen der Zwangsvollstreckung zu unterrichten, ihm Gelegenheit zu geben, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu prüfen und Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend zu machen, und ihn letztmals vor der zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Anspruchs zu warnen. Interessen anderer Beteiligter (hier u.a. der Beteiligten zu 5 und 6) dient die Zustellung an den Schuldner nicht. Diese Zwecke werden erreicht, wenn Zustellungsmängel während des laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens behoben werden (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 114/07, aaO Rn. 19). Dies gilt auch für die Anordnung der Zwangsverwaltung (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 48/15, NJW-RR 2017, 57 Rn. 10).

9bb) Hiervon geht das Beschwerdegericht zutreffend aus und bejaht eine Heilung des zunächst gegebenen Zustellungsmangels durch die Zustellung der Vollstreckungstitel an den Nachlasspfleger. Der Hinweis des Beschwerdegerichts, hier liege eine Besonderheit vor, weil die Schuldnerin das Eigentum an der verfahrensgegenständlichen Immobilie 2007 an die Beteiligten zu 3 bis 5 vor ihrem Tod und vor Heilung der Zustellungsmängel übertragen habe und die Heilung erst nach dem Tod der Schuldnerin und nochmaliger Bestellung eines Nachlasspflegers durch Zustellung der Titel an diesen erfolgt sei, wirft keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Die Wirksamkeit der Heilung eines Zustellungsmangels im Laufe des Vollstreckungsverfahrens wird durch diese vermeintlichen Besonderheiten nicht in Frage gestellt. Die - wie hier - nach der Beschlagnahme bewirkte Veräußerung des Grundstücks hat auf den Fortgang des Verfahrens gegen den Schuldner keinen Einfluss, weil sie gegenüber dem Gläubiger nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ZVG i.V.m. §§ 135, 136 BGB relativ unwirksam ist (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 123/13, BGHZ 201, 157 Rn. 23; Beschluss vom - V ZB 16/14, NJW-RR 2014, 1279 Rn. 13). Deshalb wird das Verfahren - anders als das Beschwerdegericht möglicherweise gemeint hat - gegen den bisherigen Eigentümer bzw. dessen Erben fortgesetzt; dieser bleibt insoweit Schuldner des Verfahrens (vgl. Sievers in Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 23 ZVG Rn. 13), und damit kommt es auch nur auf die wirksame Zustellung des Vollstreckungstitels an den Schuldner an.

10cc) Mit dem Einwand, der Nachlasspfleger habe von dem Nachlassgericht nicht bestellt werden können, da das Nachlassgericht gegen die §§ 1960, 1961 BGB verstoßen habe, können der Beteiligte zu 5 und 6 in dem Verfahren der Zwangsversteigerung bzw. der Zwangsverwaltung des Grundstücks nicht gehört werden.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:131022BVZA10.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-25939