Nichtzulassungsbeschwerde im anwaltgerichtlichen Verfahren: Zulässigkeit der Anhörungsrüge nach anwaltsrechtlicher Sanktion wegen Berufspflichtverletzung
Gesetze: § 43 BRAO, § 43a BRAO, § 116 Abs 1 S 2 BRAO, § 145 Abs 5 S 1 BRAO, § 145 Abs 5 S 2 BRAO, § 33a StPO, § 356a StPO, Art 103 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: AnwSt (B) 4/21 Beschlussvorgehend Anwaltsgerichtshof Frankfurt Az: 1 AGH 2/20vorgehend Anwaltsgericht Frankfurt Az: III AG 8/19nachgehend Az: AnwSt (B) 4/21 Beschluss
Gründe
I.
1Das Anwaltsgericht hat gegen den Rechtsanwalt wegen Verstoßes gegen seine anwaltlichen Pflichten (§§ 43, 43a BRAO i.V.m. § 14 BORA) einen Verweis ausgesprochen und eine Geldbuße in Höhe von 2.000 € verhängt. Der Anwaltsgerichtshof hat die Berufung des Rechtsanwalts verworfen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Anwaltsgerichtshofs hat der Rechtsanwalt Beschwerde eingelegt, die der Senat durch einstimmigen Beschluss vom gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 und 2 BRAO als unzulässig verworfen hat. Dagegen hat der Rechtsanwalt mit Schreiben vom , eingegangen bei Gericht per Telefax am von 2:15 bis 2:35 Uhr, Anhörungsrüge erhoben.
II.
21. Die Anhörungsrüge ist nach § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 356a StPO statthaft, aber unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben wurde.
3a) Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 356a Satz 2 StPO ist eine Anhörungsrüge bei einer Revisionsentscheidung binnen einer Woche nach Kenntnis von der vermeintlichen Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Maßgeblich ist allein die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der behauptete Verstoß ergibt (vgl. , NStZ-RR 2016, 318, 319 mwN).
4b) Der Beschluss des Senats vom ist dem Rechtsanwalt laut in der Akte befindlicher Postzustellungsurkunde am (Montag) im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 StPO, § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO durch Übergabe im Geschäftsraum des Rechtsanwalts an eine dort beschäftigte Person ( T. ) zugestellt worden. Die einwöchige Rügefrist ist danach bereits am und damit einen Monat vor Eingang der Anhörungsrüge des Rechtsanwalts bei Gericht abgelaufen.
5c) Soweit der Rechtsanwalt dagegen in seiner Anhörungsrüge angegeben hat, der Beschluss des Senats sei in den Briefkasten seines Büros in Berlin eingeworfen und an ihn in die Schweiz weitergeleitet worden, wo er ihn erst am tatsächlich persönlich erhalten habe, ergibt sich auch daraus keine fristwahrende Rügeeinlegung. Selbst wenn man diesem Vorbringen - trotz der der Postzustellungsurkunde gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO, § 418 ZPO zukommenden Beweiskraft (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 37 Rn. 27 mwN) - folgt und des Weiteren auch offenlässt, ob danach nicht von einer wirksamen Ersatzzustellung durch Einlegen der Sendung in den Briefkasten seines Geschäftsraums (§ 116 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 StPO, § 180 Satz 1 ZPO auszugehen wäre, wären etwaige Zustellungsmängel jedenfalls mit dem tatsächlichen Zugang des Beschlusses bei dem Rechtsanwalt am gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 StPO, § 189 ZPO geheilt. Danach gilt der Beschluss im Zeitpunkt seines tatsächlichen Zugangs, mithin am (Montag) als zugestellt. Die einwöchige Frist des § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 356a Satz 2 StPO ist damit am , d.h. ebenfalls vor Eingang der Anhörungsrüge des Rechtsanwalts am bei Gericht, abgelaufen.
6d) Die Auffassung des Rechtsanwalts, er könne gegen den Beschluss des Senats vom eine fristlose Gehörsrüge nach § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 33a StPO erheben, trifft nicht zu. § 356a StPO enthält eine gegenüber § 33a StPO vorrangige speziellere Regelung für das Revisionsverfahren, deren Frist- und Formvorschriften nicht durch den Rückgriff auf § 33a StPO unterlaufen werden dürfen (vgl. , NStZ 2007, 236; OLG Nürnberg, NStZ 2007, 237; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 33a Rn. 1, § 356a Rn. 1a, 6).
7e) Dem Rechtsanwalt ist auch keine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Anhörungsrüge gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. §§ 44, 45 StPO zu gewähren.
8Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) hat der Rechtsanwalt nicht gestellt. Auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung ohne Antrag (§ 45 Abs. 2 Satz 3 StPO) liegen nicht vor. Das gilt auch dann, wenn man das Vorbringen des Rechtsanwalts zum Zugang des Beschlusses unterstellt.
9aa) Bei wirksamer Zustellung des Beschlusses an dem in der Postzustellungsurkunde ausgewiesenen Datum am scheitert eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits daran, dass der Rechtsanwalt die versäumte Handlung entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht innerhalb der Antragsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO, d.h. binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses, auf dem seine Fristversäumung beruhte, nachgeholt hat. Da der Rechtsanwalt nach seinen Angaben am Kenntnis von dem Beschluss erlangt hat, hätte er die versäumte Anhörungsrüge bis zum bei Gericht einreichen müssen. Das ist nicht der Fall. Damit kann dahinstehen, ob die übrigen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, insbesondere das fehlende Verschulden des Rechtsanwalts an seiner Unkenntnis von dem Beschluss bis zum (§ 44 Satz 1 StPO), überhaupt bejaht werden könnten.
10bb) Bei Annahme einer Zustellung des Beschlusses erst im Zeitpunkt des von dem Rechtsanwalt angegebenen tatsächlichen Zugangs am (§ 116 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 StPO, § 189 ZPO) kommt eine Wiedereinsetzung jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil der Rechtsanwalt nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der in diesem Fall am ablaufenden Anhörungsrügefrist gehindert war (§ 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 44 Satz 1 StPO). Dass bzw. warum ihm eine Einreichung der Anhörungsrüge nicht innerhalb einer Woche nach dem tatsächlichen Zugang des Beschlusses am möglich gewesen sein soll, hat er nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht.
112. Die Anhörungsrüge wäre zudem auch unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Rechtsanwalt nicht hätte Stellung nehmen können, noch hat er entscheidungserhebliches Vorbringen des Rechtsanwalts im Rahmen seiner Nichtzulassungsbeschwerde und ergänzenden Stellungnahme vom übergangen oder in sonstiger Weise den Anspruch des Rechtsanwalts auf rechtliches Gehör verletzt. Vielmehr hat der Senat bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Rechtsanwalts - insbesondere die von ihm mit Schriftsatz vom weiter präzisierten Fragen - in vollem Umfang bedacht und gewürdigt, es aber für nicht durchgreifend erachtet.
12Dass der Senat, wie der Rechtsanwalt beanstandet, im Beschluss vom nicht im Einzelnen angegeben hat, welche der in der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen er als nicht ungeklärt und welche als nicht entscheidungserheblich oder nicht in der gebotenen Form dargetan erachtet, begründet keinen Gehörsverstoß. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - einstimmig verworfen, bedarf der Verwerfungsbeschluss nach § 145 Abs. 5 Satz 2 BRAO keiner Begründung. Allein der Umstand, dass der Senat weder zu der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde noch zu der Begründung des Generalbundesanwalts Stellung genommen hat, rechtfertigt daher nicht die Annahme, er hätte das Vorbringen des Rechtsanwalts nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. BVerfG, StraFo 2007, 463 zu § 349 Abs. 2 StPO).
133. Die Kostenentscheidung folgt aus § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO analog (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 387/91, BeckRS 2006, 4295 Rn. 5 und vom - 1 StR 596/18, juris Rn. 6 mwN; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 356a Rn. 9).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:120122BANWST.B.4.21.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-25931